Francis Ford Coppolas Tochter Sofia wurde 1971 geboren und hatte laut
www.imdb.com ihren ersten Filmauftritt (ohne Credit) 1972 in
The Godfather als „Michael Francis Rizzi“. Weitere Winzrollen in
The Godfather, Part II, The Outsiders, Rumble Fish, The Cotton Club und
Peggy Sue got Married folgten.
1989 schrieb sie dann das Buch zu Papis Episode in New York Stories, doch „Life without Zoe“ fiel bei der Kritik bösartig durch, und nicht wenige schoben die Schuld auf das Buch der kaum Volljährigen. Als sie dann auch noch 1990 kurzfristig für die erkrankte Winona Ryder in The Godfather, Part III einsprang (eine doch schon sehr viel größere Rolle), zerfetzte sie die Kritikermeute in der Luft, und nicht einmal völlig ohne Grund.
1998 drehte sie dann den mir leider nicht bekannten Kurzfilm Lick the Star und ließ 1999 ihr Langfilm-Regiedebüt folgen, den auch von ihr adaptierten The Virgin Suicides nach dem ersten Roman des gerade mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Jeffrey Eugenides. Und endlich waren Zuschauer und Kritiker gleichermaßen begeistert.
Nun folgt ihr zweiter Film, Lost in Translation, die Geschichte einer jungen Frau (Scarlett Johannson, bekannt aus Ghost World oder The Man who wasn’t there), die seit zwei Jahren verheiratet ist, und ihren Mann, einen erfolgreichen Fotografen, nach Tokyo begleitet. Wo sie sich nun meistens im Luxushotel „Park Hyatt Tokyo“ langweilt und nachts nicht einschlafen kann.
Soweit klingt alles stark autobiographisch, Ms. Coppola musste in ihrem Leben auch schon viel Zeit in Hotels verbringen, was sie auch schon in „Life without Zoe“ verarbeitete.
Der Film wurde aber dem anderen Hauptdarsteller, Bill Murray, auf den Leib geschrieben. Nun haben wir es deshalb aber nicht mit einer Komödie vom Schlage Ghostbusters oder Groundhog Day zu tun, denn Ms. Coppola fühlte sich insbesondere von Murrays etwas ernsterer Rolle in Wes Andersons Rushmore inspiriert.
Bob Harris, ein erfolgreicher Schauspieler, ist für Werbeaufnahmen (eine japanische Whiskey-Marke) in Tokyo, was eine lukrative, aber frustrierende Aufgabe ist. Seine Dolmetscherin lässt es so erscheinen, als bräuchte man in der japanischen Sprache etwa fünfmal soviel Zeit, um einen Sachverhalt zu erklären, woraus sich auch der Titel Lost in Translation erklärt. (Die deutsche Synchronfassung scheint extrem gelungen, dennoch wüsste ich gern, was „Lupf dem Schlumpf“ im Original heißt oder ob die deutschen Sauna-Besucher im Original auch denselben Dialekt haben).
Nach 25 Jahren sind die Eheleute Harris zu Experten für Telekommunikation geworden. Telefonate über die Datumsgrenze, Faxe um 4 Uhr nachts, um wegen der Wohnungseinrichtung nachzufragen, oder auch mal ein Eilpaket mit Teppichmustern - von Leidenschaft oder Romantik ist nicht mehr viel zu spüren.
Nach nur zwei Jahren Ehe stellt sich bei Charlotte eine ähnliche Resignation ein. Ihr Mann (Giovanni Ribisi, der in The Virgin Suicides schon den Erzähler gab) ist immer auf dem Sprung, muß sich mit kreuzblöden (aber einflußreichen) Sternchen treffen, und fällt nachts meist nur noch ins Koma.
Da treffen sich Charlotte und Bob, und stellen fest, daß sie trotz des extremen Altersunterschied und ganz unterschiedlicher Rollen in ihrem Leben viel gemeinsam haben. Gemeinsam erkunden sie Tokyo, haben skurrile Restaurant-Erfahrungen und Karaoke-Sessions, die schon mal die ganze Nacht durchgehen.
Laut Sofia Coppola ist die Beziehung der beiden „pretty un-sexual“, „innocent and romantic - and a friendship“, aber die Zuschauer haben mit ihrer Interpretation natürlich das letzte Wort, und meines Erachtens knistert es bei Lost in Translation mindestens so sehr wie bei einem nur entfernt vergleichbaren Film wie Before Sunrise.
In der ersten Hälfte des Films überwiegt aber vor allem die Komik. Bill Murray gibt eine der grandiosesten Performances seiner Karriere, aber oft mit einem melancholischen Unterton - und sehr viel Understatement. Die Reklame-Dreharbeiten, Episoden mit Frauen, selbst eine stumme Fahrt in einem Fahrstuhl oder das Sitzen in einem Wartezimmer macht Murray zu einer Kunstform.
Seine Partnerin Johansson steht ihm dabei in nichts nach. Zwar hat sie nicht soviele Pointen, aber zum ersten Mal darf sie eine junge Frau in den Zwanzigern (und nicht nur ein Mädchen wie in The Horse Whisperer) spielen - und wurde dafür auch prompt bei den 60. Filmfestspielen in Venedig mit dem „Premio Controcorrente“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet.
Die beiden ergänzen sich perfekt, durchleben zwei verwandte Krisen (Midlife-Crisis bzw. „Was fange ich nur mit meinem Leben an?“) und finden sich in einer Stadt und Kultur, die wie ein Abenteuer erscheint, auf das man sich aber erstmal einlassen muß. Und dies am besten zu zweit …
Doch zurück zur jungen Regisseurin. Zwei der gelungensten Komponenten aus ihrem Debüt finden sich auch hier wieder. Zum einen ist da ihre visuelle Experimentierfreudigkeit. In The Virgin Suicides ließ sie eine Vorstadt erscheinen wie aus einem Poesie-Album entnommen - und machte uns dann langsam klar, daß es die Hölle ist, hier zu leben. In Lost in Translation erliegt sie zwar auch oft dem Reiz des „nice-shot-syndrome“, gemeinsam mit Kameramann Lance Acord (aus der Talent-Schmiede um Spike Jonze) zeigt sie uns aber ein Tokyo wie aus Urlaubs-Schnappschüssen und nicht von Hochglanz-Postkarten. Mit einem kleinen Team und nicht dem üblichen amerikanischen Truck voller Scheinwerfer fängt sie Momente wie einen verregneten Morgen oder den fast verlassenen Bahnhof in Kyoto ein, die zwar noch weit von Yasujiro Ozu entfernt sind - aber auch genausoweit vom üblichen amerikanischen Mainstreamkino, wie man es etwa beim bonbonfarbenen Wien in Before Sunrise ertragen musste.
Der andere große Pluspunkt für Ms. Coppola ist ihr Musikeinsatz. In The Virgin Suicides wurde sie von der französischen Pop-Combo Air begleitet. Diesmal ist auch wieder Brian Reitzell (der manchmal bei Air trommelt) für die Musik zuständig (vor allem für den japanischen Traum-Pop-Teil und einen mal wieder wunderschönen Air-Titel), aber unterstützt wird er noch von Kevin Shields von „My Bloody Valentine“, und Songs von Peaches oder „The Jesus and Mary Chain“ (“Just like Honey“) fangen die Emotionen des Films dergestalt fantastisch ein, daß ich zum ersten Mal seit 4 Jahren unbedingt einen Soundtrack haben will - Auch wenn Bill Murrays Karaoke-Version von „More than this“ (Roxy Music) wahrscheinlich gar nicht drauf ist.
Man könnte noch lange über diesen Film schwärmen (oder auch den einen oder anderen Kritikpunkt anbringen), aber ich will nur noch schnell meinen Gedanken vom Beginn zu Ende führen. Irgendwann im Film hört man mal Bill Murrays kleine Filmtochter am Telefon. Sie heißt Zoe. So wie in „Life without Zoe“ oder auch bei Coppolas Produktionsfirma „American Zoetrope“. Dem Nachspann konnte ich es nicht entnehmen, aber es würde mich nicht wundern, wenn diese zwei Sätze von einer Enkelin Coppolas gesprochen wurden … und wer weiß, was für Filme diese in dreißig Jahren drehen wird …