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Die erste Sequenz von Vater und Sohn erinnert an die ersten Einstellungen von Roman Polanskis Chinatown: Auch hier interpretiert der Zuschauer Bild und Ton zunächst sexuell, ist Zeuge eines Liebesaktes unter Männern, bis sich dann herausstellt, daß nur der Vater den durch einen Alptraum erregten Sohn beruhigen will. Regisseur Sokurow wies den "Vorwurf" der Homoerotik in Cannes weit von sich. Auch, wenn in Vater und Sohn dauernd gutgebaute junge Männer miteinander balgen und Frauen nur am Rande auftauchen, sieht es Sokurow als Zeichen "westlicher Dekadenz", wenn man in diese Vaterliebe etwas Sexuelles hineininterpretiert. Dieses Prozedere erinnert ein wenig an die "Rechtfertigungen" Romuald Karmakars, als das Berlinale-Publikum seinen Die Nacht singt ihre Lieder allenfalls witzig fand - als Regisseur ist man schon gestraft, wenn das Publikum nicht die nötige Reife hat. Als Zuschauer ist man aber ebenso gestraft, wenn der Regisseur seine inszenatorischen Mittel nicht einzusetzen weiß, und er sich später darüber wundern, wenn das Publikum Dinge im Film entdeckt, die weder beabsichtigt noch vorhergesehen waren. Ich persönlich glaube weder Karmakar noch Sokurow, daß diese Publikumsreaktionen eine völlige Überraschung waren. Im Falle Sokurow kommt noch dazu (und hier weiche ich von der Meinung vieler Kritiker ab, die in dem Film ein Meisterwerk sehen), daß der Film durch die homoerotische Interpretation nicht einmal gerettet werden kann, wie es bei Karmakars unfreiwilliger Komödie der Fall war. Das Thema der Vaterliebe, die durch das Erwachsenwerden des Sohnes auf eine Prüfung gestellt wird, mag Sokurow persönlich wichtig sein, für mich war der Film vor allem eine krude Mischung aus Elementen von Patrice Chéreaus Son frère (die intensive Männerfreundschaft unter Blutsverwandten) und Kieslowskis La double vie de Veronique (insbesondere die gelbstichigen Bilder der Stadt und die eher kafkaeske Handlung), wobei allerdings die vermeintlichen Vorbilder zu jedem Zeitpunkt mehr Intensität und Relevanz besitzen als Sokurows selbstverliebter Kunstfilm. Selbst die schönste Idee des Films, eine zweifache Traumsequenz, die sich subtil mit der Realität vermischt, verpufft in der Stagnation des Films. Das Auftauchen einer portugiesischen Straßenbahn (die Filmwelt vermischt die Drehorte Lissabon und St. Petersburg), seltsame Kampfesrituale auf zwischen Dächern aufgestellten Planken und der allzu künstlich wirkende Wintereinbruch (natürlich auch symbolisch zu sehen!) ließen mich allesamt kalt bis gelangweilt, die manchmal hanebüchenen / sinn-strotzenden Dialoge konnten nicht einmal ein unfreiwilliges Gelächter evozieren, und die Konzentration auf bearbeitete Tschaikowski-Musik wirkt auch schnell ermüdend. Vater und Sohn ist durchweg einfach uninteressant, wenn man nicht mit jemandem über den Film diskutieren kann, der ihn verteidigt und womöglich etwas verstanden hat, was für mich im Verborgenen bleibt, wie es halt bei solch "lyrischen" Filmen passieren kann. |
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