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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

August 2003
Andreas Platthaus
für satt.org


Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries:
Die Hure H

Zweite überarbeitete Auflage
Reprodukt, Berlin 2003

Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H. Zweite überarbeitete Auflage.

56 S., sw, br.
EUR 17,00
   » amazon


Diceindustries:
Rimini Redux

Reprodukt Berlin 2003

Diceindustries: Rimini Redux

46 S., sw, br.
EUR 10,00

VENTIL:
1: Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

2: Emmanuel Moynot: L'Enfer du jour

3: Yoann, Vermot-Desroches, Sfar, Trondheim: Donjon Monsters 5,6

4: Jason: Hey, warte mal …

5: Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H | Diceindustries: Rimini Redux

6: Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

7: Ulf K.: Titus von Götheborg | Uli Oesterle: Hector Umbra. Der halbautomatische Wahnsinn

8: Craig Thompson: Carnet de Voyage

9: Moebius, Stéphane Cattaneo: Beautiful Life

10: Neil Gaiman, P. Craig Russell: Mordmysterien

11: David B.: Babel

12: Baru: Wut im Bauch

13: Georges Abolin, Olivier Pont, Jean-Jacques Chagnaud: Jenseits der Zeit


Andreas Platthaus'
VENTIL No. 5


Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H

Diceindustries: Rimini Redux




Seit Dirk Rehm wieder als Verleger zu Reprodukt zurückgekehrt ist, hat sich die Publikationsfrequenz neuer Alben merklich erhöht. Doch obwohl der Berliner Kleinverlag schon in den vergangenen beiden Jahren einige Projekte vom gescheiterten Jochen Enterprises übernommen hatte, ist die gleichzeitige Veröffentlichung gleich zweier bereits anderweitig publizierter Comics als ungewöhnlich zu betrachten. Doch mit beiden Alben beweist Reprodukt eindrucksvoll, daß ihm an der Förderung der deutschen Comicszene gelegen ist.

Ob Anke Feuchtenberger solche Förderung aber überhaupt braucht? Die an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Graphik lehrende Zeichnerin gab gemeinsam mit ihrer regelmäßigen Szenaristin Katrin de Vries (die in diesem Jahr beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb von Klagenfurt eine Erzählung vorstellte) vor sieben Jahren den Band "Die Hure H" heraus – ein damals provozierender Band im Querformat, ein Bild pro Seite und eine Darstellung von Weiblichkeit, die die Leser entweder zu kompromißloser Ablehnung oder Begeisterung zwang. Ich mache kein Hehl daraus, daß auf mich letzteres zutraf. Diese Publikation zählt für mich zum Eindrucksvollsten, was der deutsche Comic in den Neunzigern hervorgebracht hat. Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H

Auch "Die Hure H" war bei Jochen Enterprises erschienen, überdies seit Jahren vergriffen. Deshalb ist die Neuausgabe sehr zu begrüßen, zumal sie als "überarbeitete" firmiert. Indes: Was wäre gegenüber der Orinialausgabe denn zu überarbeiten gewesen? Nun, vor allem die Druckqualität. Denn auch wenn das alte Querformat schöner ausgefallen war als das neue Hochformat mit zwei Bildern je Seite, ist die Überlegenheit der Reproduktion im jetzigen Album so drastisch, daß man sich fragt, wie man jemals mit dem ersten Band hatte zufreiden sein können. Die subtilen Bleistiftschattierungen sind nun nicht mehr einfach als diffuse Schwarzflächen wiedergegeben, sondern in all ihren feinen Abstufungen. Plötzlich bekommen dadurch die Dunkelmänner aus der zweiten Episode individuelle Gesichtszüge, und auch die Titelheldin selbst ist nunmehr besser zu beobachten, wenn ihre Lippen von den Zähnen unterschieden werden können. Gegen diesen Fortschritt verblassen alle weiteren Modifikationen, die Anke Feuchtenberger vornahm, so das einzige neu gezeichnete Bild (in Episode 2) oder das neue, nicht unbedingt verbesserte Cover, sowie die gleichfalls neu gestalteten, aber deutlich verbesserten Kapitelvignetten. Daß für die Vorsatzpapiere die alten Zeichnungen einfach gekontert wurden, ist dagegen geradezu albern.

Wesentlich überraschender, wenn auch bei weitem nicht so ausgereift ist der Band "Rimini Redux", der bereits 2002 in einer Winzauflage von hundert Exemplaren als Privatausgabe (damals noch ohne Zusatz als "Rimini" betitelt, obwohl in der jetzigen Neuausgabe zwei Seiten mehr enthalten sind) erschienen war. Damals forderte das Impressum die Leser noch dazu auf, Bootlegs des liebevoll gestalteten Albums (auf dem Titelbild ist eine eigens ausgeschnittene Farbmontage aufgeklebt) anzufertigen. Trotzdem wird sich diceindustries, wie sich der junge Hamburger Zeichner von "Rimini" nennt, wohl nicht darüber ärgern, mit seiner Geschichte nun bei einem renommierten Haus gelandet zu sein. Seine Erzählung reiht sich in die Welle autobiographischer Comics ein, die in den letzten Jahren aus Frankreich nach Deutschland übergeschwappt ist. Thema von "Rimini" ist ein frustrierender Italien-Urlaub des heranwachsenden Ich-Erzählers, dessen Wortwahl allerdings von nachgerade existenzialistischer Schwermut ist. Seine Kommentare zum Geschehen stehen prinzipiell unter den Bildern; Sprechblasen oder Onomatopöien gibt es in "Rimini" nicht. Die ursprünglich in schlichter schwarzer Linienführung angelegten Zeichnungen sind für die Neuausgabe grau laviert worden, was die Atmosphäre der expressiven, bisweilen an das Frühwerk von Baru erinnernden Bilder wirksam unterstützt. Schade nur, daß die Überarbeitung nicht auch dazu genutzt wurde, einige Rechtschreibfehler im Text auszumerzen. Dennoch ist "Rimini Redux" eine ausgesprochen angenehme Überraschung – nur leider nun doppelt so teuer wie noch im vergangenen Jahr die Erstausgabe.