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Über seine Vorliebe für den Düsseldorfer Zeichner Ulf K. muß der Verfasser dieser Zeilen wohl keine Rechenschaft mehr ablegen. Sein neuester Comic "Titus von Götheborg" ist ein allerliebstes kleines Werk, so recht zum Atemholen geeignet, bevor Ulf K in diesem Frühjahr, ebenfalls bei Edition 52, seine Diplomarbeit als Kommunikationsgraphiker publizieren wird: ein (soviel sei bereits verraten) grandioses Album mit (soviel Eigenwerbung sei erlaubt) einem Vorwort des Verfassers. Aber auch "Titus von Götheborg", entstanden als monatlicher Comicstrip in der "Neuen Musikzeitung", gibt bereits einen Eindruck von den melancholischen Anwandlungen, die derzeit das Werk von Ulf K. bestimmen. Das extreme Hochformat, die blaßgrüne Zusatzfarbe, der kindlich-einfache wirkende und doch so schwer umzusetzende Linienschwung – das alles läßt das dünne Heft zu einer kleinen Perle werden. Ganz anders, viel voluminöser und bunter, dazu als klassisches Album gebunden, kommen die neuen Projekte von zwei gleichfalls schon etablierten Zeichnern daher: Der Berliner Reinhard Kleist hat sich nach seinen Comicausflügen in die Clubszene der Hauptstadt nun an einer Mischung aus Science-fiction und Fantasy versucht: "Scherbenmund", geschrieben von Tobias O. Meißner, führt in die an Metropolis erinnernde Großstadt Berlinoir, die auch der daraus entstehenden Serie den Titel geben soll. Diese Stadt wird von Vampiren beherrscht, gegen die die wenigen Menschen, die sich noch nicht zu bloßen Blutspendern haben versklaven lassen, einen rücksichtslosen Partisanenkrieg führen. Das ist natürlich zunächst einmal purer "Matrix"-Stoff, doch die Liebesbeziehung zwischen dem Widerstandskämpfer Niall und der Vampirin Hellen bringt nicht nur Erotik, sondern auch Tragik in die Handlung ein. Hier wird durch eine kräftige, gleichwohl nuancenreiche Kolorierung und stete Variationen der Seitenarchitektur gleichsam ein Gegenentwurf zur Strenge von Ulf K.s "Titus" vorgestellt, und gerade diese Unterschiede lassen die Breite des Spektrums erkennen, über das die deutsche Zeichnerschar mittlerweile verfügt. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Uli Oesterle. Der Münchner Zeichner, der mit "Fraß" vor zwei Jahren ein fulminantes erstes Farbalbum vorgelegt hat, hat nun eine ganze Serie begonnen. In bester frankobelgischer Tradition ist sie nach ihrem Helden benannt, dem Maler Hector Umbra. Als dessen Freund, DJ Osaka, von Außerirdischen gekidnappt wird, begibt sich Umbra gemeinsam mit dem lebenslustigen Szenegänger Frantisek auf die Suche in einem apokalyptischen München, in dem "Wachturm-Vekäuferinnen die beiden Freunde ausspionieren, eine Obdachlose als düstere Prophetin fungiert und hinter der Tür des "Café Jenseits" ein direkter Weg in die Unterwelt führt. Umbra stellt bald fest, daß nicht nur Osaka ein anderes Leben führte, als alle glaubten, sondern daß die ganze Stadt nur Kulisse ist für Vorgänge, die sich seinem Begreifen entziehen. Diese aberwitzige Geschichte, auf deren Fortsetzung man gespannt sein darf, hat Oesterle in einem Stil gezeichnet, dessen Figuren sich amerikanischen Superheldencomics der Neunziger und dabei vor allem Mike Mignolas "Hellboy", die Dekors und vor allem die Farben sich aber Yves Chaland verdanken. Der 1990 verstorbene Großmeister der Nouvelle ligne claire war der vielleicht beste Kolorist des französischen Comics (Moebius engagiert ihn eigens für die Farbgebung des ersten "Incal"-Bandes), und Oesterle hat ihm manchen Trick in der Behandlung großflächiger Kompositionen und bei Farbkombinationen abgeschaut, während Ulf K. bei Chaland vor allem einiges über Figurengestaltung gelernt hat. In der Opulenz liegt Oesterle viel näher bei Kleist, doch seine Ökonomie der Mittel steht der von Ulf K. nicht nach – so paradox das auch klingen mag. Wenige Linien reichen für den überreichen Eindruck von Oesterles Stadtansichten und für seine expressiven Figuren, denen man höchstens ihren etwas zu szenigen Jargon und das entsprechend klischeehafte Aussehen vorwerfen kann. Aber das fällt bei diesem ambitionierten Fortsetzungsprojekt in Albenform kaum ins Gewicht.
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