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11. März 2013
Felix Giesa
für satt.org

Neue Comics von deutschen Zeichnerinnen und Zeichnern
Im zweiten Halbjahr des letzten Jahres ist gleich ein ganzer Schwung neuer Comics aus heimischer Produktion erschienen. Die Comics offenbaren dabei eine beeindruckende Vielzahl unterschiedlicher graphischer Stile und eine ungebrochene Erzählfreude der Zeichnerinnen und Zeichner. Teil zwei von drei.
(Teil 1 | Teil 3)


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  Calle Claus: White Line
Calle Claus: White Line
Wuppertal: Edition 52 2012
144 Seiten, Euro 18,00
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Calle Claus: White Line

Zur Besprechung von Calle Claus' letztem längeren Comic, Findrella (2007), hielt Stefan Pannor fest, dass Claus in seinen Comics eine Vorliebe für das Meer und vermenschlichte Tiere hätte. Nun, fünf Jahre später hat sich an dieser Vorliebe nichts geändert: In White Line gibt es jede Menge Wasser und komische Tierfiguren. Allerdings ist White Line keine Geschichte über das Meer und schon gar nicht über Tierwesen. Beides ist nur Staffage. Aufschluss bietet der Titel an, zumindest wenn man bei diesem an den Song White Lines von Melle Mel oder zumindest die Coverversion von Duran Duran denkt: Es geht um eine drogengesättigte Partykultur. Und wenn Claus' Protagonist von einer Unbekannten in der Disko einen Zettel mit der Aufforderung »Folge der weißen Linie!« zusteckt, dann klingt das nicht aus Zufall sehr nach Alice im Wunderland. Dann was am Ende der weißen Linie folgt, ist kaum absurder, als was Alice im Wunderland erlebt: Mordende Fischfrauen, untreue Katzenfrauen und sechsbusige Krabbenfrauen treiben ihre undurchsichtigen Spiele mit dem Mann. Wenn dieser am Ende der Handlung schließlich wieder am Ausgangspunkt steht, dann ist dem Zeichner eine runde Geschichte gelungen. Einziger Wermutstropfen an diesem gewohnt souverän gezeichnetem Comic sind die zahlreichen freudianischen Versatzstücke. Der junge Mann wird als armes Geschöpf dargestellt, dass sich sowohl in der Realität als auch im Wunderland bösen und intriganten Frauen ausgesetzt sieht, wobei eine unsympathischer ist als die andere. Das ist alles inhaltlich wenig motiviert und stört den ansonsten gelungenen Comic.

  Anke Feuchtenberger: Die Spaziergängerin
Anke Feuchtenberger: Die Spaziergängerin
Berlin: Reprodukt 2012
80 Seiten, Euro 20,00
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Anke Feuchtenberger: Die Spaziergängerin

Nachdem Anke Feuchtenberger, die Grande Dame des deutschen Comics, in den letzten Jahren lediglich in ihrem eigenen Verlag veröffentlicht hat, liegt mit Die Spaziergängerin wieder ein breit zugänglicher Titel vor. Es handelt sich jedoch nicht um eine durchgängige Erzählung, die Spaziergängerin ist nicht nur Figur, viel eher ist es die Zeichnerin selbst. Obwohl auch das vermutlich zu ungenau ist, viel eher beschreibt das Spaziergängerische eine zeichnerische Haltung von Feuchtenberger, die ihre Umgebung genau beobachtet und mit dem Stift festhält. Diese Festhalten ist natürlich kein exakt-dokumentarisches, es ist die subjektiv-poetisch gefilterte Wiedergabe eines erlebten Moments. Die hier versammelten Geschichten sind allesamt zu knapp und skizzenhaft, um als Erzählungen zu gelten. Es sind fragmentarisches Alltagsminiaturen und -vignetten, die einzeln und unvollständig, hintereinander oder durcheinander gelesen werden können. Und wer weiß, wenn man lange genug durch die Seiten spaziert, kommt man der Zeichnerin eventuell noch auf die Schliche.

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  Hendrik Dorgarthen: Holodeck
Hendrik Dorgarthen: Holodeck
Zürich: Edition Moderne 2012
240 Seiten, Euro 36,00
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Hendrik Dorgarthen: Holodeck

Als Hendrik Dorgarthen 2008 in Erlangen mit seiner Retrospektive begeistern konnte, fehlte lediglich ein umfangreicher Katalog, um den Eindrücken auch daheim noch einmal nachgehen zu können. In Mühlheim/ Ruhr hatte Dorgarthen nun letztes Jahr erneut eine Ausstellung und die Edition Modern verlegte dazu den umfangreichen und schön gestalteten Katalog Holodeck. Was Dorgarthen immer wieder selber sagt, was auch im Vorwort zu lesen ist und sicherlich für eine Vielzahl Comiczeichner zutrifft, ist der Umstand, dass er ein zeichenwütiger Mensch ist. Immer und überall zeichnet er: Dinge, die er sieht; Dinge, die er nicht sieht; Alltägliches oder nach Vorlagen. Zusammen mit zahlreichen Entwurfskizzen entsteht in Holodeck ein wirres Beziehungsgeflecht zwischen den Bildern, das neben den popkulturellen (natürlich Superhelden und Roboter) und künstlerischen (Picasso) Einflüssen auch den Zeichner Hendrik Dorgarthen in seiner kreativen Entwicklung nachvollziehen lässt. Holodeck ist entsprechend nicht zur einmaligen Lektüre gedacht, es will immer wieder aufgeschlagen, durchgeblättert und an einzelnen, besonderen Stellen betrachtet werden.