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Februar 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Der alte Affe Angst
D 2002

Buch
und Regie:
Oskar Roehler

Kamera:
Hagen Bogdanski

Schnitt:
Uli Schön

Musik:
Martin Todsharow

Darsteller:
André Hennicke (Robert), Marie Bäumer (Marie), Vadim Glowna (Klaus), Hilde van Mieghem (Brigitte), Hermann Beyer (Maries Vater), Jutta Hoffman (Maries Mutter), Christoph Waltz (Analytiker), Herbert Knaup (Wolfgang), Ralf Bauer (Markus), Nina Petri (Psychologin), Ingrid van Bergen (Hannelore K.), Eva Habermann (Laura)

Internationale Filmfestspiele Berlin

Wettbewerb

Der alte Affe Angst



"Was würdest Du für die Liebe riskieren?"

Diese Frage stellt das Plakat des Films, der im englischsprachigen Raum einfach nur "Angst" heißen soll, und auf den ersten Blick könnte man glauben, es sei passend gewesen, diesen Film auf der Berlinale am Valentinstag anlaufen zu lassen. Es gab auch zumindest einen Journalisten, der sich dann auf der Pressekonferenz überschwenglich bedankte für einen Film, den er neben "Ararat" und "Nosferatu" zu den drei besten zählt, die er auf der Berlinale gesehen hat.

In meinem Fall würde ich den "Affen" ohne weiteres zu den drei schlechtesten Filmen zählen, die ich auf der Berlinale gesehen habe. Roehler will laut eigenem Bekunden eine Geschichte über die Möglichkeit von Liebe ohne Sex erzählen. Der Theaterautor Robert und seine Freundin Marie (die aus "Männerpension" und "Der Schuh des Manitu" bekannte M. Bäumer), die als Ärztin in einer Kinderklinik arbeitet, haben in ihrer Beziehung unübersehbare Probleme. Sie schreien sich an und sind nicht mehr in der Lage, ein normales Sexleben zu haben. Robert erklärt das gegenüber seinem Analytiker so, daß er sich zu oft zu intensiv verliebt hatte, jeweils mit katastrophalen Folgen, und er deshalb einen Abwehrmechanismus entwickelt hat, der es ihm ermöglicht (aber ihn auch dazu verflucht), die Frau, die er liebt, nicht mehr sexuell zu begehren.





Der alte Affe Angst (R: Oskar Roehler)



Der alte Affe Angst (R: Oskar Roehler)



Der alte Affe Angst (R: Oskar Roehler)



Der alte Affe Angst (R: Oskar Roehler)



Der alte Affe Angst (R: Oskar Roehler)



So weit, so unnachvollziehbar für normale Zuschauer. Es gibt ja auch Leute, die mir weismachen wollen, daß die Darstellung der Sexualität in Catherine Breillats "Romance" (insbesondere für Frauen) von immenser Ausdrucksstärke und profunder Weisheit zeugt. Ich wende mich da nur mit Schaudern ab.

Zurück zum Film. Roberts Vater (Vadim Glowna) stirbt an Krebs, und Robert macht sich noch zusätzlich Vorwürfe, daß er sich nie um ihn kümmerte. Angeblich ist dies der ausschlaggebende Punkt, der Robert dazu treibt, Prostituierte aufzusuchen. Nachdem Marie schon relativ argwöhnisch wurde, weil Robert nach einem widerlichen Parfüm stinkt (er redet sich damit raus, am Bahnhof eine Probe genommen zu haben), kulminiert es in der Szene, wo Robert am Nachmittag von einem Dirnenbesuch heimkehrt, und geschickterweise mehrfach in der riesigen Wohnung nach Marie ruft, bevor er sich zum Duschen entkleidet. Dummerweise wollte Marie ihn überraschen, was ihr auch gelingt, als Robert gerade feststellt, daß er im Geschlechtsbereich blutverschmiert ist. Trotz seiner Ausrede, er habe sich geschnitten (wozu er allerdings nicht den Schnitt vorzeigen kann), kommt ihm Marie endlich auf die Schliche, und besteht darauf, mit ihm den seltsamen Sexshop aufzusuchen, wo sie dann die Mutter eines ihrer Patienten findet, eine HIV-positive, die dazu auch noch ihre Tage hat. Alles Gute zum Valentinstag, Herr Roehler!

Gegen die Hindernisse noch einiger erschreckender Vorgänge findet die beiden schließlich zusammen, Marie steckt Robert unzählige Gänseblümchen ins Haar und sie tanzen über eine saftiggrüne Wiese. Diese Szene soll nicht der Höhepunkt der Ironie sein, sondern der unschuldige Sieg der Liebe. Unmengen von gefühlskalten Journalisten verließen spätestens hier die Vorstellung, und ausnahmsweise mache ich ihnen keine Vorwürfe.

Liebe ohne Sex, durchaus ein Konzept, das mir möglich erscheint. Nur funktioniert die Beziehung in "Der alte Affe Angst" weder vorne noch hinten. Unmengen von Psychomüll auf beiden Seiten, Untreue, Lügen etc. Und wenn es mal Momente von Intimität (nicht Sex!) gibt, dann äußert sich das dadurch, daß die beiden sich gegenseitig anspucken, oder sich gegenseitig den Finger in den Hals stecken, bis sie würgen müssen. Auf so eine "Liebe" würde ich auch bei hervorragendem Sex verzichten.

So gerät der ganze Film zu Oskar Roehlers Version der wahren Liebe: Unglaubwürdig, eklig, krank. Die einzige Szene des Films, die vielleicht sogar den Besuch rechtfertigt, ist ein etwa dreiminütiges Gespräch zwischen Robert und einem intellektuellen Rauschebart, der mich entfernt an Herbert Knaup erinnerte (und der es schließlich auch war!). Hier wird ausnahmsweise die Natur der von Roehler erdachten Figuren zu einem Quell ausufernden Amüsements. Natürlich endet auch diese Szene mit einem Streit und Roehler nutzt die seltsame Männerfreundschaft, um auch noch ein wenig Drogenkonsum in die Geschichte einfließen zu lassen, aber offensichtlich ist dies die Welt des Oskar Roehler, die ich in Zukunft wahrscheinlich selten besuchen werde. Durch diesen Film leidet sogar meine Erinnerung an "Die Unberührbare", Roehlers bekanntesten und sicher besten Film, denn offenbar war schon des Regisseurs Mutter ähnlich drauf wie er, und angesichts der wiederkehrenden Themen in seinen Filmen freue ich mich, wie "normale" Filme David Lynch, Ingmar Bergman, Woody Allen oder Rainer Werner Fassbinder mach(t)en.