Ziemlich genau ein halbes Jahr hat es gedauert, bis nun mit
Kill Bill Vol. 2 der vielgerühmte fünfte Film Quentin Tarantinos auch für die Zuschauer vollendet wird.
Hält die zweite Hälfte des Films, was die erste verspricht? Und was hatte die eigentlich versprochen?
Vol. 1 war allenfalls die Ouvertüre, wie auch die erste Hälfte von Vol. 2 uns nur auf den Endkampf zwischen der "Braut" und Bill vorbereitet. Wer im ersten Teil dachte, Uma Thurman wäre nicht zu stoppen, und sie wird auch im zweiten Teil ihren Racheplan wie eine Einkaufsliste Stück für Stück abhaken, hat offensichtlich kein Vertrauen in Tarantino, der mal wieder damit beschäftigt ist, die Erwartungen des Zuschauers geschickt zu hintergehen. Da wäre etwa Budd, der Bruder von Bill. Dargestellt von Michael Madsen, dem schlimmsten aller Bösewichte aus Tarantino-Filmen (Stuck in the Middle with you …), erweist sich diese Figur als ein alkoholabhängiger Rausschmeißer in einem Spriptease-Laden, der sogar sein unbezahlbares Hanzo-Schwert verscheuert hat und nun die verstopfte Damentoilette saubermachen darf. Wenn Uma Thurman hochkonzentriert und tödlich unter dem Wohnwagen dieses Verlierertypen auf ihre Chance wartet, will man ihr am liebsten zurufen, daß sie sich um den keine Sorgen zu machen braucht - Durch solche Finten bringt Tarantino den Zuschauer wieder auf Trab, einiges in Vol. 2 verläuft nicht annähernd so, wie wir es vermutet haben, und das ist gut so.
Auch gut ist, daß der Film mehr vom witzigen Charisma hat, für das Tarantino so bekannt ist. Ein Monolog über Superman‘s Kostüm ist hier die logische Fortführung der Diskussion über Madonna-Videos in Reservoir Dogs oder die besondere Bedeutung einer Fußmassage in Pulp Fiction.
Wenn man versucht, die zwei Teile von Kill Bill mental zusammenzuführen (oder auch beide Filme hintereinander sieht), wird einiges an Struktur offensichtlich. Das erste und das letzte Duell (bzw. sogar die letzten beiden …) des Gesamtfilms sind sich sehr ähnlich, die Doppelrollen von Gordon Liu und Michael Parks verstärken noch diesen Spiegeleffekt, und der sich zunächst aufdrängende Unterschied zwischen übertriebener Action in Vol. 1 und ausgefeilter Charakterisierung in Vol. 2 wird etwas überbewertet. Sicher, David Carradine alias Bill sieht man in Vol. 1 höchstens mal verschwommen und in Vol. 2 erweist er sich als der diskussionsfreudige Gegenpart der "Braut". Doch auch bei einem Vierstundenfilm wäre dies nicht anders gewesen.
Man könnte den Eindruck bekommen, daß Tarantino im ersten Teil etwas zu sehr auftrumpfte und der zweite Teil vergleichsweise unaufgeregt und langsam daher kommt, aber spätestens beim Zusammentreffen der beiden Gegenspieler (und dem unvermeidlichen ersten Auftritt der geheimnisumwitterten Tochter der "Braut") kommt eine Spannung auf, die Kill Bill im ersten Teil nie erreichte (An der Stelle ist man dann auch für die vorherige Verschaufpause dankbar): Während Bill mit einem psychomäßigen Messer ein Erdnusbutter-Sandwich kredenzt und die "Braut" erstmal ihre Tochter B. B. (jede Menge Bs: Bill, Braut, Beatrix …) begutachtet, erreicht Tarantino einen Suspense, den er dann (ganz ausgekochtes Schlitzohr) nicht wieder auflöst. Und durch die letzten 30-40 Minuten (den überlangen Doppel-Nachspann nicht mitgerechnet) rettet Tarantino den Film auch, der einen mitunter mit allzu überzogenen Klischees, schlampigen Anschlußfehlern und einer gewissen Aufdringlichkeit nicht annähernd so in den Bann zieht wie der comichafte Vol. 1 zuvor. Nicht nur beim Soundtrack bezieht sich Tarantino andauernd auf Sergio Leone, der Kampf zwischen Uma Thurman, Michael Madsen und Daryl Hannah hätte auch einen eigenen Film mit einem Titel wie "The Drunk, the One-Eyed and the Beautiful" abgegeben. Doch neben der übermäßigen Referenz an den Spaghetti-Western gibt es auch einen kleinen Abstecher ins Zombie-Genre ("The Lonely Grave of Paula Shultz"), zumindest einen größtenteils befriedigenden Ausflug zurück in asiatische Gefilde ("The Cruel Tutelage of Pai Mei") und jede Menge Schwarz-weiß-Material oder sogar einen ähnlich wie bei Brother Bear eingeführten Wechsel im Format. Nur schade, daß einiges davon so beliebig erscheint wie seinerzeit in Natural Born Killers, der Genre- und Material-Mix funktioniert vielleicht doch nicht stundenlang …
Wenn Uma Thurman zusammen mit ihrer Tochter als Gute Nacht-Video Shogun Assassin schaut, wird bei einem Vergleich mit der Fernsehszene aus Jackie Brown ("Chicks who love Guns") klar, daß sich diesmal nicht im, sondern vor dem Fernseher die absurdesten Dinge ereignen. Während sich schon durch wenige Dialogfetzen die Handlung des Films offenbart (die mir wegen der Manga-Vorlage Lone Wolf and Cub bekannte Geschichte eines in Ungnade gefallenen Samurai, der sich zusammen mit seinem fünfjährigen Sohn gegen allerlei Gefahren durchsetzen muß), taucht das absurd rot-grün-weiß pulsierende Fernsehlicht die weibliche Version jener gefährdeten und gefährlichen Kleinfamilie in ein unentrinnbares Netz der Pulp Fiction, es fällt einem schwer, diese mehrfach durch den Fleischwolf der Postmodernität gejagte Geschichte noch ernstzunehmen. Ob dies Tarantinos Absicht war, bleibt zu bezweifeln, aber solang sein nächster Film wieder etwas ernsthafter wird, sei ihm einiges gestattet. Sogar Einstellungen aus einer Toilettenschüssel heraus oder jenes Hochzeits-Massaker, das dann doch gar keines ist.