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4. Oktober 2019 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||||||||||||||
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Mittwoch, der 18. / 25. September 2019 |
Writer: Chip Zdarsky; Artist, Cover: Kris Anka; Colorist: Matt Wilson; Letterer & Design: Jared K. Fletcher; Image Comics; $ 3,99
The second idea that I conceived during my TVOD-time was an English-language-review to reach dozens of new readers. Most of my ideas sooner or later take the other road and I forget about them, but here I took the opportunity and enlarge my (unpaid for) workload even more...
Starting here and now there will be ONE review in English in every issue of TVOD! Spread the word!
The White Treesis an example of the shortest series imaginable. Curious that I pick this one to do a review on two issues - which basically means I did a review on every single issue of the whole series - I better not imagine how this would have changed my life if I tried this with Spawn (shudder!).
But the second issue was so damn fine I really wanted to express my pleasure.
When I read the first issue I was aware of the fact that there was some twist to come, because the whole »quest« seemed so epic, it would have been a waste to cut oit schort after the second issue. I had enough confidence in Chip Zdarsky's abilities as writer that he would somehow prevent this from ending up as a trainwreck in story-telling ... but I was not prepared for just how clever he used the sheer scope (at least implied scope) of this short narrative.
We learn about countries and wars, political agendas, heroic pasts and shattered marriages. Just so that three heroes can save their children who may have eloped but seem to be kidnapped. Especially Krylos who chose the path of a farmer after his former life as a warrior, seems continually in thought - and his comrades are not exactly sure if he will be a help or hindrance on this mission.
He takes unnecessary risks which may lead to a complete failure of this expedition - even though evreyone is informed nothing less than the lives of their children are in jeopardy. It is reluctantly that he even joins the search - and each and every flashback is concerned with his less than successful switch from the life of a warrior to that of a farmer and father. He is full of remorse - and this is a dangerous state-of-mind when issue 2 is way more action-orientated, with several conflicts that may lead to the sudden demise of one of the three warriors.
© 2019 Zdarsco, Inc. & Kris Anka. All rights reserved.
Krylos even lets one enemy escape even though this may result in dire consequences. The tension between Krylos and the happy couple Scotiar and Dahvlan is palpable - but he couldn't care less it seems. He wants to do this his way - that much is certain, and in issue two we get a good idea why he was once called Krylos the bold.
I can't tell you any more about the plot. I don't want to destroy a beautiful work of art, you should experience it yourself. Just this much: it is simply glorious in its psychological depth.
You will find out why this story seems cut short (in reference to the sheer page count), but you will also understand why almost every page is so important for the story Zdarsky wanted to tell here.
Definitely the best new series of 2019 - and I won't even complain that it only had two issues. The concise brevity is one of the strengths of The White Trees ... but I would want to read any sequel or spin-off just as well.
The art by Kris Anka and the colors by Matt Wilson (Paper Girls) are also fucking brilliant, I just have to mention this in case of any blind readers (it's that obvious).
Oh, btw: a second printing of #1 was published together with #2: Go get them while you can!
Writer: Matt Kindt; Artist, Colorist, Cover, Letterer: David Rubín; Dark Horse Comics; $ 3,99
Weil Dark Horse sich bardamenhaft bis markttechnisch suizidal verhält, was die Nutzung von Bildmaterial für Rezensionen angeht (Berserker Unbound #1 betreffend warte ich seit nunmehr gut sieben Wochen auf eine Antwort irgendeiner Art), hatte ich eigentlich beschlossen, weiterhin deren Comics zu lesen, aber dazu keine Texte zu schreiben. Warum soll ich mir die Mühe machen, wenn die da so ein Ding unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchziehen wollen?
Aber so sehr ich mich dagegen sperre, kommt manchmal doch die Vernunft und Toleranz bei mir durch. Und wenn ich mal wieder einen neuen NCBD damit beginne, enttäuscht zu werden (etwa von der Wiedervereinigung von Chris Claremont und Bill Sienkiewicz), warum soll ich zum Schaden aufstrebender Comictalente, die sich nur den falschen Verlag ausgesucht haben (und Gerüchte bedagen, dass das fast jedem Künstler hin und wieder passiert), ignorieren?
Wenn man kein Bildmaterial zeigen will, dann mache ich halt einen auf Askese. Ich kann auch durch die Macht des Wortes ein wenig von der Magie festhalten, die mich hier ansprach.
Mit den Namen der beiden Schöpfern dieses Werks konnte ich erstmal nichts anfangen (okay, der Zeichner hat mal bei Black Hammer mitgewirkt, aber diese Serie muss ich genauso wie die ersten beiden Volumes von Ether noch nachholen.
Besagter Zeichner mit Namen David Rubín (das Lettering und die Farben hat er auch noch gleich mit übernommen) schafft es, mich mit diesem Heft an einige meiner Lieblingszeichner zu erinnern: Sein Strich erinnert mal an Craig Thompson, dann wieder an Jim Woodring, und ein bisschen Dave Cooper und Paul Pope erkenne ich auch. Autor Matt Kindt unterstützt offenbar die graphischen Trends - oder, was noch bemerkenswerter wäre, der Zeichner passt sich chamäleonartig mit seinem Stil an die Geschichte an). Und auch, wenn ich beim Zeichenstil Jeff Smith und Chris Ware nicht exakt wiederfunde, so erinnert mich die Art, wie erzählt wird an diese beiden Cartoonisten. Wie bei Jeff geht es im Hintergrund der Geschichte um alte Mythen (die Statuen der Gottheiten erinnern mich immens an Smiths Shazam-Miniserie). Und von Chris Wares Neigung, seine Comics narrativ wie Ikea Bauanleitungen anzulegen, hat man auch einiges übernommen. Nicht annähernd so metikulös (ja, ich glaube auch, dass es dieses Wort im Deutschen nicht gibt), aber zumindest sieht man den Trend.
Die eigentliche Geschichte ist ein bisschen wie bei The White Trees, kriegerischer Held soll verschwundene Damsell, die ihm viel bedeutet, ausfindig machen. Und wenn ihm wer dumm kommt, endet der halt in Scheiben. Nur mit einer aus jeder Pore der Comicseiten herausströmenden Indie-Attitüde. Und wenn ich sage »Indie«, meine ich nicht Image und Dark Horse, sondern Fantagraphics und Drawn and Quarterly. Zumindest hier und jetzt. Wer die Riege der verdienten Comickünstler oben durchgeht, kann sich schon ganz gut ein Bild machen, um was für einen Comic es sich hier handelt.
Auch, wenn ich auf das Bild per se verzichten muss. Aber dann blättert die ersten Seiten des Dings doch kurz im Comicshop durch. Wenn's euch nicht gefällt, könnt ihr ja etwas anderes kaufen.
;-)
Writer, Artist, Cover: Stjepan Sevic; Letterer: Gabriela Downie Sharpe; DC Comics; $ 7,99
Vorab eine kleine Entschuldigung: Der Künstler Stjepan Sevic hat auf dem ersten und letzten Buchstaben seines Nachnamens exotische Sonderzeichen (sowas wie ein kleines v über dem S und einen Slash über dem c), die ich im etwas veralteten HTML 4.01 nicht ohne Research, für den mir die Zeit fehlt, darstellen kann. Einfach dazudenken, es ist keine böse Absicht.
In meinem Text zu Harley Quinn: Breaking Glass hatte ich erst vor kurzem betont, dass mich diese Figur nicht besonders anspricht - und schon wieder nehme ich mich eines Comics an, in dem sie die Titelfigur ist. Das liegt zum einen am Veröffentlichungs-Overkill im Zusammenhang mit einem bestimmten Film mit Joaquin Phoenix (es ist fast schon beeindruckend, wieviel Joker-Zeug DC aktuell raushaut), zum anderen geht es aber hier abermals um die Vorgeschichte von Harley Quinn - und das ist aus meiner Sicht das Interessanteste an ihr.
Es ist ewig her, dass ich den ersten Comic-Auftritt von Harley (Paul Dini / Bruce Timm) gelesen habe, ich bin mir auch immer noch nicht sicher, ob die Figur nicht eigentlich in der entsprechenden Animationsserie (ich glaube, Batman Adventures hieß sie) erstmals auftrat. Auf jeden Fall hat man sich da mehr auf die abstruse Liebesgeschichte zwischen Harley und dem Joker konzentriert als auf eine irgendwie psychologisch fundiert wirkende origin.
© 2019 DC Comics. All rights reserved.
Ich bezweifle, dass dies ohne weiteres nachgeliefert werden kann (wie mir auch der Joker-Film extrem suspekt vorkommt und vermutlich nicht das Interesse bei mir erwecken wird, das einen bezahlten Kinobesuch auslösen könnte), aber zumindest ist es ja interessant zu sehen, was Stjepan Sevic daraus macht. Der ist vor allem für &187;Frauengeschichten« bekannt (Sunstone) und beschäftigte sich auch mal mit dem Suicide Squad, wirkt jetzt aber auf mich nicht automatisch wie jemand mit dem analytischen Geschick und der psychologischen Expertise, wie ich sie etwa aus den besten Werken von Alan Moore kenne.
Im ersten Drittel von Sevics Harley-Origin gelingt es ihm zumindest, sich mit der Titelfigur anzufreunden. Man taucht ganz in ihre Narration ein, sie schildert Alpträume, die auf einem zufälligen Treffen mit dem Joker aufbauen - und trotz dieser Einschränkung soll sie sich für ihre psychologische These »detecting stages of deteriorating empathy [...] to identify a sociopath in the making« mit einem Stipendium der Wayne Foundation als geduldete Wissenschaftlerin in Arkham Asylum früher oder später auch mit diesem Schreckgespenst unterhalten, um seinen Geist zu erkunden.
Das erinnert in nicht geringer Weise an Clarice Starling und Hannibal Lecter, nur das diesmal kein Verbrechen geklärt werden soll (vorerst) und Harleen deutlich stärker sexualisiert wird als die kühl-zurückhaltende FBI-Agentin aus The Silence of the Lambs. Außerdem bringt man natürlich eine Menge anderer DC-Figuren ein, besonders auffällig dabei neben dem obligatorischen Batman dessen Untergebener Lucius Fox sowie zwei spätere Superschurken, die Sevic einfach mal so in seine Narration eingebaut hat, wie es ihm gut passt: Hugo Strange und Harvey Dent (mein persönliches Empfinden ist so, dass Harvey schon Two-Face war, als sich Harleys Eltern noch nicht mal getroffen hatten - aber das DC Universum hat bei all seinen Multiversen auch meines Wissens nie erklärt, warum das Alter der meisten Figuren sich höchstens mal geringfügig verändert).
Superhelden-Comics mit lang etablierten Backstorys sind nicht unbedingt ein Feld, auf dem psychologisch fundierte Charakterstudien besonders gut reifen. Und auch bei Harleen werden viele Klischees bedient und man bedient sich einer Küchenpsychologie. Nicht zuletzt soll ja auch eine gewisse Spannung aufgebaut werden. Mir gefällt zum einen der - sorry, das ist kein wissenschaftlicher Fachbegriff! - »Schlampen-Aspekt« der Figur nicht, und auch bei der Brille, die die Psychologin trägt, mit der man aber die Durchgedrehte mit dem Riesenhammer meines Wissens kaum mal sieht, lassen bei mir alle Laura-Mulvey-Alarmglocken schellen.
Bei Sunstone bin ich auch über das erste Heft noch nicht hinausgekommen, weil Sevic für meinen Geschmack zuviel mit der Psychologie angibt, aber sie dann doch eher wie ein billiges Gimmick einsetzt. Da kenne ich überzeugendere Hitchcock-Filme oder schaue auch gerne mal wieder Forbidden Planet, der halt spielerisch mit der Psychoanalyse umgeht, aber dabei - bei allem camp einen gewissen Respekt einbringt. Dieser Respekt fehlt mir hier etwas. Sevic kann toll zeichen, spielt auch mit dem Seiten-Layout, aber bisher wird es mir nicht klar, warum ich mich drei lange Teile lang mit dieser Geschichte befassen soll, die einfach nicht mehr zeitgemäß wirkt. Harley Quinn mag heutzutage für Frauenpower, vielleicht sogar für Feminismus stehen, aber es gibt nur wenige fiktive Frauenfiguren, die mental schwächer und gleichzeitig gemeingefährlich wirken.
Und ähnlich wie beim Joker-Film interessiert es mich dann einfach nicht genügend, eine halbgare Erklärung, eine Expedition in ihr Hirn mitzumachen. Um es mal extremst politisch unkorrekt zu formulieren: Wenn man herausfinden würde, dass Hitler als Kind misshandelt wurde, könnte das seinen späteren Lebensweg auch nur sehr begrenzt erklären (oder gar rechtfertigen). Und Hitler war immerhin ein Mensch, der Joker, Hannibal Lecter oder Harleen sind nur erdachte Figuren, dafür gemacht, ein Unterhaltungspublikum zu erschrecken.
Ich werde Harleen zwar vermutlich zuende lesen, aber meine Erwartungen wurden durch #1 nicht wirklich aufgestockt. Da ging es in Breaking Glass wenigstens noch um ganz andere Themen und eine ganz persönliche Interpretation der Figur.
Zum Schluss noch was durchweg positives: Nie hat der Joker besser passende Maßanzüge getragen als in diesem Comic. Ich stehe weder auf Kerle noch auf Mode, aber der Knabe macht schon was her. Zumindest so weit kann ich die Story nachvollziehen.
Freitag, den 20. September, kurz nach 4 Uhr:
Woche 38 erwies sich als etwas ergiebiger als die beiden zuvor, aber mein frommer Wunsch nach fünf oder sechs Heften, über die man hübsch etwas schreiben könnte, hat sich dennoch nicht erfüllt. Gerade von den zuvor anvisierten Heften wurde ich bis auf zwei Ausnahmen herb enttäuscht. Deshalb ist der Hinweis bei Woche 39 oben, dass es sich um die »erste Rutsche« handelt, auch eher eine optimistische Auslegung. Wäre natürlich toll, wenn ich dann noch zwei rezensionwürdige Arbeiten finde und mit sechs anderen aus der Folgewoche bereits wieder ein TVOD zusammenbekomme - nicht zuletzt auch, weil ich da in der zweiten Wochenhälfte rund um den Nationalfeiertag frei hätte...
Nachtrag eine Woche später: Zumindest das Wolverine-Annual wird nachgeliefert werden...
Writers: J.J. Abrams & Henry Abrams, Artist: Sara Pichelli; Inking Assistance: Elisabetta D'Amico; Cover: Olivier Coipel; Colorist: Dave Stewart; Marvel Comics; $ 4,99
Für mich wird J.J. Abrams immer der Kerl sein, der sich erdreistet hat, für sein Star-Trek-Reboot einfach mal den Planeten Vulcan plattzumachen und somit gut 40 Jahre Star-Trek-Geschichte mit Füßen zu treten. Für sein Comic-Debüt, dass er gemeinsam mit seinem Sohn Henry schrieb, fängt er ganz ähnlich an, aber in Comics ist es inzwischen längst Standard, gerade die bewährten Franchises in unendlichen Variationen, What-ifs und Elseworlds immer wieder neu zu erfinden. Mittlerweile ermöglichen es die Multiversen sogar, dass diese teilweise diametral ausgelegten Figuren sich sogar gegenseitig über den Weg laufen können.
Alternative Zeitlinien spielen bei Star Trek zwar auch eine Rolle, aber bei Marvel und DC übertreibt man es damit etwas. Vor allem stört mich, dass sich immer die Zeitlinien »durchsetzen« und mit Sequels bedacht werden, die erfolgreicher sind - was leider nur sehr wenig über die Qualität der Hefte aussagt, sondern darüber, wo Hype und Vorfreude vorherrschen. Man kann zwar eine schlechte Heftserie sehr schnell durch zurückgehende Verkaufszahlen beenden (letztes Beispiel: Gogor), aber dass aus dem ganzen Batman: Metal-Kram sich fast nur The Batman who laughs durchsetzen konnte und dann gleich mit anschließenden Serien »geehrt« wurde, zeigt für mich nur davon, dass extreme Handlungsideen (oder was man geschickt so verkauft) dazu führen, dass die Leser etwas länger bei der Stange bleiben. Und dann die Chefetage entscheidet: in die Kerbe müssen wir weiter reinschlagen. Siehe auch Heroes in Crisis, das ich immerhin zuende gelesen habe ... aber weder Harley Quinn & Poison Ivy noch Flash Forward machen auf mich bisher den Eindruck, dass diese Spin-Offs etwas anderes als Geldmacherei darstellen.
Die Veränderungen, die J.J. Abrams in der Welt von Spider-Man vornahmen, verlaufen ähnlich, und falls die Serie einschlägt, bin ich mir sicher, dass auch dort die Geschichte in irgendeiner Form weitererzählt werden wird. Schurke Cadaverous konnte mich bisher noch nicht überzeugen, aber die Haupthandlung mit anderthalb Überraschungen und einem beherzten Zeitsprung erzählt zumindest mal eine andere Geschichte, die durchaus Potential hat.
Selbst, wenn man realisiert, dass die Entstehungsgeschichte des Werks sich allzu offensichtlich in der Handlung wiederfindet, bei der es u.a. um einen Vater und einen Sohn geht.
© 2019 Marvel
Nach dem Comic wird mal beschrieben, wie es zu der Serie kam, und man bedient sich der üblichen Superlative, die ich aus Presseheften etc. nur zu gut kenne. Besonders bezeichnet fand ich dabei folgendes Statement:
P.S.: If you're here just because J.J. is here, please check out some more of our Spider-Books! They're really good too! Amazing Spider-Man! Miles Morales: Spider-Man! Ghost-Spider! Friendly Neighborhood Spider-Man! Venom! Just talk to the awesome comic book shop worker that you bought this from next time you're in the comic shop.
Dass alle alle Marvel-Serien, die irgendwas mit Spider-Man zu tun haben, großartig sind, ist die eine geschäftsfördernde, aber etwas uninspirierte Lüge, an deren Stelle man auch wirklich gelungene Serien empfehlen könnte (ein Fehler, den man auch begann, als durch den Tod von Superman neue Kunden erstmals einen Comicshop betraten und man ihnen schnell irgendwelchen Murks andrehte statt sie clever an das Medium zu binden). Aber dass man einfach mal behauptet, dass derjenige, der einem den Abrams-Comic verkauft hat, »awesome« sei, bestätigt eigentlich nur, wie verlogen diese Ansprache ist. Sicher stehen viele Comicverkäufer hinter ihrem Medium und bringen einen gewissen Enthusiasmus mit, aber man kann nicht automatisch davon ausgehen.
Mit einem meiner »awesome comic book shop worker« teilte ich meine relative Begeisterung für Spider-Man #1 und er erklärte mir, dass dies für ihn ein Fall von bad comic book writing. Daraufhin habe ich das Heft noch mal durchgeblättert und konnte tatsächlich mehrere Stellen finden, bei denen ich mich fragte, wie viel J.J. und wie viel Henry Abrams sich hier durchsetzen konnten (immerhin hat J.J. Abrams ja einiges an Erfahrung als Autor, während ich von Henry gar nichts weiß, außer dass sein berühmter Papi des Sohnemanns Comic-Begeisterung zum Anlass nahm, mal wieder etwas auszuprobieren, womit er sich zuvor noch nicht beschäftigt hatte (seinen Roman habe ich bisher nicht gelesen).
Hier also einige Momente, die mich nicht unbedingt überzeugt haben: Der Wiedererkennungswert beim Zeitsprung über eine auffällige Haarfarbe, Herrn Parkers »Call me Peter«, um Verwechslungen auszuschließen, die nicht wirklich witzige Flirterei mit der grünen Farbe und alles, was ich bisher über Cadaverous erfahren habe (Sprachfehler, Tischsitten etc.).
Trotzdem hat mich Spider-Man #1 mehr angesprochen als das meiste in dieser Woche und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die fünf Hefte durchhalten werde. Immerhin sind das Artwork (Sara Pichelli) und die Kolorierung (Dave Stewart) top-notch und man muss nicht vorher zwei Comic-Boxen gelesen haben, um der Geschichte folgen zu können. Gerade als Einsteigerdroge durchaus gelungen.
Writer: Tom Taylor; Artist: Ramon Rosanas; Cover: Phil Noto; Colorist: Guru-eFX; Letterer: VC's Travis Lanham; Production Designer: Anthony Gambino; Marvel Comics; $ 3,99
Dass zwei nicht direkt miteinander in Zusammenhang stehende Hefte vom selben Autor, Zeichner und Verlag in der selben Woche erscheinen, passiert auch nicht so häufig, aber ungeachtet dessen, dass ich Rey natürlich auch als eine gelungene Ergänzung zum Star-Wars-Universum erachte, und ihr Special sogar zuvor las, fand ich das Heft zu Rose Tico, die bisher nur sehr am Rand der Abrams-Filme auftrat, als gelungener, weil Tom Taylor, das aktuelle Mastermind der Age of Resistance-Hefte, hier nicht nur Momente aus der bisher sehr überschaubaren Filmkarriere einer Figur leicht anreicherte, sondern einem tatsächlich das Gefühl verschafft, nach der Lektüre mehr über Rose Tico zu wissen als zuvor.
Ich hatte schon mal erwähnt, dass ich Ramon Rosanas in Zusammenarbeit mit Coloristin Tríona Farrell für einen begnadeten Zeichner erachte, aber es hängt eben auch viel mit dem Thema und den Farben zusammen. Hier würde ich einige Seiten fast in Schwarz-weiß besser finden, weil die Bemühungen, Kindergesichtern Kontur zu verschaffen hier hin und wieder zu sehr in Richtung Rotbäckchen-Reklame verlaufen.
Es gibt einige Koloristen, die mit gutem Recht mit ihrem Namen das Heft-Cover schmücken dürfen, weil sie die Bemühungen des oder der Zeichnenden unterstützen und vorantreiben. Guru-eFX kann zwar äußerst gelungen das Weltall und einige Oberflächen im Realismus-Bestreben unterstützen, aber bei Gesichtern und Bekleidung wirkt man hier uninspiriert.
Beim derzeitigen Marktpotential vom Star Wars-Franchise hat man es als Comic-Autor sicher nicht leicht. Nur wenige neue Figuren werden eingeführt (oft als Kanonenfutter für dasselbe oder das herauffolgende Heft), am status quo darf man nicht rütteln - und trotzdem soll das Ergebnis dann lesenswert sein.
© & TM Lucasfilm Ltd.
Obwohl ich kein echter Star-Wars-Fan bin (»meine Beatles heißen Trek, Herr Jagger!«), muss ich konstatieren, dass Marvel die Betreuung des Franchsies schon wirklich gekonnt umsetzt. Ich bezweifle zwar, ob so eine Langzeitserie wie Doctor Aphra für mich funktionieren wird, aber jene Age of Rebellion / Resistance-Comics, die ich gelesen habe (und auch der Fünfteiler Dark Visions), konnten mich durchweg mehr überzeugen als der Output an Trek-Comics im selben Zeitraum. Vermutlich ist es aber für die (besser bezahlten) Autoren auch deutlich einfacher, wenn man sich nur drei oder vier DVDs anschauen muss, um da dann seine narrativen Lücken zum Ausfüllen zu finden (als sich gleich um mindestens drei Saffeln TOS zu kümmern).
Das ganze Konzept der vage miteinander verbundenen Geschichten hat Greg Pak bei Age of Rebellion zwar besser umgesetzt, aber letztlich ist es ja auch nur konsequent, wenn jedes Einzelheft für sich spricht und jeder Leser sich mit so viel Star Wars abgeben kann, wie es zu Interesse und Budget passt.
Auf jeden Fall überzeugt mich durchschnittliches Feld-, Wald- und Wiesen-Star-Wars deutlich stärker als das meiste, was Marvel und DC ansonsten so raushauen. Vielleicht auch, weil man bei diesem Franchise mit dem »schneller, greller, lauter«-Approach so gar nicht landen kann. Selbst, wenn Tom Taylor es mal übertreibt wie bei Age of Resistance: Kylo Ren ist das immer noch entspannter als diese ganzen Zombie-Crossovers, Carnage-Gemetzel usw.
There will be no »The Vader who laughs« - lasst uns das feiern!
Writer: Mathew Klickstein; Artist: Evgeniy Bornjakov; Lima Araújo; Cover: Andy Clarke; Colorist: Lauren Affe; Letterer: Simon Bowland; AfterShock Comics; $ 3,99
Es gibt ja die seltsamsten Gründe, warum mein ein Comic liest und ein anderes dafür nicht. Mit Anekdoten über diese Entscheidungen könnte ich vermutlich Seiten füllen, abr ich belasse es bei diesem Spezialfall. Seit ich mir den Stress mit TVOD mache, führe ich Buch darüber, welche Comics ich schon besprochen habe. So merke ich schneller, wann ich beispielsweise das 100er-Jubiläum erreicht habe oder kann schnellstens die Links zu alten Kritiken in die Texte einbauen. Und dabei fiel mir auch auf, zu welchem Anfangsbuchstaben ich noch keine Texte vorweisen kann: Die Lücke beim X wird demnächst durch Hickmans X-Men gefüllt, für's y ist You are obsolete wie maßgeschneidert, dann fehlen nur noch Q (The Question?) und wenn irgendwann mal was mit Z anfängt, werde ich da sicher mal drauf achten (Zombie Tramp spricht mich nicht recht an, da wird es wohl auf ein Zorro-Heft hinauslaufen...)
Das Cover erinnerte mich schon mal an diesen recht alten Horrorfilm namens Village of the Damned (oder so ähnlich, es gab glaube ich mehrere), den ich aber nie gesehen habe. Im Horror-Genre spielt man ja gerne mal mit einer Gefahr, die von einem oder mehreren Kindern ausgeht. Weil Kinder ja vermeintlich unschuldig sind und man die auch bei einem absurden Verdacht auch nicht ohne weiteres in Untersuchungshaft steckt, sondern in dubio pro reo durchgehen lässt.
Auch hier wird superschnell klar, dass von den Kindern eine Gefahr ausgeht. In einem Prolog feiert man den Geburtstag eines Mannes, der dann mit seinem Kopf in die Geburtstagstorte knallt - und die anderen Erwachsenen führen eine potentielle Witwe einfach vom Tisch, als ob man sich an diese Situation schon ein wenig gewöhnt habe. Die anwesenden Kinder (übrigens alle exakt gleich groß / alt) reagieren auf den impliziten Todesfall emotionslos und tippen auf ihre Handys ein, die so hübsch gruselig leuchten.
Die Hauptfigur des Comics heißt Lyla Wilton und sie erzählt die Geschichte auf einem Kenntnisstand, den sie in der Handlung erst noch erreichen muss. Das sieht man an Sätzen wie »I will be forty in fourteen years« - eine ungewöhnliche Altersangabe, die einen schnell überlegen lässt, ob das Geburtstagskind vielleicht vierzig geworden war. In Comics kann man ja zurückblättern und Kerzen zählen, was im Kino eher schwierig ist. (Es sind nur 16 Kerzen, aber ich muss wohl den Schriftzug »Happy 40 Kaspar« übersehen haben...)
© 2019 Mathew Klickland & AfterShock Comics.
Lyla ist eine Reporterin mit Karriereknick, die gerne auf das Angebot eingeht, über eine eigentümliche Ortschaft zu berichten. Ziemlich abgelegen (vier Anschlussflüge) auf einer Insel im Baltikum (auch, wenn da mal wieder jeder Englisch spricht). bei ihren ersten Zufallstreffen mit einem Taxifahrer und ihrer Vermieterin fällt schon mal auf, dass alle sehr positiv von den smarten Kindern spricht - und dass der typische Gesichtsausdruck der Erwachsenen etwa so wirkt wie nach dem Genuss eines gerne vom Joker eingesetzten Nervengases: ein irgendwie gequältes Lächeln...
Dann folgt ihr »first encounter with the children«: »Something I'll never forget.« (ich verzichte an dieser Stelle mal auf das entsprechende Bildmaterial)
Dafür, dass im ersten Heft verdammt wenig passiert, übertreibt man es mit dem foreboding fast ein bisschen. Okay, die Kids sind gefährlich, die Erwachsenen ohnmächtig - und Lyla ist sogar von den Kids angestellt worde - und die ersten Erwachsenen beknien sie sogar schon, bestimmte Details nicht in ihre Reporte an die Kinder einfließen lassen. Aber das reicht nicht immer aus, um Leser davon zu überzeugen, dass man auch Heft 2 unbedingt lesen muss.
Was in diesem Fall für mich den Ausschlag gibt, sind die Zeichnungen von Evgeniy Bornjakov, der mich ein wenig an einen entspannteren Pepe Larraz (House of X) erinnert, nur, dass ein Skript von Jonathan Hickman den betreuten Zeichner offensichtlich mehr fordert und so zu ergiebigeren Leistungen anspornt. Bornjakovs Geburtstagstorte hätte ich mir schon mit 40 Kerzen gewünscht und nicht so etwas desinteressiert 16 seltsam verstreut. Aber vielleicht wird das ja in späteren Heften noch erklärt...
Ich frage mich selbst, ob ich ohne das Y am Anfang hierüber unbedingt einen Text hätte schreiben wollen... Aber bei Young Justice muss ich erst noch gut zehn Hefte »nachholen« und ich hänge ja eh schon in der Zeit hinterher. Also, Kurzzusammenfassung: hat Potential, muss aber in Heft 2 definitiv liefern ...
Weitere gelesene Neuerscheinungen dieser Woche:
Archie! '55 #1, Batman #79, Black Panther and the Agents of Wakanda #1, Dollar Comics: Harley Quinn #1, Excellence #5, Firefly #9*, House of X #5 (of 6), Inferior Five #1 (of 12), Flash Forward #1** (of 6), Magnificent Ms. Marvel #7, Napoleon Dynamite #1, Second Coming #3, Star Trek Year Five #6, Star Wars: Age of Resistance: Rey #1 (one-shot), Steeple #1, Superman #15, Teen Titans #34 & True Believers: Hulk Returns #1
*Zitat der Woche: »Now get out of the way ... and let's get this war started.«
**Bonuszitat der Woche: »...No way I survive this. If I even wanted to.«
Writer: Jed MacKay; Artist: Travel Foreman; Cover: J. Scott Campbell; Letterer: Ferran Delgado; Colorist: Brian Reber; Marvel Comics; $ 3,99
Ich habe schon mehrfach herausgestellt, dass ich kein Interesse daran habe, Comics deshalb zu lesen, um sie runterzumachen. Aber hin und wieder habe ich etwas zu Heften zu sagen, obwohl sie mir nicht besonders gefallen haben.
Bei Black Cat kann ich zum Einstieg mal wieder mit Nichtwissen glänzen. Abgesehen davon, dass ich mitbekommen habe, dass da mal was zwischen ihr und Spider-Man lief, hatte ich abgesehen davon, dass schon das farbige Verb eher auf eine Schurkin deutet (Sorry, T'Challa!), keinen Schimmer, was diese Figur ausmacht. Dass es sich dann um eine Diebin mit Talent und Neigung zu Juwelendiebstahl handelt, erinnerte mich nicht in geringem Maße an Batmans frühere Verlobte Catwoman. Nun gibt es zwischen Marvel und DC öfters mal einen kreativen Diebstahl, was bestimmte Figuren angeht, aber hier ist es schon äußerst auffällig. Unterscheidungsmerkmale von Black Cat scheinen der Umgang mit der höheren Gesellschaft zu sein (vielleicht tut sie aber auch nur so) und ihre etwas marveltypische »Superkraft« ist, dass sie ihren Gegenspielern »bad luck« bringt...
Da ich neben der wöchentlichen Berichterstattung auch ältere Comicreihen nachholen will, kann ich nicht immer jede neue Serie sofort lesen, da legt man sich auch mal was zur Seite und entscheidet dann später, ob man etwas weiterlesen will. Also habe ich mir mal Heft 1-4 vorgenommen, um festzustellen, ob die vier den unrühmlichen Ausfall von Woche 37 zumindest teilweise korrigieren kann.
Ziemlich nett bei Black Cat finde ich, dass man sich für kleine Back-Up-Storys (auch mal von ganz anderen Künstlern) etwas Platz lässt. Zwar wird auch in der Hauptgeschichte viel an Flashbacks und Erklärungen über die früheren Geschehnisse im Leben von Felicia Hardy geliefert, aber wenn man sie mal spielerisch mit ein paar ihrer Haustiere auf einen Diebeszug macht oder ihr Mentor Black Fox davon berichtet, wie er einst niemand geringeren als Dracula höchstpersönlich (also die Marvel-Version) ausraubte, ist das schon eine hübsche Ergänzung.
In Bezug auf Hauptzeichner Travel Foreman beuge ich mich mal sehr weit aus dem Fenster und entschuldige mich schon im Voraus, falls ich völlig falsch liegen sollte mit meiner Einschätzung. Die Zeichnungen wirken für mich wie an einem Rechner erstellt. Das muss ja gar nichts Schlechtes sein (jemand wie Kyle Baker kann da Großartiges leisten), aber ich vermisse einfach den gewissen Schwung eines Pinsels oder sonstigen herkömmlichen Zeichenutensils.
© 2019 Marvel
Die etwas uninspiriert wirkenden Farben von Brian Reber unterstützen diesen Eindruck noch. Black Cat macht rein graphisch einfach den Eindruck, nicht die üblichen Marvel-Standards zu erfüllen. Vielleicht aht man sich auch entschieden, hier näher an der Realität anzusiedeln - aber dafür gibt es dann zu viele Superhelden, Ninjas, Magie und Türen in andere Dimensionen.
Der bisherige Verlauf der ersten drei Hefte war wie folgt: Felicia aka Black Cat stieht mit Hilfe ihrer zwei kriminellen Kollegen ein Bild, was Odessa Drake, die Chefin einer Diebesgilde (prädestinierte Hauptgegnerin), ansäuert und den Sicherheitsmann Sonny Ocampo, der wirklich mehr machte, als man von ihm erwarten konnte, seinen Job kostet.
Während Odessa den joblosen Ex-Con Ocampo anheuert, sich speziell um Black Cat zu kümmern, zahlt Felicia zwar weiterhin ihre 10 Prozent Anteil an die Diebesgilde, plant aber zusammen mit Black Fox, die Gilde um ihre legendären und wohlgehüteten Reichtümer zu erleichtern. Für diesen, seinen letzten Job, der den Ruhestand ermöglicht, hat Black Fox sich einiges ausgedacht, und so ist man in Heft 2 und 3 stark damit beschäftigt, aus dem sanctum sanctorum von Doctor Strange ein Schriftstück zu entwenden, was aber beinahe zu einem Fiasko führt.
In Heft 4 geht es ähnlich weiter, Felicia nutzt ihre weiblichen Reize, um »Human Torch« Johnny Storm dazu zu animieren, ihr eine Führung durch die heiligsten Hallen der Fantastic Four anzugedeihen. Dass man jetzt abermals einen chaotischen Cliffhanger benutzt, um aus dem Diebeszug etwas zu machen, was eher ins Marvel-Universum passt, wirkt auf mich etwas repetetiv - aber ich bin von Autor Jed MacKay bisher auch noch nicht so richtig verwöhnt worden, sein Talent für Dialogwitz konnte sich bisher nur ansatzweise durchsetzen, und bisher wirken die Handlungsstränge eher überschaubar ... es ist eigentlich nur eine Frage der Heftnummer, bis Sonny Ocampa und Felicia Hardy gezwungen werden, etwas mehr aufeinanderzuzugehen und Black Fox zumindest lebensgefährlich verletzt wird. Mein Geld setze ich auf Heft 11 (Black Fox) und 18 (Sonny) - wenn die Serie so lange durch hält, was ich bezweifle.
Für meinen persönlichen Eindruck des Heftes ist es auch nicht von Vorteil, dass mich die Cover von J. Scott Campbell so gar nicht ansprechen.
Mehr gelesene Neuerscheinungen aus Woche 37:
Archie - The Married Life - 10th Anniversary #2 (of 6), Black Hammer / Justice League: Hammer of Justice! #3, Collapser #3, Event Leviathan #4 (of 6), Unearth #3 und Wonder Twins #7 (of 12).
Writer, Artist, Cover, Colorist: Mirka Andolfo; Colors Assistant: Gianluca Papi (Arancia Studio); Translation from Italian: Arancia Studio; Letterer & Production: Fabio Amelia (Arancia Studio); Image Comics; $ 3,99
Contro Natura, wie die Serie im italienischen Original heißt (dort ging es schon 2016 los), hat schon eine gewisse internationale Erfolgsgeschichte hinter sich, die u.a. auch dazu führte, dass die italienische Zeichnerin mittlerweile etwa als Autorin für Harley Quinn oder die Vertigo-Miniserie Hex Wives neue Aufgaben und Einsatzgebiete erforschte. Sogar in Deutschland ist Unnatural schon in drei Bänden seit 2017 erschienen (der Abschlussband erschien diesen Februar bei Panini, übigens unter dem Titel »Contro Natura - Tierisch menschlich«).
Die frühe Herangehensweise der Serie drehte sich ganz um die repressive Gesellschaft, in der alles spielt. Obwohl hier die ansonsten »normalen« Figuren visuelle Merkmale verschiedener Tierarten aufzeigen (ähnlich wie in Comicserien wie Hepcats oder Omaha the Cat Dancer, aber eben nicht die funny animals, wie man sie von Disney kennt). Geradezu eingehämmert wird einem als Leserin, dass romantische oder sexuelle Verbindungen zwischen unterschiedlichen »Tierarten« hier nicht erlaubt sind (obwohl es keine konkreten biologisch-anatomischen Probleme zu geben scheint). Und für Leser, die sich nicht um Parabeln kümmern, wird noch mal besonders herausgestellt, dass Schwulsein (auch wenn die Gesellschaft es hier eher nicht als way of life sieht, sondern als »Irrweg«) sogar noch »schlimmer« ist.
Hauptfigur Leslie, eine Schweinedame, bei der die Attribute Schweinenase, -Ohren und Ringelschwänzchen deutlich erkennbar sind, die aber mit ihren blauen Haaren und einem hippen Nasenring durchaus individuell wirkt, ist momentan ungebunden (in dieser Welt bereits ein untragbarer Zustand), hat aber wiederkehrende erotische Träume, in denen ihr Lover ein Wolf ist, also der in Märchen als Gegenspieler etablierte Fressfeind à la »Who's afraid of the big bad wolf...«.
Diese Fantasieträume fand ich gerade zu Beginn der Serie etwas seltsam, denn im Comic sind die Träume so gestaltet, dass man von Leslies üppigen Formen (tits and ass) reichlich präsentiert bekommt, während der Wolf eher eine schemenhafte Schattenfigur bleibt (und das trotz des weißen Fells). Ich bin keine Frau, träume also anders, aber ich fand es schon seltsam, wie diese Sequenzen dargestellt werden. Ich nehme in meinen Träumen eher eine subjektive Perspektive ein, hier scheint es aber nicht zuletzt darum zu gehen, die körperlichen Reize Leslies zu betonen, vermutlich auch, um ein männliches Publikum anzutriggern, obwohl die Geschichte einen klar weiblichen Standpunkt einnimmt.
Interessanterweise löst sich die Geschichte aber sehr schnell vom Klischee der Storys um »Frauen und ihre sexuellen Fantasien«, wie man sie aus populären Franchises wie Twilight, Sex and the City oder 50 Shades of Grey
kennt, los - und Contro Natura findet seine ganz eigene erzählerische Nische, wobei nicht zuletzt eine auffällige Sterblichkeitsrate bei den Nebenfiguren eine unerwartete Richtungsänderung mit sich bringt. Erst denkt man noch, hier ginge es um staatlich angeordnetes regelkonformes Dating, und plötzlich geht es um Leben und Tod, mörderische Intrigen und dunkle Mächte.© 2019 Mirka Andolfo. All rights reserved.
Von den letzten zwei Dritteln der Geschichte will ich nicht zu viel erzählen, aber eine offensichtliche Interpretation waren die beiden bekanntesten Romane von George Orwell (es gibt sogar Figuren, die Winston bzw. Napoleon heißen. Außer den politischen Dimensionen geht es aber auch um mythische Zusammenhänge, unterschiedliche Arten von Besessenheit und einige echte Abgründe, die sich nach und nach auftun.
Ich muss zugeben, dass ich im mittleren Drittel der Storyline (also etwa Heft 5-8) ein wenig das Interesse verloren hatte, weil die komplette Veränderung der marschrichtung der Handlung mich auf dem falschen Fuß erwischte. Mirka Andolfo hatte aber alles gut durchdacht und gerade das letzte Heft schließt auf gelungene Weise wieder ganz am Anfang an.
Leider habe ich für diese Rezension sehr lange gebraucht (auch, weil ich bei den mittleren Heften in Verzug gekommen war, aber meine Versprechungen einhalten wollte), und mittlerweile gibt es von Heft 12 nicht nur eine zweite Auflage, sondern auch vom letzten Drittel ist nun auch in den USA der Trade Paperback erschienen. Aber das ist für potentielle Leser ja nicht wirklich ein Hinderungsgrund. Ganz im Gegenteil.
Für die nächste Ausgabe, vermutlich in wenigen Tagen, sind anvisiert:
Rezensionen zu Bad Reception #2, Bizarre Adventures #1 (one-shot), Dark Ark: After the Flood #1, Dead Eyes #1, Man-Eaters #12 (of 12) oder Wolverine Annual #1 (diesmal stehen die Kandidaten tasächlich schon fast genau fest, beinahe 50% der hier angegebenen Texte sind sogar schon geschrieben, und um die scht Texte vollzumachen habe ich auch noch einige Comics bereits gelesen - es lebe der Brückentag!).
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