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9. Mai 2011
Felix Giesa
für satt.org

Durchgeblättert
  Till D. Thomas: Zirp #4
Till D. Thomas: Zirp #4
Ulama 2010


Nach ziemlich genau zwei Jahren liegt »Zirp #4« von Till D. Thomas und damit die Fortsetzung von »Rezzo & Elisabeth« vor. Dramatisch endeten die Ereignisse in »Zirp #3«, Rezzo und Elisabeth gingen getrennte Wege, alles war ungewiss. Thomas greift die losen Enden nun auf und schildert die Erlebnisse der beiden Getrennten. Das ist im Fall von Elisabeth, die nun mit einem Schriftstellter zusammen ist, bizarr, nicht, weil der Mann ein Schriftsteller ist, nun ja, eigentlich doch auch deswegen; im Fall von Rezzo, der als blinder Passagier auf einem Schiff untergekommen ist grotesk, wenn er gleich dem biblischen Jonas von Piraten von Bord geworfen wird; und schließlich karnevalesk, wenn Elisabeth und der Schriftsteller auf der Party von dessen Mäzen landen. Also Minicomic Galore vom Feinsten. Dazu passt, was vor kurzem (#99) im »Strapazin« zu französischen Micro-Editionen geschrieben wurde:

Alternative Kleinverlage und unabhängige Autorenkollektive sind natürlich keine neuen Erfindungen. Die gab’s schon immer, und sie haben immer wieder eine große Rolle in der Geschichte der Autorencomics gespielt. [...] Neu ist auch, dass die digitalen Techniken das Büchermachen verändert haben und es heute einfacher und billiger ist als je zuvor, auch qualitativ hochwertige Publikationen in Kleinstauflagen zu drucken. Diese Möglichkeiten nutzen die Micro-Verlage, um sehr ansprechende Bücher und Hefte zu machen.

Das trifft doch ziemlich genau auch für »Zirp #4« zu (wie auch für »Aua! Aua! Heiss! Heiss!«, für das ich ja auch schon den »Strapazin«-Artikel bemüht habe). Denn ansprechend und liebevoll ist »Zirp« tatsächlich gemacht, mit vierfarbigem Offset Druck-Umschlag und Prägedruck auf der Vorderseite.

Und da diese Kleinstverlage so klein sind, dass sie außerhalb jeglicher Markt-(Un)logik funktionieren, sind sie auch weit weniger krisenanfällig als größere Verlage, denen nach all den Exzessen nun sehr harte Zeiten bevorstehen.

Das mag stimmen, aber auch als Klein(st)verleger hat man Risiko, man muss ja erst einmal Privatvermögen aufwenden. Geschickterweise hat sich Thomas von der Hamburger Kulturstiftung fördern lassen. Da ist man hoffnungsfroh, dass es bald mit Nummer fünf klappt!

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  Naomi Fearn: Zuckerfisch – mit Liebe gemacht
Naomi Fearn: Zuckerfisch (#6)
– mit Liebe gemacht

Zwerchfell 2010
» Verlag
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Ziemlich schnell nach dem Erscheinen von »Zuckerfisch #5« erschien schon Nummer sechs. So schnell kommt ja kein Mensch hinterher, darum erst heuer hier ein Hinweis auf die Folgen des Jahres 2007, wie immer »mit Liebe gemacht«. ‚Wie immer’, kann man tatsächlich sagen, denn Naomi Fearn schafft es nun seit bald zehn Jahren wöchentlich in der »Stuttgarter Zeitung« ihren Strip um schwule Hasen, WG-Leben, post-WG-Leben, Kinderkriegen, Erwachsenwerden und den ganzen popkulturellen Firlefanz am Leben zu halten, wobei 2000 die ersten Folgen testweise erschienen. Also eigentlich schon länger als zehn Jahre. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man nun liest, dass Ende 2010 mit Volker Reiches »Strizz« ein ebenfalls langjähriger Zeitungsstrip zu Ende geht, der zugegebenermaßen lange Jahre ein Tagesstrip war. Weil ja schon von der »Ära ‚Strizz’ in der deutschen Comicgeschichte« die Rede ist, soll nur in Erinnerung gerufen werden, dass es durchaus auch andere exklusive Strips in deutschen Zeitungen gibt, die mehr als ihre Daseinsberechtigung haben. Das soll keineswegs als Blasphemie verstanden werden, eher als Feststellung.

Und wem ‚Zuckerfische’ nicht reichen: Es gibt ein »Zenterfold« von Mawil, jawohl, das steht unter der Dusche, mit Hasenwaschlappen und so.

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  Bob Dylan Revisited
Bob Dylan Revisited
Carlsen 2010
» Verlag
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Comics und Musik haben viel gemeinsam, nicht, dass es Comics über Musiker oder Musik(stücke) gibt, auch nicht, dass es Comiczeichner gibt, die Musik mache;, das alles gibt es und das alles fällt unter ‚Comics und Musik’. Aber darüber hinaus teilen sich Comics und Musik, mehr noch als Literatur oder Film und Musik, die Rhythmisierung, den formalen Aufbau der Seite, des Stückes, so, dass die Seite, die Doppelseite, der Vers, die Strophe ‚stimmt’. Der französische Comictheoretiker Thierry Groensteen geht sogar so weit, in der Analyse von Comicstrophen von Kadenzen zu sprechen. Ob man nun soweit gehen muss, ist streitbar, aber es wird deutlich, das Comics und Musik etwas gemeinsam haben.

Eine Comicanthologie nun, die Bob Dylan-Songs adaptiert, müsste eigentlich eine Vielzahl (hier sind es dreizehn) graphisch und erzählerisch gut komponierte, rhythmisierte Comics bieten. Klar, in einer Anthologie wird nicht jede Geschichte umwerfend sein, aber bei einem franko-belgischen Comicprojekt, dass dreizehn wohlbekannte Comiczeichner versammelt (die allerdings nicht alle aus dem franko-belgischen Comicraum stammen), kann man doch einiges erwarten. Erst einmal stellt man allerdings fest, dass Bob Dylan anscheinend nur von männlichen Comiczeichnern gehört wird. Aber zu den Comics. War die gesamte Anthologie in ebendieser Kategorie für einen Eisner Award im vergangen Jahr nominiert, so stach anscheinend ein Comicsong besonders hervor, denn er wurde für den besten Kurzcomic nominiert: »Hurricane« von Gradimir Smudja. Also ein sehr geschichtsträchtiger Song, ein sehr langer noch dazu. Für alle Unwissenden, der Song verhandelt die voreingenommene Verurteilung des afroamerikanischen Boxers Rubin ‚Hurricane’ Carter in den 1960er Jahren und führte letztlich zu einer Wiederaufnahme und einem Freispruch Carters. Warum es ausgerechnet diese Geschichte war, welche die Jury nominierte, kann ich nicht verstehen. Vermutlich ist die innenpolitische Brisanz auch nach 35 Jahren noch aktuell genug. Aber den oben gestellten Ansprüchen wird Smudja nur bedingt gerecht. Sein Comic ist durchaus gut rhythmisiert und auch bildlich gut in Szene gesetzt. Allein, ob ein Hurrikan im Bild tatsächlich ausreicht, um den Song zu fassen, scheint mir etwas abwegig. So bleibt es einfach eine Nacherzählung.

Gelungener, um ein Beispiel zu geben, ist da Lorenzo Mattottis Interpretation von »A Hard Rain's A-Gonna Fall«. Die vermeintliche Fröhlichkeit des Songs aufgreifend entwirft er mit Buntstiften und Ölkreiden eine bunte Bildwelt von Dylans Erwartungen einer atomaren Apokalypse. Die Dialogform des Liedes greift er immer wieder im ersten Panel einer Doppelseite auf, danach kommt der Rest der Strophe, die unteren zwei Drittel der rechten Seite gestalten den Refrain. Dabei hält sich Mattotti an sein vorgegebenes Panelschema und entwirft so den Rhythmus seiner Version von »A Hard Rain's A-Gonna Fall«. Das er sich dabei Freiheiten nimmt und am Ende einen großen Paukenschlag präsentiert, rundet den gelungenen Comic ab. Doch sind so gelungen bei weitem nicht die meisten Strips; Dave McKean weiß wie immer mit seinen Bildprogrammen zu begeistern, doch geht ihm zum Ende hin seine eigene Begeisterung leider etwas durch.

So kann man sagen, das »Bob Dylan Revisited« eine schöne Idee zugrunde liegt und das sie auch ein paar sehr gelungene Songadaptionen beinhaltet, vollends glücklich wird man damit aber nicht.