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3. Dezember 2011
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Felix Giesa
für satt.org |
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Charles Lewinsky und Andreas Gefe: Zwei mal ZweiEin Comic über werdende Eltern, »Das auch noch!« muss man da eigentlich gelangweilt feststellen. Schließlich gibt es neben Ingrid Sabischs Schwangerschaftserlebnisbericht in Comicform (mit dem Klassetitel »Schwangerschaftsstreifen«; www.die-heldin.de) mehr Schwangerschaftsliteratur, als man sich vorstellen kann – oder will. Und je nachdem, wie man bereit ist, »Zwei mal Zwei« zu lesen, ergibt sich daraus, dass der Band unnötig oder aber gelungen ist. Lewinskys Geschichte folgt zwei Paaren, die unter verschiedenen Vorzeichen schwanger werden. Lisa und Robert, beide Mitte 30, wollten schön länger ein Kind, Marlen und Mirko, Mitte zwanzig beide, hingegen kennen sich nur eine Nacht. Und so wird anhand des älteren Paares der Wahn vom Elternwerden gegen das entspannte Kinderkriegen der beiden Jungen durchdekliniert. Alle Klischees bis hin zum umschnallbaren Schwangerschaftsbauch für Männer werden bei Lisa und Robert bedient, während Marlen und Mirko sich erst einmal kennenlernen müssen, eigene Grenzen, auch gegen die Schwiegereltern abstecken müssen. Liest man das nun als zugespitztes den aktuellen Eltern einen Spiegel vorhalten, wird man sicherlich nicht umhinkommen, ordentlich zu schmunzeln. Erkennt man sich und seine Wünsche und Hoffnungen einer Schwangerschaft – »Zu jeder Schwangerschaft gehört eine Depression!« – wieder, kann man den Band auf den Stapel gleichgearteter Bücher legen, denn er enthält nix neues. Da könnten dann auch die Zeichnungen von Andreas Gefe kaum etwas retten. Die schwungvollen Zeichnungen mit der flächigen Kolorierung überzeugen handwerklich absolut, jedoch muss man enttäuscht feststellen, dass Gefe den Comic, der ja als wöchentliche Zeitungsbeilage im Züritipp erschien, in seiner Seitenarchitektur nicht stärker ausgenutzt hat. Andererseits könnte man auch argumentieren, dass es nun auch endlich einen hübschen Geschenkcomic für werdende Eltern gibt. Und je nachdem, wie die es lesen, werden sie hoffentlich entspannt an die Sache herangehen. ◊ ◊ ◊
Marika Paul: Royal Lip ServiceEin neuer Manga aus dem Boys Love-Genre, gezeichnet von einer deutschen Mangaka, der in der Kunststudentenszene der Dresdner Universität spielt? Das klingt ein bißchen so, als hätte die Zeichnerin Marika Paul neben ihrer täglichen Dosis Manga auch die vielfältige Nabelschaucomicliteratur hierzulande gelesen und aus allem etwas Neues geschaffen. Auf jeden Fall klingt es viel versprechend und wenn der Zeichenstil etwas an Becky Cloonan, die mit Brian Wood zusammen mit Demo eine großartige Comicserie geschaffen hat (und die übrigens auch Manga macht, zumindest beim amerikanischen Ableger von Tokyo Pop verlegt), erinnert, dann ist neben einer grundsoliden Story auch mit gelungenen Zeichnungen zu rechnen. Und so ist es dann auch. Der Kunststudent Arjen bandelt mit dem Musiker Viktor an, die Beziehung der beiden wankt auch nicht anders hin und her, als in thematisch ähnlich gelagerten Comics, eben nur mit dem Unterschied, das beide Liebenden Jungs sind. Genregemäß lauert natürlich auch irgendwo der Schatten der Vergangenheit, hier ist es der Patchworkbruder, der die Bruderliebe etwas streng auslegt. Zum Ende der Handlung wird diese leider etwas abrupt und holzschnittartig, aber Marika Paul ist ja selber noch jung und hat also noch Zeit, ihre Vermischung von Germanga und westlichen Erzählinhalten weiterzuentwickeln. ◊ ◊ ◊
Sam Ita: Die OdysseeDer Privatdetektiv Emerson Cod in der Fernsehserie Pushing Daisies entwirft und bastelt zum Ende der ersten Staffel ein Pop-Up-Bilderbuch mit dem Titel Der kleine Schnüffler (Lil' Gumshoe), das als Nachricht an seine verschollene Tochter fungieren soll. Daran, und wie begeistert der Privatdetektiv selber von den verschiedenen Pop-Ups ist, dürfte ablesbar sein, das Pop-Up-Bücher nicht nur ein momentaner Hype im Kinderbuchbereich sind. Bereits mit den aufwendigen, und auch nicht ganz preiswerten, Comic-Pop-Up-Adaptionen von Literaturklassikern durch den Papieringenieur Sam Ita haben sich die verspielten Bücher wohl zu einem Sammelobjekt für Erwachsene entwickelt. Verstehen kann man es gut, wenn man etwa in Itas neuestem Buch die dicken Seiten auseinanderblättert, sich Odysseus Schiff aufrichtet und man über eine Zugvorrichtung die Ruder des Boots bewegen kann und somit zwischen den Sirenen und der Scylla und der Charybdis durchfährt. Gleiches gilt für den Kampf gegen den Zyklopen, dem man einen Stamm ins Auge rammt ebenso wie in der auflösenden Szene in Ithaka, wenn Odysseus einen Pfeil durch die aufgestellten Äxte schießt und man tatsächlich einen Papierpfeil von einer Sehne ›schnellen‹ lassen kann. Ita beweißt sich hier also als auf der Höhe seines papiernen Ideenreichtums, was sich auch an einer Vielzahl weiterer Elemente zeigen ließe. Allerdings wird es etwas unübersichtlich, bei so vielen Pop-Ups immer der Handlung folgen zu können, da Ita, um mehr Elemente unterbringen zu können, manche Seiten zum weiteren Aufklappen gestaltet hat (im Prinzip wie ein Gatefold-Plattencover). Da passiert es dem Leser schnell, dass man, angezogen vom augenscheinlich nächsten Element, falsch weiterliest. Doch dieses und auch, dass die Comichandlung eher grobschlächtig ist, verkraftet das Buch ganz gut und man fragt sich, was dem Meister wohl für's nächste Jahr noch alles einfallen wird. ◊ ◊ ◊
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