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August 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Spider-Man
USA 2002

Spider-Man

SPIDER-MAN

Regie: Sam Raimi, Buch: David Koepp, basierend auf den Comics von Stan Lee & Steve Ditko, Kamera: Don Burgess, Schnitt: Arthur Coburn, Bob Murawski, Musik: Danny Elfman, Special Effects: John Dykstra, Darsteller: Tobey Maguire (Peter Parker/ Spider-Man), Willem Dafoe (Norman Osborn/The Green Goblin), Kirsten Dunst (Mary Jane Watson), James Franco (Harry Osborn), Cliff Robertson (Ben Parker), Randy Savage (Bonesaw McGraw), Rosemary Harris (Aunt May), J.K. Simmons (J. Jonah Jameson), Joe Manganiello (Flash Thompson), Jack Betts (Henry Balkan), Gerry Becker (Maximillian Fargas), Bill Nunn (Joseph 'Robbie' Robertson), Stanley Anderson (General Slocum), Ted Raimi (Hoffman), Macy Gray (Herself), Bruce Campbell (Ring Announcer), Lucy Lawless (Punk Rock Girl), Stan Lee (Man at Times Square)

Mein Interesse an diesem Film war vergleichbar mit dem an "Harry Potter", "Episode II" oder "Lord of the Rings", doch durch eine Verquickung von Zufällen bekam ich "Spider-Man" dennoch zu Gesicht. Der Trailer war für mich schon ein Greuel: Jede Menge schnell geschnittene, kamera-reißerische, mit dem Computer aufpolierte Bilder, und wenn ich unbedingt Kirsten Dunst beim Wet-Tieschört-Contest sehen will, kann ich mir auch 'nen Playboy kaufen. Und Comic-Verfilmungen sind seit jeher Zeit- und Geldverschwendung. Ausnahmen wie "Rocketeer" und "Ghost World" funktionieren immerhin noch, aber bei Mainstream-Superheroes wurde ich bisher fast immer enttäuscht und nie wirklich verzaubert.

Der Vorspann war schon mal von einem Querschnitt durch das Marvelprogramm eingeleitet und zeichnete sich durch Effekthascherei und Danny Elfman-Musik aus, ich stellte mich also innerlich auf ein batmaneskes Fiasko ein.

Doch "Spider-Man" schafft es teilweise wirklich, einen für den Titelhelden einzunehmen, auch wenn Tobey Maguire nun wirklich kein begnadeter Darsteller ist. Aber er muß auch nur ein paar Mal grinsen oder ein paar Tränen rausdrücken, ansonsten reicht es, wie ein jüngerer Hugh Grant etwas verdattert in die Kamera zu schauen und dabei auch noch eine gute Figur zu machen.

Willem Dafoe hingegen ist ein üblicher Fall von type-gecastetem Ex-Schauspieler. Wie Nicholson, Jones, Carrey oder Schwarzenegger in den Batman-Filmen chargiert er durch die Bösewichts-Klischees, bringt eine nur zu Beginn überzeugende Schizophrenie-Show und kann beim Zuschauer nur in seiner letzten Szene, wenn er in Jesus-Pose im schwarzen Leichentuch aufs Bett gelegt wird, irgendwelche Gefühle evozieren. Und zwar herzhaftes Gelächter, denn Regisseur Raimi wird diese Parallele zu Dafoe "Last Temptation of Christ" nicht entgangen sein.

Der Film lebt von den kleinen Spielchen Raimis, der zuletzt mit "For Love of the Game" und "The Gift" enttäuschte, nachdem er mit "A Simple Plan" gezeigt hat, daß er mehr als Horror-Gemetzel und Genre-Streifen auf die Leinwand bannen kann. Fast durchgängig gibt es Verweise auf Freudsche Themen wie Ödipus-Komplex, tabuisierte Sexualität oder Kastrationsangst, was manchmal durchaus zur Belustigung beiträgt. Eine Szene übertrifft etwa sogar noch "Billy Elliot", wenn Tante May erfahren will, was Peter in seinem Zimmer treibt. Er antwortet "I’m exercizing" und bittet sie, nicht ins Zimmer zu kommen, weil er nicht vollständig bekleidet sei. Dann zeigt uns die Kamera das Innere seines Zimmers, das durch und durch von weißglänzenden Fäden durchzogen ist, die er, wie wir wissen, mithilfe gewisser Handfertigkeiten aus seinem Körper zu ejakulieren in der Lage ist.

Was gibt es noch zu erzählen? Aunt Mays Kleider sind sehr liebevoll gestaltet, J. Jonah Jameson ist genau wie in den Comics, und bei einem genauen Vergleich mit der allerersten Spider-Man-Geschichte aus "Amazing Fantasy #15" (1962) fällt nicht nur auf, daß die Spinne heutzutage natürlich nicht mehr radioaktiv, sondern genmanipuliert ist, sondern vor allem, daß auch hier schon Flash Thompson auftaucht, wenn auch das Mädchen, das er mehr zu beeindrucken weiß als Parker, blaue Haare hat und "Sally" heißt. Wie Drehbuchautor David Koepp allerdings die Chronologie der Ereignisse um den Mörder von Onkel Ben perfektioniert hat, zeigt, daß Ditko und Lee auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen hatten.

Das Einflechten des Green Goblins hätte eigentlich auch Gwen Stacy mit ins Spiel bringen müssen, aber vielleicht kommt diese traurige Geschichte dann im zweiten Film. Den ich mir sicher eher anschaue als X-Men 2 oder Batman 5 …

Ach ja: Eine Frage noch, die der Film nicht im entferntesten zu beantworten versucht: Woher hat Parker plötzlich die zweite, sehr viel besser aussehende Version seines Kostüms?