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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

März 2003
Andreas Platthaus
für satt.org


Mawil:
Wir können ja Freunde bleiben

Reprodukt, Berlin 2003

Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

64 S., sw., br
12,00 Euro
    » amazon

VENTIL:
1: Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

2: Emmanuel Moynot: L'Enfer du jour

3: Yoann, Vermot-Desroches, Sfar, Trondheim: Donjon Monsters 5,6

4: Jason: Hey, warte mal …

5: Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H | Diceindustries: Rimini Redux

6: Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

7: Ulf K.: Titus von Götheborg | Uli Oesterle: Hector Umbra. Der halbautomatische Wahnsinn

8: Craig Thompson: Carnet de Voyage

9: Moebius, Stéphane Cattaneo: Beautiful Life

10: Neil Gaiman, P. Craig Russell: Mordmysterien

11: David B.: Babel

12: Baru: Wut im Bauch

13: Georges Abolin, Olivier Pont, Jean-Jacques Chagnaud: Jenseits der Zeit


Andreas Platthaus'
VENTIL No. 1


Mawil:
Wir können ja
Freunde bleiben



Ein viel häßlicherer Umschlag ist kaum vorstellbar. Ein viel besseres deutsches Comicalbum aber auch nicht. Und das will in Zeiten von Ulf K., Anke Feuchtenberger, Kat Menschik, Tim Dinter, Ole Könnecke oder Atak immerhin schon etwas heißen. "Wir können ja Freunde blieben" steht in Rot auf gelbem Grund, und in "Comixene", jenem ähnlich wie vor einigen Jahren "Zack!" mirakulös wiederauferstandenen legendären Comicmagazin (beide eint auch die enttäuschende Konzeption der Neuausgabe), steht eine Rezension des Albums, die das Schlimmste befürchten ließ.

Und dann kommt doch das Beste – wenn man liest, was Mawil alias Markus Witzel da aufgezeichnet hat: Geschichten seiner unbeholfenen Annährungen an schlanke junge Mädchen mit dunklen Haaren. Nun sind autobiographische Comics zwar das Schönste, was der Comic in den letzten Jahren zur Mode erhoben hat, aber zugleich sind die entsprechenden Erlebnisse auch das Normalste in der erotischen Biographie eines jeden Mannes. Aber wie Mawil das erzählt, macht seine Meisterschaft aus. Zunächst wählt er das bewährte feste Schema von neun identisch großen Panels pro Seite, das schon David Mazzucchellis "City of Glass" zu einem Klassiker gemacht hat. Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

Und wie der große Amerikaner beginnt Mawil irgendwann mit diesem Schema zu spielen, fügt die neun Bilder etwa zu einem großen seitenfüllenden zusammen, das zudem eine der ungewöhnlichsten Perspektiven enthält, die im Comic je zu sehen waren. Oder er arrangiert sie zum Aufriß eines Gebäudes, so daß die drei Reihen drei Geschosse abbilden, in denen sich jeweils rechts und links Räume vom Treppenhaus öffnen – große Kunst der Komposition. Und wie allein durch mehr oder minder beiläufig eingestreute Musikschnipsel die Zeitpunkte der Handlung angedeutet werden – mit Nirvana, Portishead e tutti quanti geht es durch die Neunziger –, das beweist ein sicheres Gespür für Nuancen. Der Ton verdankt sich Lewis Trondheim, der Stil gleicht eher Manu Larcenet – und wann hätte man je zuvor solche Vergleiche von deutschen mit französischen Comics wagen dürfen?

Ein Mangel nur: Abgesetzt durch einen anderen, karikatureskeren Zeichenstil, durch fehlende Panel-Umrahmungen und durch ein unterschiedliches Seitenlayout ist die recht banale Rahmenhandlung um ein männlichen Quartett, das sich auf einer Zechtour über seine verpaßten amourösen Gelegenheiten ausweint und dabei immer mehr betrinkt. Doch das Wunderbare an diesem Comic ist, daß selbst derart gezwungene Komik kaum unangenehm auffällt, weil die in diese Rahmenhandlung eingebetteten Erzählungen (zumindest die ersten drei der vier) so selbstverständlich dargeboten werden, als habe Mawil nie etwas anderes berichten wollen als ebenjene Episoden. Und was könnte man Besseres über einen Comic sagen, als daß er das Gefühl vermittelt, allein aus dem Bedürfnis zu erzählen heraus entstanden zu sein?