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Januar 2005
Andreas Platthaus
für satt.org


Moebius, Stéphane Cattaneo:
Beautiful Life

Zanpano, Paris 2004

Cover
38 S., vf., geb., 17,- €

VENTIL:
1: Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

2: Emmanuel Moynot: L'Enfer du jour

3: Yoann, Vermot-Desroches, Sfar, Trondheim: Donjon Monsters 5,6

4: Jason: Hey, warte mal …

5: Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H | Diceindustries: Rimini Redux

6: Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

7: Ulf K.: Titus von Götheborg | Uli Oesterle: Hector Umbra. Der halbautomatische Wahnsinn

8: Craig Thompson: Carnet de Voyage

10: Neil Gaiman, P. Craig Russell: Mordmysterien

11: David B.: Babel

12: Baru: Wut im Bauch

13: Georges Abolin, Olivier Pont, Jean-Jacques Chagnaud: Jenseits der Zeit


Andreas Platthaus'
VENTIL No. 9




Moebius, Stéphane Cattaneo:
"Beautiful Life"


Die Zeichnungen von Stéphane Cattaneo sehen aus wie eine Mischung aus Lewis Trondheim, Ulf K. und Jason, seine Bilder dagegen könnten von Jackson Pollock stammen, von Blinky Palermo oder Pablo Picasso. Die Zeichnungen von Moebius dagegen sehen aus wie immer: feinste Linienführung, die lediglich die Tradition der Ligne claire fortzuführen scheint, doch durch die unnachahmliche Bilddramaturgie des Zeichners den spezifischen Moebius-Touch erhält, ein Science-fiction-Gefühl, das derart Schule gemacht hat, daß heute außerirdisches Leben nur noch mit den Augen von Moebius gesehen werden kann.



Abbildung aus dem bespr. Band
Abbildung © DIVERS EDITEURS - Cattaneo / Moebius

Die visuelle Masche des einen vereint sich in "Beautiful Life" mit dem Eklektizismus des anderen, und heraus kommt ein verblüffendes Album, das ohne Worte auskommt und bequem in zehn Minuten zu durchblättern ist – oder auch in zwei Stunden, wenn man sich auf die Virtuosität des Strichs von Moebius und die bei ihm übliche Detailfülle einläßt, die noch vermehrt wird durch den Kunstgriff, in seinen Teil der Geschichte Bilder von Cattaneo zu integrieren. Heraus kommt eine Gemeinschaftsarbeit, deren individuelle Teile klar gegeneinander abgegrenzt sind, also ein Gegenstück zu so symbiotisch arbeitenden Zeichnerpaaren wie Dupuy und Berberian oder Trondheim und Sfar. In "Beautiful Life" ist auf den ersten Blick erkennbar, wer was gestaltet hat, und das nicht nur, weil Moebius die etwas peinliche Marotte pflegt, auf jeder seiner Seiten irgendwo eine Signatur unterzubringen, als wäre Schwarzweiß gegenüber Farbe nicht Signal genug, wer hier wo agiert – vom Stil ganz zu schweigen.

Das aber ist auch der einzige Wermutstropfen in einem faszinierenden Werk um eine denkbar simple Geschichte, die aber in dem Moment, wo der soeben tödlich verunglückte Autofahrer von Cattaneo ins Moebius-Universum gerät, zu einer enigmatischen Bilderfolge gerät, die eher den Charakter eines Portfolios denn einer konsequenten Story hat. Doch dadurch, daß jedes Moebius-Blatt durch eine abstrakte Komposition Cattaneos ergänzt wird, die in den kargen ganzseitigen Szenerien für kräftige Farbakzente sorgt, bekommt die Handlung den Charakter eines Galerierundgangs in einem jenseitigen Universum, das jegliche Folgerichtigkeit entbehrt. Derartige erzählerische Freiheiten haben Moebius schon immer gutgetan, und entsprechend hat er Zeichnungen geschaffen, die bei aller stilistischen Homogenität sämtlich für sich stehen können, während Cattaneos Aufgabe darin bestand, diese Arbeiten des berühmten Kollegen in einen größeren narrativen Zusammenhang einzubinden. Daß dabei auch der Jüngere in seiner Rahmenerzählung einige zauberhafte Seiten gestaltet hat, ist um so erfreulicher, als in den letzten Jahren diverse Partner von Moebius nicht gerade auf gleicher Augenhöhe mit dem Meister agiert haben. Dort steht auch Cattaneo nicht, doch das Experiment eines gemeinsamen Stummcomics ist geglückt, und so hat der frisch gegründete Pariser Zanpano-Verlag mit dem Album einen blendenden Start erwischt.