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24. Januar 2011
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Felix Giesa
für satt.org |
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Zombies are the new VampiresSchenkt man der Mythenbildung um die Entstehung von George A. Romeros Night of the Living Dead Glauben, dann waren es die Horror-Comics der frühen 1950er Jahre aus dem Hause EC, die eine gewisse Inspirationsquelle für die Entstehung des Films darstellen. Etwas Wahres wird an der Behauptung wohl dran sein; Serien wie Tales from the Crypt, Vault of Horror oder Weird Science boten reichlich Geschichten um die wandelnden Toten und waren in ihrer Einflussnahme als Meilenstein des Horrors stilprägend weit über die Welt der Comics hinaus bis in die unterschiedlichsten Bereiche der Popkultur. War also seit Beginn der modernen Zombie-Geschichte im Stile Romeros eine Wechselbeziehung zwischen Zombie-Comic und Zombie-Film vorhanden, so hat sich dieser über die Jahre hinweg perpetuiert. Nach der Zombie-Wiederbelebung durch 28 Days later fanden sich auch wieder vermehrte Zombies im Comic, zuvorderst sicherlich in den Franchise-Comics zu 28 Days later. Jedoch markierte The Walking Dead von Robert Kirkman einen solch massiven Wandel in dem, was Zombiecomics bisher waren, dass die öffentliche Wahrnehmung für einen Horrorcomic mehr als ungewöhnlich hoch war. Wie sehr, dass kann man an der mittlerweile erschienenen ersten Fernsehstaffel der Serie ablesen. Kirkman war mit dieser Serie so erfolgreich, dass er für Marvel eine eigene Zombieserie schreiben durfte. Marvel Zombies ist so erfolgreich mit seinen zombifizierten Superheldenfiguren, dass mittlerweile fünf Miniserien gelaufen sind. Zombies sind im Mainstreamcomic mittlerweile so en vogue, dass sie in den Hauptserien laufen dürfen. DC Comics Blackest Night bedient sich explizit bei der Ikonographie des Zombiefilms (»Across the universe the dead will rise!«) und bei Marvel finden sich zombifizierte Superhelden in Thanos Imperative. In Anlehnung an einen Slogan aus der erfolgreichen Phase der Pirates of the Caribbean-Filme (»Pirates are the new Monkeys«), kann man nun eher sagen: »Zombies are the new Vampires!« Soviel Zombie-Action blieb auch hierzulande nicht ohne Folgen. Ist Deutschland von Comicimporten geprägt gewesen, gilt das auch im Horrorbereich, wie man unschwer an Serien wie den Gespenster Geschichten und Horrorschocker erkennen kann: Beide sind eindeutig in der Tradition der EC-Horrorcomics entstanden. Nun gelang es jedoch Stefan Dinter und Christopher Tauber mit Die Toten, gleichzeitig den Gesetzen der aktuellen Zombiegeschichte treu zu bleiben und doch etwas national Eigenes zu erschaffen. Auch in Die Toten wird von einer allumfassenden Zombieepidemie ausgegangen, die sich in ganz Europa ausbreitet. Erzählerisch ist jedoch ein anderer Weg vorgesehen. Man konzentriert sich nicht auf eine Gruppe Überlebender, sondern stellt in kurzen Episoden Einzelschicksale vor. Verläuft hier der totale Absturz der Zivilisation entsprechend den Genrekonventionen, sind es aber besonders die Versuche, nationale Gegebenheiten erzählerisch zu nutzen. Schon die Titelbilder der ersten beiden Bände zeigen einen Polizisten bzw. eine Briefträgerin in den entsprechenden deutschen Uniformen, was schon auf der Ebene der Bilderfahrung einen ungemeinen Bruch mit Bekanntem darstellt. Zwischen den einzelnen Geschichten werden Zeitungsartikel präsentiert, die von einer Epidemie berichten, die Menschen hochgradig aggressiv werden lässt. Beginnend eine Woche nach dem ersten Auftreten der Epidemie schildern die Kurzgeschichten aus unterschiedlichen Regionen und aus der Sicht unterschiedlicher Personen die Schicksale der Überlebenden. Die erste Geschichte, geschrieben von Yann Krehl mit Zeichnungen von Michael Vogt, bedient die Gesetze noch am ehesten. Die Geschichte folgt Gabi und Sebastian, die gemeinsam der A5 folgen, auf der Suche nach Nahrung und Überlebenden. Unterschlupf finden sie bei Rainer in einer kleinen Kirche. Rainer hat vor dem Ausbruch als Angestellter an einer Tankstelle gearbeitet und entspricht dem Inbegriff einer deutschen Krämerseele. Während er sich in der Kirche verschanzt, Vorräte aus der Tankstelle hortet und auf ein Abklingen der Seuche wartet, plündert er tagsüber liegengebliebene Autos und bringt Geld und Wertgegenstände in seinen Besitz, um sich für »danach« finanziell abzusichern. Zeigt sich in Rainers kleinbürgerlichem Verhalten die tiefsitzende Verängstigung des kleinen Mannes im Zuge der Weltwirtschaftskrise, ist er ebenfalls ein Abziehbild für die verlogene Doppelmoral eines Stammtischparolen klopfenden Angestellten: Selber stiehlt er sich ein Vermögen zusammen, was er als rechtens ansieht, verurteilt hingegen Sebastian, als dieser einen angreifenden Infizierten tötet. Das er selber am Schluss der Episode stirbt, offenbart zwar zum einen ein naives Weltbild, nach dem jeder Opportunist seiner gerechten Strafe zugeführt wird, ist aber auch ein Indiz für den unberechenbaren Zustand der erzählten Welt. So wird im zweiten Band der Reihe die Geschichte einer Gruppe Bewohner eines Seniorenheims geschildert, die gezwungen ist, sich mit ihren Rollatoren auf die Suche nach Nahrung zu machen. Werden in einer überalternden Gesellschaft wie in Deutschland Senioren teilweise als die realen Zombies wahrgenommen, gelingt es Autor Andreas Völlinger in der Kontrastierung der ›echten‹ Zombies mit den ›vermeintlichen‹ Zombies auf die gesellschaftliche Ausgrenzung älterer Menschen hinzuweisen. Gleichzeitig macht er jedoch deutlich, dass sie nach wie vor einen Beitrag zu ebendieser leisten können. Abschließend lässt sich festhalten, dass mit Die Toten auf dem deutschsprachigen Comicmarkt erstmals eine Serie vorliegt, die sich treu an die Gesetzmäßigkeiten der modernen Zombieerzählung hält. Dabei werden gezielt Topoi der Volkskultur eingeflochten und bedingen so die Entstehung eines nationalen Subgenres der Zombiegeschichte. Wenn im März der dritte Band mit unter anderem einer Geschichte von Dietmar Dath erscheint, werden weite Teile des Landes sicherlich schon infiziert sein ... |
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