Wesh wesh,
qu'est-ce qui se passe?
2002 auf dem "Internationalen Forum des jungen Film" präsentiert, startet jetzt mit kleiner Kopienzahl der Debütfilm des in Algerien geborenen Rabah Ameur-Zaïmeche, der in vielerlei Hinsicht an Josef Fares "
Jalla! Jalla!" erinnert. Zum einen ist da der Titel zu nennen, der auch hier der Sprache der Einwanderer entnommen ist, sich aber fast intuitiv übersetzen lässt. Zum anderen greift Rabah Ameur-Zaïmeche noch stärker als Fares auf seine Familie und das Umfeld zurück, wenn es darum geht, die Darsteller zu casten.
Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon fast auf. "Wesh wesh, qu'est-ce qui se passe?" (der französische Teil lässt sich mit "Was geht hier ab?" übersetzen) berichtet vom Leben der muslimischen, größtenteils bereits in Frankreich geborenen Minderheit, wie sie in Plattenbau-Sozialwohnungen, wie wir sie ähnlich schäbig aus "All or Nothing" oder "alaska.de" kennen, ihr Dasein fristen. Kamel, der wahrscheinlich für ein Drogenvergehen für fünf Jahre ins Gefängnis gesteckt wurde, nur um im Anschluß auch noch des Landes verwiesen zu werden (auch, wenn er gebürtiger Franzose ist), kehrt zwei Jahre später zurück ins Bosquets à Montfermeil in der Pariser Banlieue. Dort ist seine Heimat, hier ist er aufgewachsen, doch nun hat er weder Aufenthaltsgenehmigung noch Pass, und all seine Bestrebungen, ein bürgerliches Leben mit geregelter Arbeit zu führen, scheinen daran zu scheitern. Kamels jüngerer Bruder Mousse hingegen scheint all jene Fehler zu wiederholen, wegen derer Kamel damals unsanft aus seinem Umfeld gerissen wurde. Der 16jährige schickt sich an, zum neuen Drogenboss des Kiez zu werden, gerät dabei aber zunächst mal an schlechte Ware, wofür der Lieferant mit einem Bügeleisen misshandelt wird (Beweisfotos stellen die jungen Leute zur Wahrung ihres kriminellen Renommees gleich selber her).
Während die Mutter besorgt darüber ist, warum Mousse nie arbeitet, aber immer ausreichend Geld zur Verfügung hat, scheinen die muslemischen Noch-Single-Frauen durchaus interessiert an dem gutaussehenden rebellischen Tunichtgut. Für den älteren, reumütigen, an einer Heirat wegen seiner Dokumentenlage sicher nicht uninteressierten Kamel kann sich hingegen nur eine französische Lehrerin begeistern. Als sie Kamels Mutter besucht, kommt es zu einer bizarren Dolmetscher-Aktion durch Kamels Schwester. Während die Mutter die Französin beschimpft, nicht nur wie eine Schlampe ihrem Sohn hinterherzulaufen, sondern nun auch noch ihre Wohnung aufzusuchen, macht die Schwester daraus eine geschickt erdachte Ärgerlichkeit über verbrannte Süßigkeiten, die die gastfreundlichen Algerier ebenso wie Tee auch dem ärgsten Feind darbieten würden.
Als Mousse einen AIDS-kranken Junkie fertigmachen lässt, verpfeift dieser ihn bei der Polizei. Die ist generell nicht sehr zimperlich mit den "Wilden" und bei der Hausuntersuchung muss auch Kamels Mutter mit groben Polizisten und Tränengas Bekanntschaft machen. Nicht nur verliert Kamel dadurch endgültig das Zuhause, in dem er sich vor den Routineuntersuchungen nie abgeneigten Polizisten verstecken konnte, auch die Tat an seiner unschuldigen Mutter will er nicht ungesühnt lassen …
Ausschließlich im Bosquets à Montfermeil gedreht, besticht der Film durch seine semi-dokumentarische Nähe. Während einige der hartnäckigen Polizisten offensichtlich von Darstellern gemimt wurden, gibt es immer wieder Aufnahmen von das Terrain observierenden Ordnungshütern, bei denen der Zuschauer darüber sinnieren kann, ob es sich um "echte" Polizisten handelt. Die Tatsache, daß ihre Gesichter (und Autokennzeichen) digital verfremdet wurden, lässt darauf schließen, denn so, wie die Polizei hier dargestellt wird (rassistisch und korrupt), ist wohl kein Beamter daran interessiert, sein Gesicht in diesem Film wiederzuerkennen.
Dieses Spiel mit der vermeintlichen Realität funktioniert noch besser als im gerade den Berlinale-Hauptpreis abgreifenden "In this World". Auch in "Wesh wesh" werden die Figuren nicht übermäßig sympathisch dargestellt, dennoch fühlt man mit ihnen. Durch das Sujet, die energievoll eingesetzte Musik und insbesondere eine Kameraeinstellung aus einem Kofferraum gedreht fühlt man sich an Quentin Tarantino erinnert, doch "Wesh Wesh" bleibt nicht an einer oberflächlichen Kriminalgeschichte hängen, sondern kritisiert vor allem die politischen Zustände in Paris, ohne dabei aber die muslimischen Einwanderer als harmlose Unschuldslämmchen darstellen zu wollen. Begriffe wie Respekt (etwa vor Älteren) und Integration verkommen bei den hier dargestellten Zuständen zu schlechten Witzen, der Film macht klar, daß ein Ausbruch aus dem Teufelskreis (fast) unmöglich ist. Und die Art und Weise, wie Ameur-Zaïmeche dies einerseits zu einer semi-dokumentarischen Sozialkritik und andererseits zu einem unterhaltsamen Familiendrama verarbeiten konnte, nötigt zumindest dem Zuschauer Respekt ab, und lässt hoffen, dass dem Regisseur wie seinem schwedisch-libanesischen Kollegen zumindest die Integration ins Filmbusiness gelingt.