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Februar 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Identity Kills
D 2003

Regie:
Sören Voigt

Kamera:
Markus Stein

Schnitt:
Gergana Voigt

Musik:
Markus Trockel, Hannes Bieger, Rainer Kirchmann

Darsteller:
Brigitte Hobmeier (Karen Lohse), Daniel Lommatzsch (Ben), Mareike Alscher (Fanny), Julia Blankenburg (Sara)

Internationale Filmfestspiele Berlin

Forum

Identity Kills





Sören Voigt
Sören Voigt

Im Sommer 2001 startete Sören Voigts Debütfilm "Tolle Lage" in den deutschen Kinos, allerdings fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Daß er sich nach diesem empfindlichen Dämpfer bei seinem nächsten Projekt ausgerechnet in den Kopf gesetzt hatte, ohne Drehbuch zu filmen (und somit keinerlei Chance auf finanzielle Unterstützung erwarten konnte), zeichnet den Regisseur, der bisher kaum überzeugen konnte, aus.

Hier nun erzählt er in einem Stil zwischen Dogma "Halbe Treppe" und "Rosetta" von einer jungen Frau, die gerade einen mehrtägigen Psychatrieaufenthalt hinter sich hat. Karen kehrt zurück in die gemeinsame Wohnung mit Ben, der mittlerweile seine Exfreundin einziehen ließ, angeblich nur, um sie zu unterstützen. Als dann aber Saras Geburtstag gefeiert wird, und Karen aus verständlichen Gründen nicht zum Feiern zumute ist, eskalieren die Konflikte erstmals. Karen will Ben endgültig loswerden und schmeißt ihn raus. Identity Kills (R: Sören Voigt)

Als sie dann irrtümlich von einem Hotelmanager für eine Jobbewerberin in der Karibik gehalten wird, spielt Karen mit, bis sie wegen fehlender Spanischkenntnisse aufgedeckt wird. Als dann die richtige Bewerberin kommt, spielt Karen eine "Mitarbeiterin von Herrn Sanchez" und verabredet sich mit Fanny zu einem späteren Zeitpunkt.

Während sie sich wieder von Ben rumkriegen läßt und ihn schließlich sogar heiratet, ist Karen zunehmend unzufrieden mit ihrem Leben. Als sie nach dem Fließbandjob in der Besteck-Manufaktur eine Kollegin begleitet, entwendet sie einige Musterkoffer und verkauft sie illegal auf der Autobahnraststätte. Mit dem zusammengesparten Geld will sie in die Karibik fahren, und sie besucht sogar einen Spanisch-Kurs. Doch schließlich bricht ihr Leben wieder zusammen, Ben verprasst das gemeinsame Geld für Auto und Stereoanlage, treibt sich mit weniger schwermütigen Mädels herum, und da trifft Karen Fanny wieder und erzählt ihr von deren Job in der Karibik … Identity Kills (R: Sören Voigt)

Wie der Titel schon andeutet, endet der Film nicht besonders fröhlich, und die elliptische Erzählweise mit Schwarzblenden erinnert genauso wie die pessimistische Lebensauffassung des Films an Michael Haneke. Voigt, dessen Hauptproblem bei "Tolle Lage" das wenig überzeugende Drehbuch war, kann sich überraschenderweise ganz ohne Drehbuch glänzend behaupten. Der langsame Verfall von Karens Leben, die oberflächliche Gedankenlosigkeit Bens und der Identitätswandel zu einer selbstbewußten Hotelmanagerin werden auch durch die Darsteller überzeugend rübergebracht, und gerade durch die offene Erzählstruktur gewinnt der Film an Kohärenz, weil jeder mögliche, unterbewußt wahrgenommene Bruch in der Narration allenfalls zu einer Manifestation der psychischen Defekte Karens wird.

"Identity Kills" ist noch längt nicht perfekt, aber das Potential des Regisseurs ist evident, und falls Voigt hiermit einen kleinen Erfolg haben sollte, kann man auf seinen nächsten Film schon mal gespannt sein.