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Mai 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

East Side - West Side. Schätze aus dem Filmarchiv des MoMA
MoMA-Loga

9. Mai bis 5. Juni 2004

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East Side - West Side
Schätze aus dem Filmarchiv des MoMA



"Das MoMA in Berlin" - selten hat man eine Ausstellung erlebt, die mehr Aufsehen erregte und längere Warteschlangen nach sich zog. Etwa zur Mitte der Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie gibt es unweit davon im Kino Arsenal eine Filmreihe mit weiteren Schätzen aus der New Yorker Sammlung des Museum of Modern Art.

Aus den 21 Vorführungen mit 61 Filmen will ich vor allem den titelgebenden Eröffnungsfilm der Reihe vorstellen - und einige besondere Highlights empfehlen.

Eröffnung der Reihe am Sonntag, den 9. Mai, 19 Uhr, in Anwesenheit der Direktorin des "Department of Film and Media" des MoMA, Mary Lea Brandy. Beide Filme werden von Eunice Martins am Klavier begleitet.

A Bronx Morning (Jay Leyda, 1931) bringt das Prinzip von Walter Ruttmanns Symphonie der Großstadt in 11 Minuten auf den Punkt und kann neben seiner Kraft, vergangene Zeiten wieder heraufzubeschwören, vor allem durch den präzisen Schnittrhythmus faszinieren.



East Side, West Side (Allan Dwan, 1927)
East Side, West Side (Allan Dwan, 1927)

East Side, West Side (Allan Dwan, 1927) beweist, daß man selbst in einer doch eher schablonenartig konstruierten Liebes- und Abenteuergeschichte unzählige Momente wahrer Filmkunst entdecken kann. Da wären zum Beispiel die detailfreudige Inszenierung der Stadt New York, die aus heutiger Sicht unübersehbare Queer-Lesart des Films oder die spektakulären Miniaturaufnahmen zu nennen, mit denen nicht nur ein, sondern gleich zwei Schiffsunglücke zu zentralen Stellen der Erzählung werden (das zweite Unglück ist offensichtlich vom Untergang der Titanic inspiriert).

Gerade Filmwissenschaftler dürften sich an den kleinen Momenten des Films erfreuen. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende John Breen (George O'Brien) will nicht wie seine Mutter und der Stiefvater auf einem Ziegeltransportschiff enden, sondern er strebt danach, in der Stadt vielleicht ein erfolgreicher Architekt zu werden. Durch einen simplen leicht überblendeten Match-Cut von einem in der Hand gehaltenen Ziegelstein zu einem ähnlich rechteckigen Wolkenkratzer wird hier in Sekundenbruchteilen soviel klar wie später bei den in der Filmgeschichte unumstrittenen ähnlichen Geistesblitzen von Powell/Pressburger (A Canterbury Tale), Hitchcock (Psycho) oder Kubrick (2001). So etwas zu entdecken, ist ein erhebender Moment - aber auch verspieltere Details des Films wie der k. o.-geschlagene Boxer, der im Geiste Elfen durch den Wald tanzen zu hören glaubt, gehören zu den Stärken dieses Films, der trotz seiner eher naiven Handlung zu verzaubern weiß.



Sous les toits de Paris (René Clair, 1930)
Sous les toits de Paris (René Clair, 1930)

Am Montag, den 10. Mai, 21.00 Uhr:

Neben dem frühen Chaplin-Film Easy Street (1917, 19 min, am Klavier begleitet von Eunice Martins) kann man mit René Clairs Sous les toits de Paris (1930, 95 Min., Vorsicht: französischsprachiges Original!) einen frühen Tonfilm betrachten, der das neue Medium bereits ähnlich fulminant ausnutzt wie Fritz Lang in seinem M - Eine Stadt sucht einen Mörder. Die Filme stammen aus dem allerersten Filmprogramm der MoMA, wer sich in der Filmgeschichte auskennt, weiß auch von der Verbindung zwischen Clair und Chaplin - ohne À nous la liberté (1932) wäre der doch sehr "beeinflußte" Modern Times (1936) wohl nicht entstanden.



Orphans of the Storm (D. W. Griffith, 1922)
Orphans of the Storm (D. W. Griffith, 1922)

Am Donnerstag, den 13. Mai, 19.00 Uhr und
am Samstag, den 15. Mai, 21.00 Uhr:

Von D. W. Griffith sieht man immer wieder dieselben drei Langfilme: The Birth of a Nation (1915), Intolerance (1916) und Broken Blossoms (1919). Allesamt auf ihre Art Meisterwerke, doch nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Schaffen jenes frühen Meisters der Filmsprache. Mit Orphans of the Storm (1922, 142 min, am Klavier begleitet von Eunice Martins) wird hier ein weiterer, späterer Film von Griffith präsentiert, der neben der aus Broken Blossoms oder Charles Laughtons The Night of the Hunter vielleicht auch noch heutigen Kinobesuchern bekannten Lillian Gish deren Schwester Dorothy in Hauptrollen besetzt. Zwei Waisenmädchen schlagen sich durch das Paris der französischen Revolution.

Am Dienstag, den 18. Mai, 19 Uhr:

Das Animationsprogramm der Filmreihe hat es in sich. Während der Micky Maus-Klassiker Steamboat Willie zusammen mit einem John Ford-Film gezeigt wird, gibt es an diesem Abend zunächst Little Nemo (1911) und Gertie the Dinosaur (1914) von Comicpionier Windsor McKay, und danach die von Dave Fleischer inszenierten Popeye the Sailor meets Ali Baba's Forty Thieves (1937) und Mr. Bug goes to Town (1941). Die Fleischer-Brüder Max und Dave waren in den 30ern in Sachen Popularität die einzige ernstzunehmende Konkurrenz für Disney. Als Antwort auf Disneys Erfolg mit abendfüllenden Zeichentrickfilmen setzten die Fleischer erst Gulliver's Travels und dann Mr. Bug (in Europa als Hoppity goes to Town gestartet) entgegen - doch insbesondere der von Insekten bevölkerte Mr. Bug floppte miserabel - was man bei Begutachtung des Films nicht wirklich verstehen mag …



Big Business (James W. Horne, Leo McCarey, 1929)
Big Business (James W. Horne, Leo McCarey, 1929)

Am Sonntag, den 23. Mai, 19 Uhr:

Der wohl bekannteste Film des extravaganten Regisseurs King Vidor ist Duel in the Sun (1947), oft auch als Lust in the Dust auf den Punkt gebracht. Jennifer Jones, die seinerzeit wohl schärfste Frau Amerikas, findet sich in diesem Westen-Melodram zwischen den ungleichen Brüdern Gregory Peck und Joseph Cotten hin- und hergerissen, das tragische Finale dieses an Aufwendigkeit mit Gone with the Wind mithaltenden Dreieck der Leidenschaften hat Martin Scorsese in seiner Jugendzeit stark geprägt.

Am Mittwoch, den 26. Mai, 19 Uhr:

Eine besonders gelungene Filmzusammenstellung stammt von MoMA-Kuratorin Eileen Bowser: Zunächst können wir in Big Business (James W. Horne, Leo McCarey, 1929, 20 Min., am Klavier begleitet von Eunice Martins) miterleben, wie Laurel & Hardy im hochsommerlichen Florida versuchen, Weihnachtsbäume zu verkaufen. Dabei treffen sie natürlich auf ihren liebsten Gegenspieler James Finlayson, und aus dem anfänglichen tit for tat wird sehr schnell ein hervorragend getimeter Kleinkrieg der Zerstörungswut. Mit Ernst Lubitschs Trouble in Paradise (1932) wird danach ein ungleich subtilerer Humor kultiviert. Hohe Filmkunst, die auch noch Spaß macht!



The Big Sky (Howard Hawks, 1952)
The Big Sky (Howard Hawks, 1952)

Am Dienstag, den 1. Juni:

Nach dem zweiminütigen Garden of Earthly Delights (1981) von Experimentalfilmer Stan Brakhage gibt es ein besonderes Filmjuwel: Eine restaurierte und auf 138 Min. wiederhergestellte Fassung von Meisterregisseur Howard Hawks' The Big Sky (1952). Die deutsche Version dieses Abenteuerfilms mit Kirk Douglas war unter dem Titel Das Geheimnis der Indianerin sogar auf 95 Min. zusammengestutzt. Keinesfalls verpassen!

Andere Filme von William Dieterle, Sergej M. Eisenstein, John Ford, Jean-Luc Godard, Alfred Hitchcock, Elia Kazan, Buster Keaton, Sidney Lumet, Fred C. Newmeyer, Edwin S. Porter oder Donald Richie sind auch noch im Programm der Reihe zu finden …