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Die letzte halbe Stunde vor dem Beginn der Verleihung stand wohl exklusiv dem Moderatoren-Triumvirat des amerikanischen ABC-Kanals zur Verfügung, die jedoch schnell zeigten, daß sie mindestens genauso bescheuert aussahen wie ihre bundesdeutschen Westentaschen-Ausgaben. Und die Interviews waren auch nicht viel besser, bei Halle Berry etwa beschränkte man sich vor allem auf die Sexszenen in »Monsters Ball«, die der blonde Fernseh-Affe dann mit Halles Ehemann durchdiskutierte … Doch dann ging es endlich los. Der erste Oscar ist traditionell der für die weibliche Nebenrolle (um die Zuschauer zu pünktlichem Erscheinen oder Einschalten zu animieren). And the Oscar goes to Jennifer Connelly. Das wurde von mir natürlich gleich als Anzeichen gewertet, daß »A Beautiful Mind« vielleicht der große Gewinner werden könnte, denn die Konkurrenz war nicht schlecht und die Rolle von Frau Connelly nun wirklich nicht soo berauschend. Doch zunächst einmal ging es weiter mit dem Schnitt-Oscar für Pietro »Viva Italia!« Scalia für »Black Hawk Down« und einen Make-Up-Oscar für »Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring« (im folgenden als »LOTR:FOTR« abgekürzt). Und der Kostüm-Oscar ging an Catherine Martin und Angus Strathie für »Moulin Rouge!«, was eher für das auch immer wieder gerne angewandte Gießkannen-Prinzip sprach. Doch bevor es weiterging, kam erst mal der erste Höhepunkt des Abends. In Mahnung an den Terroranschlag vom 11. September letzten Jahres sollte es später noch einen Schweigemoment geben, doch zunächst einmal trat Woody Allen auf, und Baz Luhrmann machte sich bei mir beliebt, weil es den Anschein machte, als hätte er die ersten »Standing Ovations« für den New Yorker Filmemacher initiert. Woody zeigte sich in Bestform mit einer Rede, die den Stand-Up-Comedians heutiger Zeiten noch mal vor Augen führte, wie einer der Urväter dieser Bühnendisziplin noch in hohem Alter zu brillieren weiß. Es folgte dann ein natürlich von den Anfangseinstellungen von »Manhattan« eingeführter Zusammenschnitt von New Yorker Momenten aus der Filmgeschichte, den Nora Ephron liebevoll zusammengestellt hatte. Doch zurück zu den Oscars. Der fünfte ging an Andrew Lesnie, den Kameramann von »LOTR:FOTR«, dann folgten Auszeichnungen für die Dokumentarfilme »Murder on a Sunday Morning« (lang) und »Thoth« (kurz) und dann durfte Catherine Martin schon wieder auf die Bühne, weil sie für die Art Direction bei »Moulin Rouge« diesmal zusammen mit Brigitte Broch je einen der güldenen Knaben entgegennehmen durfte. Der Oscar für den besten animierten Film ging an »Shrek«, obwohl »Monsters, Inc.« bekanntermaßen noch besser ist … Kommen wir also zu einem ersten Zwischenstand: Das Gießkannenprinzip schlägt voll zu: je zwei Statuetten für »Moulin Rouge!« und »LOTR:FOTR«, je eine für »A Beautiful Mind«, »Black Hawk Down« und eben »Shrek«, fast jeder der vielfach nominierten Streifen hatte bereits einen Oscar sicher, nur Gosford Park war zu diesem Zeitpunkt bereits viermal leer ausgegangen, ich lauerte also auf den nächsten Oscar, für den auch das Whodunit von Robert Altman nominiert war. Es folgten die Auszeichnungen für Ton (»Black Hawk Down«) und Ton-Schnitt (»Pearl Harbor«, was nun wirklich nicht Not tat …) und dann kam die erste handfeste Überraschung des Abends, den auf den Nebendarsteller bei »Iris«, Jim Broadbent, hatte nun wirklich so gut wie niemand getippt. Er verabschiedete sich mit den Worten »Good Luck, Moulin Rouge!« (wo er auch eine Nebenrolle spielte). Dann folgte eine der Shownummern, und selbst ich Zirkus-Muffel fand den mit Filmausschnitten zu einem wahren Ereignis stilisierten Auftritt des »Cirque de Soleil« sehr gelungen, wenn ich auch nicht wie die Zuschauer in Los Angeles klatschte oder gar aufstand. Visual Effects: »LOTR:FOTR«; Jean Herschel Humanitarian Award: Arthur Hiller; Original Score: Howard Shore (»LOTR:FOTR«), und dann noch für Sidney Poitier, der für seine Rolle in "Lilies of the Field" vor fast vier Jahrzehnten den ersten und bisher einzigen Oscar für einen farbigen Darsteller in einer Hauptrolle bekommen hatte, den diesjährigen Irving J. Thalberg-Award für sein Lebenswerk, was abermals Anlaß zu Standing Ovations gab. Poitiers Rede war übrigens auch sehr gelungen und bis kurz vor Schluß machte er keinerlei Rassenunterschiede in seinen Ausführungen, obwohl die Message unüberhörbar war. (Und Whoopi Goldberg sich eh den ganzen Abend lang Mühe gab, auf den Umstand hinzuweisen, daß die größtenteils weißen Mitglieder der Academy mitunter manch gelungene Darstellung schlichtweg übersahen, selbst wenn es nicht in der Hitze des Gefechts oder der Dunkelheit der Nacht geschah.) »Gosford Park« hatte immer noch keinen Oscar, ab es gab auch noch keine erneute Chance. Inzwischen gab es aber drei neue Filme, die zwar noch nicht viermal, aber dreimal übergangen worden waren: »Monsters, Inc.«, »Harry Potter« und »Amélie«, doch zumindest bei zweien dieser Filme war ich noch guter Hoffnung … Doch zunächst bekam Pixar, das »Monster«-Studio, mal wieder einen Oscar für einen kurzen animierten Film namens »For the Birds«, der hierzulande auch im Vorprogramm von »Monsters, Inc.« läuft. Der Titel des prämierten »Live Action«-Kurzfilms ist »The Accountant«. Weiter ging es mit dem Oscar für den besten Song und hier waren immerhin illustre Komponisten und Musiker wie Paul McCartney, Enya oder Sting extra angereist, um ihre Liedchen zu trällern. Doch diesmal war Randy Newman an der Reihe, der zuvor schon über ein Dutzend mal erfolglos nominiert worden war, und somit bekam auch »Monsters, Inc.« seinen Oscar für »If I didnt have you«. Nun kommt die heiße Phase. Als adaptiertes Drehbuch wurde »A Beautiful Mind« (Akiva Goldsman) ausgezeichnet, als Original-Drehbuch endlich auch »Gosford Park« (Julian Fellowes), und nun brauchte nur noch »Le fabuleux destin dAmélie Poulain« den erwarteten »Auslands«-Oscar überreicht bekommen, und alle richtig häufig nominierten Filme wären beim Gießkannen-Prinzip bedacht worden, doch als bester nicht-englisch-sprachiger Film wurde der Beitrag aus Bosnien-Herzogowina namens »No Mans Land« gewählt, was alle Teilnehmer meines Oscar-Tipspiels auf dem falschen Fuß erwischte. Bevor Robert Redford auch noch einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk einstrich (Standing Ovations, of course!), gab es die übliche Verneigung vor denen im letzten Jahr von uns gegangenen Filmschaffenden. Diesmal hatte die Filmzusammenstellung gegen Ende eine ganz besondere Eigendynamik, den Anthony Quinn gab dem Zuschauer Tanzunterricht, George Harrison stiftete etwas Musik dazu, und neben Jack Lemmon schwangen auch Pépe le Pew und Michigan J. Frog das Tanzbein, respektive den Froschschenkel. Wenigstens in Hollywood weiß man, wer Chuck Jones ist, wenn man auch irgendjemanden darauf hinweisen sollte, daß bei Baz Luhrmann das »r« nach dem »h« kommt und der Redford-Film nicht »The Milagro Beanfield Wars« heißt, sondern es nur um einen Krieg geht. Doch zurück ins Schlachtfeld der Eitelkeiten. Die Kategorie »Beste Darstellerin in einer Hauptrolle« hatte auch bei unserem Oscar-Tipspiel wenig Einigkeit erzielt, immerhin wurde eine Nachfolgerin für Julia Roberts gesucht, und Nicole Kidman hätte durchaus ins Raster gepasst. Doch stattdessen konnte man mitzählen, wie Halle Berry ca. 8x »Oh, my God!« rief, ehe sie tränenüberströmt und sprachlos auf der Bühne stand. Zunächst fand ich ihre Freude etwa so überzogen wie bei Julia oder Gwyneth, doch dann fasste sie sich, und kostete den Moment und die Standing Ovations voll aus, und wies daraufhin, daß nach 74 Jahren Wartezeit, bis eine Afro-Amerikanerin diesen Oscar in Händen halten sollte, auch noch ein wenig Extra-Zeit über sein müßte, damit sie u.a. auch ihren Anwälten danken dürfe. Das konnte eigentlich nur noch auf eine Art gesteigert werden, doch würden sich Will Smith oder Denzel Washington tatsächlich gegen Russell Crowe durchsetzen? Kein Problem! Wenn die Academy beweisen will, daß sie nicht farbenblind ist, dann richtig, und Denzel Washington war in den letzten Jahren auch oft genug übergangen worden, vom Nebenrollen-Oscar für »Glory« jetzt mal abgesehen. Es fehlten nur noch Regie und »Bester Film« und »Lord of the Rings« führte mit vier Auszeichnungen, während »Moulin Rouge!« und »A Beautiful Mind« je zweimal zugeschlagen hatten. Doch durch die Nicht-Auszeichnungen für Nicole Kidman und Russel Crowe blieb die Spannung bis zuletzt erhalten, bis dann die Oscars für Regisseur Ron Howard und seinen Film »A Beautiful Mind« das Rennen mit 4:4 entschieden, wobei »Film«, »Regie«, »Drehbuch« und »Nebendarstellerin« natürlich mehr hermacht als »Kamera«, »Make-Up«, »Original Score« und »Visual Effects«, und selbst Filme wie »E.T.« oder »Star Wars« seinerzeit mit ähnlichen Kategorien drei oder sogar sechs Oscars abgegriffen hatten. |
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