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22. Oktober 2013
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Felix Giesa
für satt.org |
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Neue Comics von deutschen Zeichnerinnen und Zeichnern ◊◊◊
Arthur Schnitzlers Traumnovelle als Graphic Novel adaptiert von Jakob HinrichsDie bereits seit vielen Jahren in der Edition Büchergilde erscheinenden illustrierten Buchausgaben literarischer Klassiker kann man durchaus als beeindruckende Arbeiten der Buchkunst bezeichnen. Man verfügt im Verlag über eine lange Erfahrung in der bildnerischen Begleitung von Texten, weswegen es nun nicht verwundert, dass man auch in der Büchergilde Comicfassungen von Romanen unter der Bezeichnung Graphic Novel ins Programm genommen hat. Auf den Begriff der Graphic Novel sei hier insbesondere verwiesen, da der Begriff teilweise als gleichbedeutend mit Literaturadaption verstanden wird. Das ist auch im vorliegenden Fall nicht ganz uninteressant, denn Jakob Hinrichs legt mit dieser Adaption der Traumnovelle sein Comicdebüt vor. Hinrichs arbeitet vorrangig als Illustrator, wobei in vielen seiner bisherigen Arbeiten eine gewisse Comicaffinität nicht zu leugnen ist. Mit der Traumnovelle nun, dieser zwischen Traum und Wirklichkeit changierenden Erzählung über unbefriedigte sexuelle Abgründe, hat er sich ein ambitioniertes Projekt ausgewählt. Um die Transformation nicht auf der inhaltlichen Ebene zu halten, müssen die erzählerischen Besonderheiten des surrealen Erzählens mit ins Bild genommen werden. Doch genauso wie Manuele Fior bei seiner Adaption von Schnitzlers Fräulein Else es nicht gelang, die Subjektivität des inneren Monologs darzustellen, hat auch Hinrichs seine Schwierigkeiten damit, Traum und Wirklichkeit ansprechend zu gestalten. Diese nicht konkret unterschiedlich im Bild anzulegen, macht zwar in Bezug auf die Wahrnehmung der Figuren Sinn, da diese ja streckenweise selbst nicht unterscheiden können, was nun real ist. Es bleibt aber hinter den bilderzählerischen Möglichkeiten der Comics zurück. Dabei erweist sich Hinrichs mit seinen an Siebdruckarbeiten etwa eines Blexbolex gemahnenden Bildern als versierter Künstler, von dem man sich freuen würde, mehr Arbeiten zu sehen. Mit der Traumnovelle hat er gezeigt, dass er das Potential zu längeren Erzählungen hat, wenn er nun die Klaviatur der Comics noch besser zu spielen versteht, kann man sich auf kommende Arbeiten freuen. Als Nachklapp zu den oben angestellten Überlegung zur Graphic Novel als lediglich Comicfassung von Romanliteratur, lässt sich noch anschließen, dass der Fassung von Hinrichs im Anhang noch die vollständige Schnitzler'sche Textfassung beigegeben wurde. Bei aller künstlerischen Freiheit der Comicfassung kann/ darf/ soll diese anscheinend doch nicht alleine stehen.
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Schwarwel: Seelenfresser. 2. Buch: GlaubeNachdem Schwarwel für den ersten Band seines Vierteilers Seelenfresser im letzten Jahr den ICOM-Preis für den Besten Independent Comic einheimsen konnte, liegt seit kurzem der zweite Teil vor. Liebe war der Titel des ersten Bande, Glaube ist der Titel dieses Teils, die Reihung Paulus' im 1. Korintherbrief hat Schwarwel entsprechend aufgegeben. Es ist auch noch reichlich unsicher, wohin Schwarwel eigentlich will, mit dieser Titelgebung, zumal ihm für einen der ausstehenden Bände ja ein Titel fehlen wird. Die Liebe, wie sie Paulus im 1. Korintherbrief beschreibt, die aufopfernde, christliche Liebe, sie fand sich im ersten Teil der Reihe schon nicht. Viel mehr ging es um verlogene, demütigende Abhängigkeiten zwischen einzelnen Figuren, welche diese streckenweise mit Liebe verwechselten. Den Glauben findet man nun im zweiten Teil überhaupt nicht wieder, es geht nur weiter in die ungläubigen Abgründe der handelnden Figuren. Auch der Zeichenstil, für den der erste Band einhellig gelobt wurde, ist hier etwas rauer, vielleicht krasser geraten. Man wird wohl auf die Fortsetzung und den Abschluss des Projekts warten müssen, um alle seine Fragen beantwortet zu bekommen.
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Petit FoursErscheint mit den „Tollen Heften“ bereits seit vielen Jahren in der Edition Büchergilde eine kleine Leistungsschau der 'tollsten' Illustratorentalente hierzulande, entsteht mit den „Petit Fours“ eine ähnlich angelegte Reihe im selben Hause. Die kleinen bibliophilen Häppchen sind Geschenkbüchlein im besten Sinne: Als Hardcover gebunden und mit Pappschuber versehen, sind sie eine nette Aufmerksamkeit für jeden Anlass. Wie auch bei den „Tollen Heften“ werden hier bekannte und weniger bekannte Texte der Literaturgeschichte illustriert, wobei illustrieren nach weniger klingen mag, als hier eigentlich passiert. Auch wenn die Bilder niemals die Ursprungsgeschichte verdrängen. Mittlerweile liegen zwei mal vier Bändlein vor. Auch dort finden sich einige spannende Zeichner, denen man eine größere Öffentlichkeit wünscht. So hat etwa Katja Spitzer Joachim Ringelnatz' Auslassungen über die Wirkung von Reklame als Clownerei ins Bild überführt. Die flächigen und bunten Bilder ihrer Reklamewelt sind dabei zwar meilenweit von den Hochglanzbilder der heutigen Zeit entfernt, doch 'poppen' in ihren Bildern immer mal wieder Internetadressen auf. Und tatsächlich fällt einem die Verbindung mit dem nervigen Werbebannern im Internet oder noch nervigeren Spam gleich auf: Sie ist genauso überflüssig wie die von Ringelnatz verhöhnten Bettnässerpillen. Doch auch sein Ich-Erzähler erliegt der Werbung schließlich, wenn auch nur, um endlich seine Ruhe zu haben. Bei Spitzer haben die Werbefiguren spinnengleich viele Beine und khaligleich viele Arme: Die Werbung, sie ist überall und will uns umschlingen. Katja Spitzer bildet das überzeugend ab.
Spannend ist auch die Illustration von Kurt Tucholskys „Der Mensch“ durch das junge Illustratorenteam Drushba Pankow. Drushba Pankow stellen neben die satirische Beschreibung der Körperteile des Menschen anatomische Tafeln. Das mag auf den ersten Blick recht banal klingen, doch genau so wenig, wie Tucholsky tatsächlich medizinisch beschreibt, sondern viel mehr gesellschaftspolitisch verhöhnt, sind diese Anatomietafeln keine genaue Beschreibung des Menschen. Wie Schlachtvieh zerlegen Drushba Pankow den menschlichen Körper auf manchen Seiten. Dann wieder pressen sie Organe in einen Fliegenkörper, um das 'Dahinsterben wie die Fliegen' der Soldaten zu veranschaulichen. Dabei gelingt es ihnen, den feinen Hintersinn mancher Ausführungen Tucholskys durch ihre Bilder nicht zu banalisieren. Die rosafarbenen, wenn nicht gar fleischigen Bildtafeln werden mit Neonfarben regelrecht aufgepeppt. Herauskommen Pop Art-Miniarturen, die dem Text eine zusätzliche Drastik verleihen. Nach ihrer überaus spannenden Adaption des „Fräulein von Scuderi“, eine traditionelle, aber überzeugende Arbeit.
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