Creative Outlaws. UK Underground 1965 – 1971
Vor drei Jahren erschien bei Trikont der Sampler „Creative Outlaws. US Underground 1962 – 1970“, eine exquisite Kollektion der Musik amerikanischer Freaks, Beatpoeten, Avantgardisten, Protopunks und unangepasster Pioniere wie Moondog, MC 5, Nina Simone, den Stooges, The Fugs, Grace Slick, Country Joe, Holy Modal Rounders und vielen anderen. Dass es vergleichbare Aufnahmen auch aus Great Britain geben muss, versteht sich von selbst – der Musiker und „Musikarchäologe“ Tom Klatt und Christoph Wagner, Autor und Radiojournalist, begaben sich auf die Suche und förderten für „Creative Outlaws. UK Underground 1965 – 1971“ 21 exemplarische Songs zutage, die Protest gegen den Vietnamkrieg, Politik im Allgemeinen und gesellschaftliche Zustände im United Kingdom einerseits ausdrücken, andererseits für die musikalisch enorm kreative Zeit ab Mitte der sechziger Jahre stehen, als Folk, Rock'n'Roll, Psychedelik, Soul und Sounds from outer space muntere Allianzen eingingen - der radikale Experimentierwillen jener Zeit lebt heute in Punk, Anti-Folk und anderen Genres weiter. In den Linernotes hebt Mick Farren, britischer Musiker und altgedienter „Counterculture“-Aktivist, die Rolle der englischen Piratensender hervor, die im aktuellen Kinofilm „Radio Rock Revolution“ eine reichlich alberne Hommage erfahren. Die BBC sendete zwar Pop- und Rockmusik, scheute sich aber, weniger kommerzielle „Hippiemusik“ zu spielen – Grund genug für -zig Hobbyradiomacher, die Boote zu entern und von der rauen Nordsee aus das Empire mit „incredibly strange music“ zu versorgen, allen voran ein gewisser John Peel (dem die Compilation selbstredend gewidmet ist), der in seiner All-Night-Long-Sendung „The Perfumed Garden“ auch Bob Dylans fünfzehn Minuten lange Songs und ausgemachte Bürgerschrecks wie Arthur Brown („Fire“, auf dem Sampler: „Nightmare“) spielte. Auf „Creative Outlaws. UK Underground 1965 – 1971“ finden sich neben bekannteren Aufnahmen von Modbands wie John´s Children (noch mit dem jungen Marc Bolan!), den krawalligen Small Faces, Traffic, Eric Burden (mit seinem Song „Winds of Change“, der nichts, aber auch gar nichts mit dem akustischen Brechmittel der Scorpions zu tun hat), Blues mit schräger Orgel von Julie Driscoll, Hippiefolk von Fairport Convention und dem legendären Singer-/Songwriter Nick Drake auch viele kuriose Funde wie z.B. der Beatles-Klassiker „I am the Walrus“, gesungen von einer Grundschulklasse, initiiert vom Blues- und Free Jazz-Musiker Lol Voxhall oder die „britischen Mothers of Invention“, die Bonzo Dog Band, deren Auftritte zu bissigen Theateraufführungen gerieten. Wer heute glaubt, Devendra Banhart oder Hermann Düne seien echt freakig, sollte sich diesen Sampler unbedingt besorgen.
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O.S.T. Contact High. The Good, The Bad & The Bag
Ministry of Sound / edel
» contact-high.de
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Contact High. The Good, The Bad & The Bag
Ein „Contact High“ bezeichnet das Phänomen, vom puren Zusammensein mit bedrogten Leuten selber drauf zu kommen. Ob es das wirklich gibt oder ins Reich der modernen Mythen gehört, muss jede/r selbst ausprobieren – und im Zweifelsfall doch zur Tüte/Pille/Kräutertee greifen.
Vor kurzem lief der im Vorfeld überschwänglich als „durchgeknallt, schräg und witzig“ gelobte Film „Contact High. The Good, The Bad & The Bag“ des österreichischen Regisseurs Michael Glawogger in deutschen Kinos an. Leider hatte die Rezensentin noch keine Gelegenheit, die „österreichische Version des Big Lebowski“ anzugucken, kann sich über den Film also kein Urteil erlauben. Der Soundtrack hingegen liegt ihr bereits vor und lässt kaum Wünsche offen (sofern man welche hatte): von Queerfolkie Devendra Banharts „So Long, Old Bean“ über jeweils zwei Songs von Get Well Soon und Avantgarde-Blueser Captain Beefheart, groovenden Postfunk von Mokassa & Megablast, Glam von Roxy Music, Americana von Calexico und immer wieder gern gehörten Surfsound von den Surfaris und 60`s-Garagenbeat von den Sonics wird hier ein ziemlich breites Feld (haha) von Psychedelik bis Abhängbeschallung eröffnet. Dazu kommen neue Songs von Sven Regener und Richard Pappik (beide Element of Crime) und „Das Lied vom Contact High“, dessen Text vom Regisseur höchstselbst stammt, Musik wieder von Regener. Die generelle Skepsis gegenüber besonders gut bestückten Soundtracks (soll die Musik über den schwachen Film hinwegtäuschen) lässt sich sowieso nur durch nüchternes Betrachten des Filmmaterials ausräumen oder bestätigen.
Playlist: 1. Devendra Banhart - So Long, Old Bean | 2. Calexico - Frontera | 3. The Sonics - Have Love Will Travel | 4. Captain Beefheart - Party Of Special Things To Do | 5. The Surfaris - Wipe Out | 6. Makossa & Megablast - Like A Rocket | 7. The Base - Dirty Little Hole | 8. Get Well Soon - The World Needs A New... | 9. Richard Pappik - Feuersalamander (instrumental) | 10. Tiefschwarz - Get Excited (Score) | 11. Get Well Soon - If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting | 12. Roxy Music - Bitter Sweet | 13. Captain Beefheart - Further Than We've Come | 14. The Base - Contigo Hija | 15. Sven Regener - Don't Bogart Me | 16. Cornu - Youpi (Space Spaghetti Mix) | 17. Ostrowski & Wallisch - Das Lied vom Contact High
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Trentemøller: Harbour Boat Trips 01 Copenhagen
Hfn Music / Rough Trade
» myspace
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Trentemøller: Harbour Boat Trips 01 Copenhagen
Auch ein Techno-Elektro-Produzent und -DJ braucht mal etwas Ruhe und Erholung – solche Gedanken können einem kommen, wenn man die Mix-Compilation „Harbour Boat Trips 01“ von Anders Trentemøller einlegt. Dass die musikalischen Wurzeln des Dänen im gitarrendominierten Indiepop liegen, ist zwar bekannt, seiner eigenen Musik hört man das jedoch selten an. Auf seiner ersten Mix-CD verwebt Trentemøller fast achtzig Minuten Shoegazing, Drones, Ambient-Soundscapes, Dream Pop, Singer-/Songwriter-Lo-Fi-Folk von Beach House, Emiliana Torrini, Caribou, Gravenhurst, The Raveonettes, A Place to Bury Strangers, The Brian Jonestown Massacre und vielen anderen zu schwebender, emotionaler Sphärenmusik, die am besten zu den Stunden im frühesten Morgengrauen passt – man ist erschöpft und dehydriert von der durchtanzten Nacht, aber noch aufnahmefähig, ja bedürftig nach seelenstreichelnden Klängen. Trentemøller baut nur wenige Brüche ein: die beiden Tracks der New Yorker Elektropioniere Suicide („Cheree“ und „Ghost Rider“), The Raveonettes mit dem Joy Division-Cover „She´s Lost Control“ Muscleheads' „Phosphorescence“ mit Übergang in das newwavige „Devil´s Water“ von Rennie Foster, der treibende Wavetrack „I Know I´ll See You“ von A Place to Bury Strangers und das chanson'eske „Fantomes“ von Khan bringen ein wenig Irritation und rhythmisches Pumpen in den sonst überwiegend fließend-eleganten Mix. Warum ein Gourmand wie Trenti allerdings mit dem totgenudelten „Tainted Love“ von Soft Cell in den neuen Tag starten muss, bleibt ungeklärt. Ist vielleicht so, wie wenn man nach einem Molekularküche-Menü unbedingt 'ne Dosa Cola trinken will.
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