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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

Juni 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Die Wutprobe
Anger Management

USA 2002

Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)

Regie:
Peter Segal

Buch:
David Dorfman

Kamera:
Donald McAlpine

Schnitt:
Jeff Gourson

Musik:
Teddy Castellucci

Darsteller:
Adam Sandler (Dave Buznik), Jack Nicholson (Dr. Buddy Rydell), Marisa Tomei (Linda), Allen Covert (Andrew), Kurt Fuller (Frank Head), John Turturro (Chuck), Luis Guzmán (Lou), Jonathan Loughran (Nate), January Jones (Gina), Krista Allen (Stacy), Nancy Walls (Flight Attendant), Gary Clayderburg (Flight Attendant), Lynne Thigpen (Judge Honora Daniels), Harry Dean Stanton (Blind Man), Gina Gallego (Cocktail Waitress), Woody Harrelson (Galaxia/Garry the Guard), Kevin Nealon (Sam), Rudolph W. Giuliani (Himself), Heather Graham (Kendra), John McEnroe (Himself), John C. Reilly (Arnie Shankman), Jonathan Osser (Young Dave Buznik), Melissa Mitchell (Sarah Plowman), Alan James Morgan (Young Arnie Shankman)

Die Wutprobe
Anger Management


1. My Buddy, the Shrink

Komödien über Psychiater, deren Patienten und daraus erwachsende Probleme scheinen momentan Konjunktur zu haben. Frank Oz legte "What about Bob?" mit Bill Murray und Richard Dreyfuss vor, Harold Ramis, ein weiterer Komödienspezialist ("Groundhog Day") drehte mit Billy Crystal und Robert De Niro "Analyze this" und ließ dann noch ein Sequel namens "Analyze that" folgen.



Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)


Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)


Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)


Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)


Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)


Die Wutprobe (Anger Management) (R: Peter Segal)

Ganz in der Tradition der auf die Hauptdarsteller zugeschnittenen Figuren folgte nun "Anger Management", ebenfalls von einem Komödienspezialisten, doch leider kann Peter Segal bisher nur mässig erfolgreiche Sequels wie "The Nutty Professor II: The Klumps" oder "The Naked Gun 33 1/3: The Final Insult" aufweisen. Und auch sein nächstes Projekt, eine Wiedervereinigung von Drew Barrymore und Adam Sandler, den Stars aus "The Wedding Singer", in einer romantischen Komödie (also nicht direkt ein Sequel, sondern so ein Semisequel wie "Runaway Bride") kann mein Herz nicht wirklich höher schlagen lassen.

Doch die Hauptdarsteller von "Anger Management" machen dies wieder ein wenig wett, zu gelungen waren "About Schmidt" und "Punch-Drunk Love": Draufhau-Komiker Adam Sandler als friedfertiger Patienten wider Willen und der gewohnt perfide Jack Nicholson als Psychiater, der sogar "Buddy" heißt, aber eher den Anschein macht, als sei er der Grund für alle Probleme seines Schutzbefohlenen.

Mit immensem Werbeaufwand* ließ man den Film auf die deutschen Kinoleinwände los, und trotz fast durchweg negativer Aufnahme bei Kritik und Publikum (nur die "I Feel Pretty"-Szene wurde gelobt) nahm ich es auf mich, mir selbst ein Urteil zu bilden.

*Das Plakat sah man schon Monate vorher in jedem Multiplex, es gab Bierdeckel mit einer Telefonaktion, eine im Fernsehen verloste "Liebeserklärung im Stadion", und die PR-Firma verschickte (speziell für Frauenzeitschriften???) auch noch den Text des im Film prominent gefeatureten Songs "I Feel Pretty" aus der "West Side Story".


2. Das große Problem des Films

Die Grundkonstellation der Handlung dürfte allgemein bekannt sein. Sandler landet im Flugzeug neben Nicholson, der ihn irgendwie dazu animiert, eine Art Wutanfall zu bekommen, woraufhin Sandler zu "Anger Management" verdonnert wird, doch ausgerechnet beim Psychiater Nicholson, der gleich bei seinem Patienten einzieht und ihm das Leben zur Hölle macht.

Eine der Fragen des Films ist es, ob Nicholson als "Buddy Rydell" ein Genie ist oder ein Scharlatan, der die psychiatriegeile Gesellschaft ausnutzt, aber nebenbei selbst ein gehöriges psychisches Problem hat. Das Problem des Zuschauers ist jedoch, daß die ganze Geschichte unschlagbar konstruiert erscheint. Wie wahrscheinlich kann es sein, daß man ausgerechnet zu dem Seelenklempner in Behandlung gehen soll, der mehr oder weniger schuld an der uncharakteristischen Entgleisung ist?

Naja, ich muß sagen, nach etwa einer Viertelstunde hatte ich mich damit abgefunden und vergnügte mich vor allem königlich, was nicht zuletzt an den Gastauftritten von John Turturro, Luis Guzman, John McEnroe*, John C. Reilly, Woody Harrelsen, Harry Dean Stanton und Heather Graham lag. Irgendwann hatte ich das Problem völlig vergessen, doch dann gelang es dem Film sogar, diese kleine Schwäche völlig "verschwinden" zu lassen, was sicher eine Stärke des Films hätte sein können, doch zur selben Zeit kam dann die wirkliche Schwäche des Films: ein Harmoniebedürfnis, das den Film enden lässt wie einen Asterix-Band: mit dem obligatorischen Festmahl, bei dem nun sogar der Troubadix-Ersatz mitfeiern darf …

*Diese drei waren bereits in den letzten zwei Filmen des Mitproduzenten Sandler zu sehen.


3. New York, NEW New York

Einer der ersten Filme, der die Ereignisse vom 11.9.2001 gekonnt in seine Geschichte einfließen ließ, war sicher Spike Lees "The 25th Hour". In "Anger Management" spielt sogar Bürgermeister Rudy Giuliani mit, aber die Darstellung der Stadt und der Gesellschaft in diesem Film ist noch viel fragwürdiger als Spikes kontroverseste Provokationen. Und damit meine ich nicht die schlechte Rückprojektion, die hinter Sandler die Stadt als Kulisse zeigen (Von "Moulin Rouge!"-Kameramann Donald McAlpine hat man sicher mehr erwartet, aber vielleicht war auch jemand anders schuld daran.).

Bereits im Flugzeug werden wir darauf hingewiesen, daß man heutzutage in potentiellen Massenvernichtungsgeschossen nicht unnötig auffallen sollte. Der Unterschied zwischen einem Fluggast, der sich vom Servicepersonal übersehen fühlt, und einem gewalttätigen Rassisten ("What is it with you people?") ist offenbar nichtexistent.

Die Moral des Films lässt sich so zusammenfassen, das man sich als Amerikaner nicht alles gefallen lassen darf, man ist nur solange politisch korrekt, bis man sich über die richtigen Leute lustig machen kann ("I'm not a homophobe, I'm a pulling-out-my-penis-in-front-of-you-ophobe." oder "Now why did I do that?" - "Because I refused to spoon with you last night?"), und fast im gleichen Atemzug verpasst man nicht die Gelegenheit, "Old Europe" mit solchen verwerflichen Neigungen in Zusammenhang zu bringen ("In Europe, it's not considered unusual for three or four men to share a bed." - "That's why I'm proud to be an American").

Für meinen Geschmack ist dieser Film viel zu amerikanisch, ohne daß es ihm dabei auch nur auffällt, wie blöd er gleichzeitig ist. Und das schmälert das Vergnügen im Nachhinein gewaltig. Mich würde auch interessieren, wie man in der deutschen Synchronisation Witze über Geraldo Rivera oder Bobby Knight so verändert hat, damit auch ein deutsches Publikum darüber lachen kann, aber vor allem ist es offensichtlich, daß aus diesem Film mit etwas mehr gesunden Menschenverstand eine wirklich gelungene Komödie hätte werden können, ohne den bitteren Nachgeschmack und die Erkenntnis, daß man mit dem Kauf eines Kinotickets gerade ein System unterstützt hat, das sicher nicht demokratischer ist ein ehemaliges "Feindesland", dem man am liebsten verboten hätte, solch einen Begriff im Namen zu tragen.

Die Staaten sind wirklich VEReinigt, und Filme wie dieser machen es einem sehr bewußt.