Schon lange im voraus wurde aus diesem Film ein Ereignis inszeniert. Die "Rückkehr" des "internationalen Stars" Franka Potente nach Deutschland, noch dazu in einer Doppelrolle - das war zwar nicht ganz so spannend wie der Jägermeister-Kuss mit Johnny Depp, die Affäre mit Elijah Wood oder der unerwartete Erfolg von "The Bourne Identity", brachte aber einen Hauch von Weltniveau in das deutsche Kino. Regisseur Rolf Schübel, der sich mit "Gloomy Sunday" auch eher an internationalen Standards maß, aber nicht ganz den erwünschten Erfolg hatte, versammelt in seiner Besetzung auch lauter eigentlich unbekannte Schauspieler, die aber alle irgendwie für das Potential des (nicht unbedingt deutschen, aber europäischen) Films auf internationalem Niveau stehen, Darsteller aus "
Belly Martha", "Das Fest", "Das Experiment", "101 Reykjavik", "
Der Pianist" oder auch gleich dem vorletzten James Bond-Film. Und wem das noch nicht international genug ist - etwa die Hälfte des Films spielt auch noch in British Columbia, Kanada - auch wenn man dort ausschließlich deutsch spricht.
Die 20jährige Siri führt ein scheues Leben in den kanadischen Wäldern und fotografiert Wapitis. Zu Beginn des Films dringen zwei Fremdkörper in ihr geregeltes Einsiedlertum ein - Der Kanadier Greg will ihre Bekanntschaft machen, und ihre sterbende Mutter meldet sich per Bildtelefon, sie möge zurückkommen. Und so geht der Film 20 Jahre zurück und erzählt uns die Geschichte von Siris Geburt und Kindheit.
Die weltberühmte Pianistin Iris Sellin erfährt, daß sie an Multipler Sklerose leidet, und entscheidet sich, einen führenden "Reproduktionswissenschaftler" zu überreden, einen menschlichen Klon herzustellen, eine Blaupause der Pianistin, die sozusagen jenes Leben weiterführen soll, daß durch die Krankheit nicht zwangsläufig beendet, aber zumindest eingeschränkt werden wird. Dr. Fisher lässt sich auf den Deal ein, gemeinsam schöpfen sie den ersten menschlichen Klon, wenig einfallsreich Siri genannt.
Um eine normale Entwicklung des Mädchens zu gewährleisten, darf natürlich niemand von den Geburtsumständen erfahren - und illegal ist es natürlich auch, aber alles läuft so gut, wie man es sich nur träumen könnte. Siri liebt ihre Mutter, "erbt" deren musikalisches Talent, und will schon in jungen Jahren auch Pianistin werden, sie wünscht sich nichts sehnlicher, als gemeinsam mit ihrer Mutter aufzutreten.
Fisher hingegen drängt immer wieder auf eine Veröffentlichung, lässt sich aber durch eine verspätete Nachvollziehung des reproduktiven Aktes milde stimmen - Iris gibt sich dem Wissenschaftler, der sie schon immer begehrte, hin - und ist selbst darüber überrascht, was für ein "guter Liebhaber" er ist. Doch bei einer der nächsten Gelegenheiten ist Iris weniger entgegenkommend, und der zurückgewiesene weiß in seiner Not nur eine Antwort: er beruft eine internationale Pressekonferenz ein.
Fisher wandert in den Knast, Siri wird vor der Schule von Journalisten bedrängt und fällt in einen komatösen Zustand. Es gelingt ihrer Mutter jedoch, Siri wiederzubeleben. Und das gemeinsame Konzert, der definitive Höhepunkt des Films steht bevor.
Franka Potente überzeugt als Schauspielerin auf ganzer Linie - nicht nur spielt sie zwei sehr unterschiedliche Frauen, auch steckt sie ein Altersspektrum von ca. 16 bis 46 ab. Mindestens genauso überzeugend sind auch die zwei kleinen Siris, die ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheinen - und nicht sofort merken, was an der Mutter nicht stimmt. Schließlich wird der Film dann zum Alptraum einer jeden Tochter: Siri muß erkennen, daß sie exakt so ist wie ihre Mutter.
"The Horror! The Horror!", würde Marlon Brando sagen, und sich ebenfalls in Herz der kanadischen Wildnis verkriechen.
In dem Moment, wo sich die doppelte Franka selbst gegenübersteht, bricht die vorher liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung zusammen, und der Filme, der schon vorher einige Probleme mit allzu geschliffenen Dialogen hatte, droht im letzten Drittel auch zusammenzubrechen - auch, weil die große Liebesgeschichte mit Greg einfach zu konstruiert erscheint, zu vieles an diesem Film wurde von langer Hand geplant. Schon früh werden Spiegel als visuelle Symbole eingesetzt, Michelangelos Version des Schöpfungsmomentes (die zwei Hände von der sixtinischen Kapelle) durchzieht den Film ebenso wie bestimmte musikalische Themen, wobei "Rudolph, the red-nosed reindeer" auch noch in Gestalt eines Stofftiers und eines Albino-Wapitis den scheuen Trotzkopf Siri repräsentiert - Soviel Symbolismus war selten, die eigentliche Geschichte geht darunter aber verloren.
Am schlimmsten ist dann der Farbsymbolismus. Wenn Siri als kleines Mädchen eine Zeichnung anfertigt, die das ersehnte gemeinsame Klavierkonzert mit der Mutter darstellt, und die Mutter sich bei dem Konzert sogar an die Farben auf der Kinderzeichnung erinnert, fühlt man sich noch bewegt. Und das Konzert ist ja, wie gesagt, der Höhepunkt des Films, ein Hinweis auf das immense Potential dieses Stoffs. Wenn sich jedoch herausstellt, daß Blau für den "Blueprint" steht, und Siri so gerne das rote Original wäre, dann werden die letzten zwanzig Minuten zur Verfilmung einer Proseminararbeit in Farbanalyse - und sämtliche Verbundenheit mit der Geschichte geht verloren. Schade.