Jonathan Hensleigh, Drehbuchautor solcher Spektakel wie The Rock, Con Air, Armageddon oder Gone in 60 Seconds, besinnt sich in seinem Regiedebüt auf Action-Klassiker der 70er von Regisseuren von Don Siegel oder Sam Peckinpah, die noch ohne CGI-Effekte und übermenschlich erscheinende Figuren auskamen.
Der Selbstjustiz-Comic The Punisher stammt ursprünglich auch aus jener Zeit zwischen Dirty Harry (1971) und Death Wish (1974, dt.: Ein Mann sieht rot). Die Figur wurde erstmals 1974 in Amazing Spiderman eingeführt, brachte es um 1990 (im Fahrwasser der Popularität von The Dark Knight und Rorschach) zum Höhepunkt seines Erfolges (drei monatliche Serien, darunter das besonders zwiespältige Punisher War Journal), verschwand dann erstmal von der Bildfläche und wurde vom bewährten Hellblazer und Preacher-Gespann Garth Ennis/Steve Dillon dann wiederbelebt - in Zeiten, in denen Rache in den USA besonders populär scheint, war der Punisher wieder ein Bestseller.
Auch ohne Hinweis in den Credits ist die Punisher-Verfilmung sehr nah am ersten aus zwölf Heften bestehenden Run von Ennis/Dillon "inspiriert". Hensleigh übernimmt unzählige Nebenfiguren wie die drei Nachbarn Joan, (Specker) Dave und Mr. Bumpo (allesamt aber weniger überzeichnet und menschlich wärmer als im Comic) oder Bösewichte wie "The Russian", schreibt aber die Origin des Punishers gewaltig um, um Star-Bösewicht John Travolta noch böser zu machen. Statt eines doch eher stark bei Batman gestohlenen, eher "zufälligen" Todes bei einem Picknick im Central Park wird Frank Castles Familie im Film ganz gezielt ausradiert, nachdem Gangsterchef Howard Saint von der Rolle des FBI-Undercover-Agenten Castle bei jenem Polizeieinsatz erfuhr, bei dem Saints jüngster Sohn Bobby ums Leben kam - woran jener aber eigentlich selbst Schuld hatte.
Das Castle-Familientreffen, das zu einem Massaker wird, das einzig Frank (gerade mal so) überlebt, ist bereits parallel geschnitten zur Beerdigung Bobbys, der Showdown des Films zeigt dann den Punisher ähnlich erbarmungslos wie die Auftragskiller, wie er ein Gangster-"Familientreffen" in ein Inferno verwandelt, aus dem einen zynisch das Symbol der Figur, ein Totenschädel, entgegengrinst.
Das mittlere Drittel des Films ist verglichen mit diesen menschenverachtenden Metzeleien, die am liebsten noch "frei ab 16" durchkommen sollen, durchaus unterhaltsam - wahrscheinlich auch dadurch, daß es fast durchgehend nach der Ennis-Vorlage entstand. Castles Nachbarn zeigen ihm, daß auch ein Leben ohne Rache möglich wäre, und eine weitere Parallelmontage zwischen dem tödlichen Kampf Castle / The Russian und einer übermütigen Tanzeinlage zu den Klängen von Puccinis La donna è mobile ist definitiv der Höhepunkt des Films, der Action der alten Schule mit einem zynischen, aber erfrischenden Humor verbindet. Auch der kurze Auftritt eines gewissen Henry Heck, des "Johnny Cash unter den Auftragskillern", gehört zu den Stärken des Films, bis Frank Castle als Figur dann ganz in den Rachegelüsten des Punisher untergeht und er beim Kampf gegen den Abschaum der Unterwelt auch keinen gesteigerten Wert mehr auf western-ähnliche Showdowns legt, sondern einfach hinterrücks meuchelt und per gezielten Sprengstoff-Einsatz etwa soviel Zerstörung mit sich bringt wie die versammelten Gangster aus Die Hard zusammen.
Schade eigentlich, denn als hinterlistiger Taktiker, der seinem Gegenspieler Travolta weismacht, seine Frau betrüge ihn mit dem besten Freund, ist Castle zwar genauso pervers, aber definitiv unterhaltsamer. Nachdem sich Travolta aus eigener Kraft vom Saint zum Sinner macht, und der Film mit unterschwelliger Homophobie und Abneigung gegen die Besucher lateinamerikanischer Filmfestivals (gibt es in Tampa jeden Donnerstag) auch Travolta die Möglichkeit zu einigen an Zynismus kaum zu überbietenden Sätzen gibt, ist es auch um den Film The Punisher längst geschehen - er hat sich selbst verdammt.
Ebenfalls verdammenswert finde ich übrigens folgenden Satz aus dem Presseheft: "Comic-Fans wird es freuen, dass The Russian von dem professionellen Wrestler Kevin Nash zum [ …] Leben erweckt wird."
Hallo? McFly? Einer zu Hause? Was zum Teufel verbindet Comic-Leser mit Wrestling-Fans? Falls man hier zwei doch recht unterschiedlichen Gruppierungen von Menschen eine gewisse fehlende Intelligenz unterstellen will, beweist man damit nur die Dummdreistigkeit des Autoren jener Zeilen, der wahrscheinlich auch davon ausgeht, daß zwischen Kinobesuchern und Kinderschändern ein Zusammenhang besteht.
Und ein wichtiger Hinweis noch für Leute, die wie ich bei den Stabangaben einen echten Schock erlebten: Conrad W. Hall ist nicht der im letzten Jahr verstorbene hochtalentierte Kameramann, der uns In Cold Blood, Butch Cassidy and the Sundance Kid oder The Marathon Man und zuletzt American Beauty und Road to Perdition bescherte (das ist Conrad L. Hall!), sondern nur dessen Sohn, der zwar schon bei American Beauty mitarbeiten durfte, aber bisher in seiner Filmographie als "Director of Photography" nur zwei frühere Filme anführen kann - darunter das auch kameratechnische Fiasko Panic Room. Für einen Moment hatte ich wirklich gedacht, einer meiner Helden aus den Siebzigern hätte sich für diesen Schmarrn "verkauft".