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Januar 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Eierdiebe
D 2003

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Buch
und Regie:
Robert Schwentke

Kamera:
Florian Ballhaus

Schnitt:
Hans Funck

Musik
Martin Todsharow

Darsteller:
Wotan Wilke Möhring (Martin Schwarz), Janek Rieke (Nickel), Antoine Monot, Jr. (Harry), Julia Hummer (Susanne), Alexander Beyer (Roman Schwarz), Marie Gruber (Mutter Schwarz), Fatih Cevikkollu (Pfleger), Götz Schubert (Dr. Bofinger), Thomas Thieme (Vater Schwarz), Doris Schretzmayer (Schwester Elke), Leander Haußmann (Winnie), Andreas Schmidt (Polizeibeamter 2)

88 Min.

Kinostart:
22. Januar 2004

Eierdiebe



Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Eierdiebe (R: Robert Schwentke)

Nach dem beachtlichen Erfolg seines Kinodebüts Tattoo widmete sich Regisseur und Drehbuchautor Robert Schwentke bei seinem zweiten Film einem autobiographischem Thema und schuf ein Paradebeispiel eines seltenen Genres - der Hodenkrebskomödie.

Gerade zurück von einem Studienaufenthalt in den USA, bricht Martin (Wotan Wilke Möhring, bekannt aus Lammbock oder Das Experiment) im Haus seiner stolzen Eltern zusammen, angeblich wegen eines Hoden-Infekt. Sein Bruder kennt jedoch den Rettungs-Sanitäter Winnie, der sich die Sache hinter einer Würstchenbude im Gebüsch mal anschaut und eher auf Tumor tippt.

Nach der Einlieferung wird ihm sofort ein Hoden entfernt, aber gegen den Rat des Arztes und seiner Mutter entscheidet sich Martin gegen eine "Total"-Operation und will mit einer Chemotherapie versuchen, seine "Männlichkeit" zu retten. Fortan verbringt er Monate in der Klinik und freundet sich mit Leidensgenossen an, den horrorfilmsüchtigen Nickel und Harry - und Susanne (Julia Hummer), mit der er zusammen heimlichen Ärzte-Schwestern-Sex beobachtet, und in die er sich natürlich verliebt.

Der Film zeigt einerseits, wie sich Martin immer mehr aus seinem bisherigen Leben verabschiedet (Die Mutter schleppt ihm noch die Studienlektüre ans Krankenbett, damit er nicht zurückfällt), und dafür in der Klinik einen neuen, skurrilen Lebensraum entdeckt. Daß diese Klinik und insbesondere das Personal filmmäßig übertrieben sind, ändert an der eigentlichen Erfahrung, die dargestellt wird, wenig - allerdings verliert der Film durch seine Komödienelemente auch viel an seiner Aussagekraft. Es ist wenig überraschend, daß sich die Themenkomplexe nicht wirklich verbinden wollen, und wenn gegen Schluß Martins verlorenes "Ei" in einer Art Caper-Movie zurückerobert werden soll, gehen bei der damit verbundenen Action die Emotionen etwas verloren.

Auch die Art von Humor, bei der sich etwa eine Currysauce für wenig geeignet bei einer spontanen Analuntersuchung erweist, wird nicht jedermanns Geschmack sein. Und die hochkarätige Besetzung mit Julia Hummer (Die innere Sicherheit), Alexander Beyer (Good Bye, Lenin!) oder Janek Rieke (Härtetest), oder gar die vielzähligen Gastauftritte von kleineren deutschen Filmgrößen wie Andreas Schmidt (plus minus null, Pigs don't fly) oder Leander Haußmann (Regisseur von Sonnenallee und Herr Lehmann) können dem Film auch keine rechte Relevanz verleihen - es bleibt ein skurriles Experiment mit Bedeutung vor allem für den Auteur Robert Schwentke - aber nur für geringe Teile des Publikums, weil Humor, Spannung und Menschlichkeit allesamt nicht ganz ausgereizt werden. Ungeachtete dieses Urteils ist es trotzdem schade, daß ein solch persönlicher Film hinter einem eher gestreamlineten "Produkt" wie Tattoo zurückfällt, eben weil Schwentke hier Risiken eingeht.