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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

Februar 2003
Stephan George
für satt.org

One Hour Photo
USA 2002

One Hour Photo

Buch
und Regie:
Mark Romanek

Kamera:
Jeff Cronenweth

Darsteller:
Robin Williams, Connie Nielsen, Michael Vartan, Gary Cole, Eriq La Salle, Dylan Smith, Nick Searcy
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One Hour Photo
Eine Stunde Zuviel


Wer erinnert sich nicht sehnsüchtig an die Zeit, in der Robin Williams noch interessante, ernsthafte Rollen gespielt hat - sei es nun in König der Fischer oder Der Club der toten Dichter. Zwar gab es danach noch einige erwähnenswerte Rollen, wie in Good Will Hunting oder im unterschätzten Hinter dem Horizont, doch Rollen wie in Der 200-Jahre Mann, Jack und vor allem Flubber oder Patch Addams drückten ihm doch den Stempel des zwar überaus fähigen, aber sich dem Klamauk verschriebenen Schauspieler auf - das ewige Kind Robin Williams.

Zum Glück änderte sich das mit Insomnia, in dem er als eiskalter Mörder brillierte. Auch in One Hour Photo widmet er sich wieder seinen tiefsten Abgründen - was leider nichts daran ändert, daß der Film absolut missraten ist.





One Hour Photo





One Hour Photo





One Hour Photo





One Hour Photo



One Hour Photo ist das Regie-Debut des Videoclip-Regisseurs Mark Romanek, dessen Musikvideos für Aufsehen sorgten (wie "Closer" von Nine Inch Nails, "Bedtime Story" von Madonna, "Are You Gonna Go My Way" von Lenny Kravitz oder "Black Tie, White Noise" von David Bowie). Ruft man sich in Erinnerung, dass auch David Fincher (Alien“, Se7en, The Game, Fight Club, Panic Room) vor seiner Hollywood-Karriere wegweisende Musikvideos (u.a. für Madonna) drehte, sollte das doch Hoffnungen wecken. Doch leider hat Romanek nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben …

Seymour "Sy" Parrish (Robin Williams) ist Angestellter eines Fotolabors (Photos in one Hour) in einem riesigen Supermarkt. Dort arbeitet der symphatische ältere Herr seit vielen Jahren und entwickelt (auf höchstem Niveau) schon lange die Photos "seiner" Familie, mit der er sich identifiziert hat und deren Mitglied er in seinem Träumen ist. Als der Ehemann fremdgeht, gerät Sy in eine Krise (zudem wird er zeitgleich entlassen) und handelt …

Viel Potential enthält diese Geschichte, doch ausgeschöpft wird es nicht; das kann auch Robin Williams phantastische Performance nicht überdecken. Angefangen mit der unnötigen Erzählung als Rückblende und dem Abarbeiten aller gängigen Klischees liegt der Hauptfehler des Drehbuches darin, daß sich die Geschichte nicht auf Sy fokusiert. Ständig wird zwischen den Geschehnissen um Sy und denen "seiner" Familie gewechselt; viel interessanter wäre es doch gewesen, die Geschichte aufs Sys Blickwinkel zu beschränken (nebenbei, das gleiche Manko hat Finchers "Panic Room"). Allein durch die unzähligen Photos, mit denen Sy sich beschäftigt, wäre die Familie ausreichend charakterisiert worden, wie interessant wäre auch ein Bruch zwischen Sys Vorstellungen und der Realität gewesen. Schade, schade.

Auch wimmelt es im Film von logischen Fehlern: Sy arbeitet schon lange im Supermarkt, und erst jetzt fällt seinem Vorgesetzten auf, daß Sy sich immer Abzüge der Photos macht? Werden die Abzugszahlen (Automat vs. Buchführung) nicht regelmäßig verglichen? Und noch schlimmer: Als Sy die von ihm gemachten Photos der Familie seines Vorgesetzen als Warnung in seinem ehemaligen Photogeschäft entwickeln läßt, muß er doch damit rechnen, daß man die Polizei einschalten wird und daß diese seine Wohnung untersuchen wird und so die Wand mit den vielen Bildern "seiner" Familien findet. All die Jahre hat er seine "Neigung" wohl gehütet, und jetzt ist es ihm egal? Natürlich können seine Entlassung und das Fremdgehen seine Wahrnehmung trüben, aber so stark? Kitsch läßt grüßen. Noch kitschiger wird es am Ende: Furchtbare Kindheit. Jaja, halt alle Klischees.

Zwar hat der Film ein interessantes Ende (Sy entführt Ehemann und Geliebte und zwingt sie, für Sexphotos zu posieren, doch er tut nur so, als würde er Photos machen), doch die Inszenierung ist ebenso mangelhaft wie das Drehbuch: ständig nur weiße, sterile Umgebung, kombiniert mit Blautönen. In dem Moment, in dem Sy beschließt zu handeln, wäre ein Bruch im Stil oder zumindest eine Veränderung nötig gewesen. Aber das findet nicht statt. Die Videoclip-typischen Schnitte hätten in den Showdown gehört, stattdessen findet man sie an den unlogischsten Stellen. Was solls.

Dieser Film hat mich unendlich enttäuscht, darum will ich auch nicht mehr über diesen Film sagen, außer: Was für eine Verschwendung von Robin Williams Talent. Wieder viel Geld für viel Schrott rausgeworfen.