Six Steps Beyond
Für Fans von 2-Tone und Quadrophenia, The Fall und The Bad Seeds wie alle anderen auch: Ein Intensivkurs in Sachen Ska, Dub, Hip Hop und Rhythm & Blues.
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The Heavy Heavy Monster Sound. The Story of Trojan Records (2 CDs / Trojan / Sanctuary / Universal)
Sounds & Pressure: Mod-Reggae (2 CDs / Trojan / Sanctuary / Universal)
Ska-Ing West! (2 CDs / Trojan / Sanctuary / Universal)
Foundation Dub (2 CDs / Trojan / Sanctuary / Universal)
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Wer in London unterwegs ist, merkt noch heute: Das nicht selten kantige und kühle Genre Post Punk kriegte durch die Musik der schwarzen Community den Groove. Als vor drei Jahren das Ska-, Reggae- und Rocksteady-Label Trojan seinen vierzigsten Geburtstag feierte, haben wir den auf satt.org gebührend gewürdigt. Zurzeit wird das Trojan-Archiv kräftig nach Schätzen durchforstet: Dieser Tage erscheinen gleich vier Doppel-CD-Compilations, die Ska- und Reggae-Fans begeistern werden. Das Besondere der vier Sampler: Alle beinhalten rare Tracks, die noch nie zuvor auf CD gepresst wurden und nur als schwer aufzufindende Singles existierten.
Für Einsteiger ist »The Heavy Heavy Monster Sound. The Story of Trojan Records« unverzichtbar: Vierzig Stücke sind auf eine »Hits«- und eine »Rarities & Obscurities«-CD verteilt, man kann also vergleichen, ob und wie sich die erfolgreichen Songs von den weniger kommerziellen unterscheiden. Zu den Hits und Stars gehören selbstverständlich Jimmy Cliffs »Wonderful World Beautiful People«, »Big Seven« von Judge Dread (übrigens einer der wenigen weißen Trojan-Künstler), Desmond Dekkers »You Can Get It If You Really Want«, Songs von John Holt, Bob & Marcia, Tony Tribe und The Melodians. Bei den »Obscurities« lohnt das genaue Hinhören, auch wenn der Tanzimpuls nur schwer zu unterdrücken ist: Ranking Trevor klagt in seinem Song von 1983 »Mr Reagan, President Of The United States« bitter an. Weniger konkret, aber dennoch explizit politisch sind zum Beispiel »Jaga Jaga War« von The Wanderers oder The Aces mit »Down We Go«. Um Gott, Liebe, Musik und andere elementare Dinge geht es in den Stücken von Danny D & The Shadows (»Lord A Massie Massie«), Martin Riley (»Lord Pity Us All«) oder »Kiss Me Neck« von den legendären Upsetters. Mit diesem Sampler besitzt man auf einen Schlag wichtige Ska- und Reggae-Perlen, ohne sich dafür auf Flohmärkten herumtreiben zu müssen. Die gesparte Zeit kann man wunderbar ins Tanzen investieren.
Apropos Tanzen: Rhythmusbetont und eingängig sind die ebenfalls vierzig Tracks auf »Ska-Ing West!«. Diese Compilation widmet sich den »goldenen Jahren« des Ska, die 1964 begannen und in den späten Sechzigern schon wieder endeten. In den Jahren dazwischen erfreute sich Ska weltweit großer Beliebtheit, der warme, sanft-zwingend tanzbare Sound von der karibischen Insel wurde beinah so beliebt wie Motown-Soul.
In den ausklingenden Siebzigern erfuhr Ska (Slogan: »Not many people can cha cha cha, not everybody can do the twist, but everybody can do the Ska, it´s a new dance you can´t resist. Ska, Ska, SKA!«) dank britischer 2-Tone-Bands wie Madness, The Specials, The Selecter, Bad Manners und The Beat ein furioses Comeback; Hits wie »One Step Beyond«, »Night Boat To Cairo« und »A Message to You, Rudy« gehören auch heute auf die Playlist jeder guten Party. Die Ska-Stars der sechziger Jahre hießen Derrick Morgan, The Charmers, The Four Aces, The Mighty Avengers oder The Maytals; für das gesunde Selbstbewusstsein der Musiker sprechen Songtitel wie »The Beatles Got To Go« (Keith & Ken), die klarstellen, dass man sich auf Jamaika nichts von pilzköpfigen Anzugträgern aus GB vormachen ließ.
Keine Pilzköpfe, aber dezidiert modische Haarschnitte und natürlich Anzüge waren ein Muss für die Mods (= Modernists), die im England der Mid-Sixties auf Vespas und schnellmachenden Pillen unterwegs waren. Die schicken Klamotten der Mods und Modettes konnten nicht verhindern, dass an den Wochenenden nicht nur getanzt, sondern auch geprügelt wurde – besonders das beschauliche Seebad Brighton wurde häufig Schauplatz heftiger Kämpfe (siehe auch der Film »Quadrophenia«). Die Mods waren aber nicht nur mode-, gewalt- und drogenbewusst, sie definierten sich auch durch ihren exquisiten, hochspezialisierten Musikgeschmack, der einerseits Northern / Modern Soul, andererseits jamaikanische Rhythmen (Reggae, Ska, Rocksteady) favorisierte. Der Sampler »Sounds & Pressure« zeigt diese beiden Linien auf: Warme, gefühlvolle Soulmelodien zeichnen Songs wie »Jamaica Ska« (wieder Keith & Ken), das berühmte »Yeh Yeh« von Rico & The Rudies oder, der Titel ist Programm, »Soul Time« von Ken Lazarus & The Fugitives aus. Messerscharfe Rhythmen für Rude Boys und Girls gibt es beim »Watermelon Man« von den Vagabonds, Sonny Burkes »Choo Choo Train» und der »Rock Steady Party« von Glen Miller, ebenfalls von The Fugitives begleitet.
Der musikalisch spannendste und ambitionierteste Sampler unter den Vieren ist »Foundation Dub«: Vierzig wohlig wummernde Mix-Experimente von Dub-Pionieren wie King Tubby, Sly & Robbie, Augustus Paul oder Horace Andy, hauptsächlich aus den mittleren und späten siebziger Jahren. Reggaestücke wurden im Studio mit (Analog-)Effekten und zusätzlichen Bass-Spuren versehen, um sie hypnotischer und tanzbarer zu machen – bis heute ein beliebtes Remixverfahren: Das dunkle Vibrieren macht selbst aus dem unbedarftesten Reggae ein trippiges Stück zum Drogennehmen und Rumfahren. Beispiele gefällig? Bitte »Babylon Falling Version« von The Heptones & The Upsetters, »Fat Skank« (Joe White) oder »Dub Dat (A Wah Dat Dub)« von Junior Dread und den notorischen Upsetters anwählen. Und laut stellen. Na, wie fühlt sich das an?
»Dub and Praise« von Junior Ainsworth & The Upsetters oder »Baby Why Dub« von King Tubby & The Aggrovators aus dem Jahr 1978 klingen auch für heutige Ohren sehr nach dem Sound von Bands wie Public Image Ltd., The Clash oder The Pop Group. Kurzum: Wer sich für die seit Jahrzehnten unkaputtbare jamaikanische Tanzmusik auch nur ein bisschen erwärmen kann, muss bei diesen vier Compilations zugreifen. Dub Dat!
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A Complete Introduction to Sugar Hill Records (4 CD-BoxSet / Universal)
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A Complete Introduction to Sugar Hill Records
Betrachtet man die aktuelle Rap- und Hip Hop-Landschaft mit ihren nach wie vor rar gesäten weiblichen Akteurinnen und ihrer macho- und gangstamäßigen Stoßrichtung, erscheint es umso unglaublicher, dass das genre-stiftende Label Sugar Hill Records in den späten Siebzigern von einer Frau gegründet wurde. Die ehemalige Soulsängerin Sylvia Robinson (nicht zu verwechseln mit einer Countrysängerin gleichen Namens) führte das nach einem Bezirk im New Yorker Stadtteil Harlem benannte Label zusammen mit ihrem Mann Joe – nicht immer unumstritten, um es mal höflich auszudrücken. Dennoch: Auf Sylvia Robinson gehen unternehmerisch und künstlerisch wagemutige Großtaten zurück und schließlich erkannte sie als eine der ersten das enorme Potential der neuen Musik aus der Bronx. So stellte sie zum Beispiel das Trio Sugar Hill Gang zusammen, das mit »Rappers Delight« 1979 den ersten erfolgreichen Rap-Track ever herausbrachte. Kurz darauf überzeugte sie Joseph Saddler a.k.a. Grandmaster Flash & The Furious Five, den bis dato nur als Demo existierenden Track »The Message« als Single zu veröffentlichen – die Geburtsstunde des political awareness rap. Ohne Mrs. Robinson wäre die Geschichte von Rap und Hip Hop anders verlaufen. Andererseits kann nicht verschwiegen werden, dass für Sylvia Robinson der kommerzielle Erfolg ihrer Schützlinge das Allerwichtigste war: Nachdem sie dank »Rapper’s Delight« und »The Message« zu Ruhm und Geld gekommen war, führte sie das Sugar Hill-Imperium mit harter Hand und eiskalter Berechnung: Unbequeme Künstler flogen raus. Fiel ihr begehrlicher Blick auf Rapper, die anderswo unter Vertrag waren, scheute sie sich nicht, unlautere Wettbewerbsmittel anzuwenden. Ab Mitte der achtziger Jahre ging es abwärts: Sugar Hill versank in Copyright-Streitigkeiten, Stars wie Flash und Kid Creole verließen das Label, und da versäumt wurde, rechtzeitig neue Rap-Acts aufzubauen, hatten die Robinsons keine andere Wahl, als die Firma 1985 zu schließen. Unter sugarhillrecords.com residiert heute ein Bluegrass- und Country-Label, von Rap und Hip Hop keine Spur. Was vom Harlemschen Zuckerhügel bleibt, ist ein beachtlicher Backkatalog: Die 4-CD-Compilation »A Complete Introduction To Sugar Hill Records« bietet einen guten Überblick, featuret die Hits wie »Rapper’s Delight«, »Apache«, »The Message«, »New York, New York« und andere Tracks von der Sugar Hill Gang und Grandmaster Flash & The Furious Five. Aber auch weniger bekannte Acts wie West Street Mob (mit Joey Robinson, einem Sohn von Sylvia und Joe), Crash Crew, Busy Bee, Spoonie Gee und Funky Four sind vertreten. Das umfangreiche Booklet erzählt die Sugar Hill-Story ungeschönt, stellt die Künstler vor (inklusive vieler Fotos) und bildet die Original-Singles-Cover der enthaltenen Titel ab, dazu Infos zu jedem Track.
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A Complete Introduction to Chess Records (4 CD-BoxSet / Universal)
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A Complete Introduction to Chess Records
Bis 1986 gehörte ein anderes legendäres Label zum Robinson-Imperium, bis es an MCA verkauft wurde: Chess Records, das wie kaum ein anderes für den Erfolg von Rhythm'n'Blues und Rock'n'Roll, aber auch Doo-Wop und Soul verantwortlich zeichnet. 1947 wurde Chess Records in Chicago von drei polnisch-jüdischen Brüdern gegründet, die sich bis dahin kaum für Musik interessiert hatten. Marshall, Leonard und Phil Chess arbeiteten unter anderem als Milch- und Schuhverkäufer oder Boxpromoter. Lust an der Musik bekamen sie erst, als sie mit Hilfe eines Kredits von Papa Chess mehrere Clubs in Chicago leiteten. Sie nahmen einige der Bluesmusiker unter Vertrag, die in ihren Kneipen spielten. Ihren ersten großen Coup aber landeten sie mit einem Song, der im Sun Studio in Memphis aufgenommen, jedoch dort nicht veröffentlicht wurde: 1951 erschien »Rocket 88« von Jackie Brenston auf Chess Records, begleitet von den Kings Of Rhythm, an der Gitarre Ike Turner. Das Stück gilt als erster echter Rock'n'Roll-Song und bereitete den Weg für zum Beispiel Chuck Berry, der kurze Zeit später zu einem der berühmtesten Chess-Künstler wurde. Zu ihm gesellten sich Bo Diddley, Howlin' Wolf, John Lee Hooker und viele andere Blues- und Rock'n'Roll-Männer – alle schwarz. Dies nicht nur als Fußnote: Die Chess-Brüder waren weiß und hatten, durchaus nicht üblich für diese Zeit, keine Bedenken, schwarze Musik zu veröffentlichen. Im Gegenteil: alle Beteiligten lebten recht gut mit dieser Entscheidung. Im Lauf der Jahre erweiterte Chess sein Spektrum, nahm vermehrt Soul- und Doo Wop-Acts unter Vertrag, auch, um an der durch Berry Gordys Motown-Label entfachten Soul-Mania teilzuhaben. Sängerinnen wie Etta James, Jan Bradley und Fontella Bass und Girlgroups wie die Jaynettes sangen Kompositionen von zum Beispiel Curtis Mayfield. Ihre Erfolge reichten an Motown- und Phil Spector-Acts locker heran. Mit Solomon Burke kam ein echter Soulman zu Chess, der, vergleichbar mit Marvin Gaye und Teddy Pendergrass, unverhohlen mehr Sex in den Chess-Katalog brachte. Mitte der siebziger Jahre geriet Chess in Turbulenzen, Leonard Chess starb, einige Chess-Songschreiber wanderten zu Motown und anderen Plattenfirmen ab. 1975 war Chess Records Geschichte. Heute wird das umfangreiche musikalische Erbe von Universal verwaltet: »A Complete Introduction To Chess Records« präsentiert ganze hundert Songs auf vier CDs, die nicht streng chronologisch, sondern thematisch geordnet sind. Auf CD 1 befinden sich lupenreine Rhythm'n'Blues- und Rock'n'Roll-Stücke wie »Moanin' At Midnight« von John Lee Hooker, Bo Diddley mit »Bo Diddley«, Muddy Waters' »I Can´t Be Satisfied« und natürlich »Rocket 88«. CD 2 wartet mit zeitlosen und millionenfach gecoverten Hits wie »Rock And Roll Music«, »The Red Rooster«, »Susie Q«, »Johnny B Goode« und »See You Later, Alligator« auf; CD 3 und 4 zeigen die stilistische Bandbreite von Chess Records, hier dominieren die Soulqueens und Lovermen – abgeschlossen wird das Paket allerdings von Chuck Berry mit »My Ding-a-Ling« von 1972. Die Ausstattung dieser Compilation ist baugleich mit dem Sugar Hill-Package, ein dickes Booklet mit vielen Fotos, Songinfos und einem Grußwort von Marshall Chess jr. gehört selbstverständlich dazu.
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