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"Treasure Planet" war der Vorreiter von Disney, und mit einem halben Jahr Verspätung schickt auch Dreamworks seinen "Sinbad" ins Rennen. Interessanterweise schrieb das Drehbuch dazu John Logan, der zwar auch schon am Buch des Oscar-Films "Gladiator" oder Oliver Stones "Any Given Sunday" gearbeitet hatte, mir aber vor allem durch den letzten Star Trek-Kinofilm "Nemesis" aufgefallen war. Logan scheint momentan fast so heißbegehrt wie Charlie Kaufman zu sein und schrieb zuletzt etwa die Bücher zum neuen Tom Cruise-Streifen "The Last Samurai" oder der neuen Scorsese-DiCaprio-Zusammenarbeit "The Aviator", aber für actiongeladene Genre-Stoffe scheint er eine besondere Befähigung zu haben. Wer weiß, daß Logan nebenbei auch Trekkie ist, mag in Eris, der bösen Göttin des Chaos, die mit Sinbad spielt wie eine Katze mit der Maus, gewisse Parallelen zu Q erkennen. Jeffrey Katzenberg, der Disney-Fahnenflüchtige bei Dreamworks, sieht in Eris (definitiv in Anlehnung an ihre englische Stimme Michelle Pfeifer) eine Art "Catwoman mit einem Gottkomplex" … Nicht nur Drehbuchautor Logan findet, daß die Schurken ihm am meisten Spaß machen, auch für den Zuschauer ist Erin irgendwie die Hauptfigur. Sie ist wirklich eine Göttin, ihr Haar ist eigensinnig wie die Schlangen auf dem Haupt der Medusa (eine Art Weiterentwicklung der Seehexe Ursula aus "The Little Mermaid"), sie wechselt dauernd ihre Gestalt, daß selbst dem Dschinn aus "Aladdin" schlecht werden könnte, und - besonders bemerkenswert - sie bezieht ihre Handlanger auch noch aus mythologischen Versionen diverse Sternzeichen, angefangen mit der Riesenkrake Cetus über die üblichen Verdächtigen wie Scorpius und Draco bis hin zu einer atemberaubenden Version des Vogel Roc namens Aquila. Eris betrachtet die Handlung des Films wie ein Spiel, Sinbad und seine Spießgesellen sind für sie Figuren auf einem Spielbrett, das nicht unbedingt zufällig wie unser Globus aussieht. Dadurch bekommt der Film trotz zahlreicher sehr moderner Aspekte (Kampfszenen wie aus "The Matrix") einen klassischen Touch, ich fühlte mich etwa erinnert an Geoffrey Chaucers "Knight’s Tale", wo das Schicksal der Sterblichen auch von einigen übelgelaunten Gottheiten entschieden wird. Das Buch zeichnet sich noch durch zwei weitere besonders gelungene Aspekte aus. Zum einen ist da Sinbads Jugendfreund Proteus, der sein Leben für ihn aufs Spiel setzt. Der bereits zum Tode verurteilte Haderlump Sinbad hat zehn Tage Zeit, das angeblich von ihm entwendete "Buch des Friedens" wiederzubeschaffen, andererseits wird an seiner Stelle Proteus einen Kopf kürzer gemacht, sowas ähnliches soll es mal in der "griechischen Sage von Damon und Pythius" gegeben haben (kenne ich auch nicht, aber man lernt ja nie aus …). Die schnucklige Marina (die einerseits als Proteus "Verlobte" vorgestellt wird, andererseits aber auf seinen Antrag noch nicht geantwortet hat) traut Sinbad hingegen zu Recht nicht weiter, als sie ihn werfen kann, und schifft sich als blinder Passagier ein, just als Sinbad entscheidet, lieber einen Urlaub auf den Fidschi-Inseln zu verbringen als sich mit der ablaufenden Frist die Laune zu verderben. Natürlich verlieben sich die beiden ineinander, aber das wichtigste dabei ist, wie Logan dem Film damit noch einen Hauch Screwball-Comedy einverleibt, denn der Kampf der Geschlechter ist auch hier ein ebenbürtiger, und der Hund Spike verhält sich auch ganz in der Tradition anderer Vierbeiner in Filmen wie "Bringing up Baby" oder "The Thin Man". "Sinbad" braucht den Vergleich mit "Treasure Island" nicht scheuen, auch wenn John Logan bei all seinem Talent nicht an Robert Louis Stevenson heranreichen kann. Leider habe ich "Sinbad" nur in der deutschen Synchronisation gesehen, was insbesondere bei dem von Adriano Giannini gesprochenen "Rat" wieder zu einer üblen Italiener-Verunglimpfung wurde, und Emma Thompson ist mir auch um einiges lieber als Catherine Zeta-Jones, aber zumindest in den Kategorien "Schauwerte" und "Mut zu Experimenten" ist Sinbad der klare Sieger, wenn auch die Auflösung der Geschichte ein wenig zu vorhersehbar ist.
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