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November 2007
Felix Giesa
für satt.org

Action, keine Hasen,
aber dafür Hippiefrauen

Mawil: Action Sorgenkind

Mawil: Action Sorgenkind

Mawil: Action Sorgenkind
Hitmän und Mawil
Ego Shooter: Nix für Angsthasis und Mawils!

Mawil: Action Sorgenkind
Hippielifestyle. In Markus letztem Satz entpuppt sich eine mehrfache Kritik: So kritisiert er seine eigene Unfähigkeit sich einfach gehen zu lassen, da er dafür Alkohol bräuchte. Lesbar ist die Szene jedoch auch als Kritik an festgefahrenen Szene- und Clubgängern: „Das is irgendwie nicht meine Musik!“ hört man bei solchen Leuten des Öfteren.

„Lieber Markus, so geht das nicht weiter! [ …] Würdest du bitte anderen deutschen Comiczeichnern auch noch eine Chance geben?“ So hieß es im Februar 2003 in der Comixene, als gerade „Wir können ja Freunde bleiben“ von Markus „Mawil“ Witzel erschienen ist. Die Chance hat er der Konkurrenz eingeräumt und diese ist dann auch gleich heuschreckenartig über „sein“ Metier hergefallen: Autobiographische Comics. Nun hat der Wegbereiter dieser recht jungen deutschen Spielart der Bildgeschichte einen neuen Band vorgelegt. Ob er seinen Platz behaupten kann, soll eine knappe Lektüre zeigen.

Zwei Dinge fallen beim ersten Durchblättern sofort auf (davon abgesehen, dass die neue Papiersorte sich ganz wunderbar anfühlt): Es gibt auf einmal teilweise Farbe und zwei Geschichten wurden bereits woanders erstveröffentlicht. Wobei wahrscheinlich die meisten Mawil-Jünger das Hamburger „Schreibheft“ nicht kennen werden und „flitter 01“ wurde leider auch nicht so stark rezipiert, wie es zu wünschen gewesen wäre.

Nach der ersten Lektüre ist man dann etwas überrascht. Es handelt sich hier mitnichten um eine zusammenhängende Erzählung, wie z.B. „Die Band“, sondern um mehrere kurze Episoden aus Mawils Alltag, zusätzlich eine Geschichte zu der Jochen Schmidt die Story lieferte und eine etwas längeren Urlaubserzählung. Die Aneinanderreihung erscheint dann auch etwas chaotisch, aber Mawil ist ja auch das „Action Sorgenkind“.

Urkomisch ist dann auch direkt die erste Geschichte „Hitmän 2. The Silent Assassin.“ Hier geht es um Ego Shooter und sollte sich das Gebaren während eines solchen Spiels in allen Haushalten so witzig abspielen wie bei Mawil, dann ist jede weitere Debatte über ein Verbot solcher Spiele hinfällig. „Hitmän“ ist außerdem eine der Geschichten, die in Farbe gestaltet sind. Hier kann man uneingeschränkt sagen, dass die Kolorierung durchweg gelungen ist. Leichte, pastellene Farben wurden verwendet und fügen sich gelungen in den gewohnten Zeichenstil ein.

Die Geschichte „Und einen Fetzer“ ist zusammen mit Jochen Schmidt entstanden. Inhaltlich geht es hier wie schon wie bei „Wir können ja Freunde bleiben“ um eine verpasste Chance bei einem Mädchen. Allerdings ist die graphische Umsetzung diesmal bei weitem nicht so herausragend. Zu viel Text wurde in die Panels gequetscht, obwohl diese sowieso schon teilweise sehr klein geraten sind. Das mag vielleicht aber auch damit zusammenhängen, dass im „Schreibheft“ eine genaue Seitenzahl eingehalten werden musste.

Befreit von allen Zwängen, bildlich manchmal auch im wahrsten Wortsinn, präsentiert sich die letzte und umfangreichste Erzählung. Markus beschließt Urlaub zu machen und zwar auf dem Rainbow Festival, einem Hippie-Ferienlager. Die Berichte von einem Bekannten verheißen, was sich die Mawils dieser Welt in ihren Träumen wünschen: Überall nackte Frauen! Hier zeigt sich wieder einmal Markus größtes erzählerisches Vermögen. Die genaue Beobachtung seiner Umgebung und vor allem seine schamlose, beinahe masochistische Selbstreflexion. Denn jeder Leser erkennt die lüsternen Gedanken als seine eigenen. Sie jedoch bei jemand sehen zu können, der für uns immer wieder scheitert, ist das Urkomische an der Sache. Gleichzeitig schafft er die Gradwanderung keineswegs albern zu sein, sondern hat immer wieder Zeit für melancholische Augenblicke und meditative Überlegungen.

Hat Mawil nun seinen Platz unter den jungen deutschen Comicschaffenden behaupten können? Auf jeden Fall! Er bleibt seinem Stil sowohl erzählerisch als auch graphisch treu und wird dabei bisher keinesfalls langweilig. Ein Rainbow Festival wird es mit Sicherheit im nächsten Jahr wieder geben, da sollte es dann wieder reichlich zu erzählen geben …



Mawil: Action Sorgenkind. Berlin: Reprodukt 2007.
96 Seiten, farbig & schwarzweiß, 22,5 x 17 cm, Softcover, € 10,-
   » www.mawilcomix.de
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