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Oktober 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
Wir waren niemals hierWenn der Vorspann mit einem leisen Dröhnen und einem vinylmäßigen Knistern beginnt, so ist dies bereits ein dräuendes Versprechen, das nicht eingehalten wird, denn im Gegensatz zu einigen Konzerten der Band Mutter wird bei diesem Dokumentarfilm wohl kaum jemand das Kino verlassen, weil er mit der schieren Lautstärke und Intensität nicht klarkommt. Die Brachialgewalt, für die „die lauteste Band Deutschlands“ mitunter bekannt ist, wurde zu Gunsten des nicht initiierten Publikums vermindert abgemischt, wodurch sich aber auch beim ersten Hören einiger legendärer Mutter-Songs ganz die melodische Intensität entfalten kann. In diversen Interviews rekonstruiert Regisseurin Antonia Ganz die Geschichte der Band, wobei in den schönsten Momenten des Films der Narrativ sich wie ein Staffellauf entwickelt: Eine Person beginnt einen Satz, eine zweite führt ihn fort, bevor eine dritte ihn vollendet. Dieser Tick-Trick-Track-Effekt ist aber keineswegs Kalkül eines vorgefütterten Drehbuchs, sondern der Beweis, wie sehr die Band in zwei Jahrzehnten zusammengewachsen ist. Abgesehen von einigen Kabbeleien im Tourbus scheint die Band auch auf die Präsenz der Kamera irgendwann nicht mehr zu reagieren. So professionell-routiniert, wie sie ihr Set herunterspielen (der Vergleich mit den Rolling Stones ist vielleicht etwas übertrieben), so erscheint die Band vor der Kamera, einzig bei den Interviews wird dieser Nicht-Effekt abgelöst von einer Offenheit, die zu den Stärken der Dokumentation gehört. Die größte Stärke des Films ist aber (insbesondere für Zuschauer, die noch nicht zu den Fans der Band gehören) der Unterhaltungswert. Natürlich werden die Superlative und Rekorde der Bandgeschichte vorgeführt: die schlechtest verkaufte Spex aller Zeiten (mit Mutter auf dem Titelblatt), das 48-Stunden-Konzert der Vorgängerband Campingsex, eine zweistündige Coverversion von John Lennons Imagine, Florian Koerner von Gustorfs Titelrolle in Jörg Buttgereits Serienmörder-Film Schramm und die Verleihung seines Bundesfilmpreises (als Produzent von Die innere Sicherheit) und jede Menge Anekdoten aus der wildbewegten Vergangenheit. Wer hätte gedacht, daß Mutter auch mal Stummfilme live vertonte, und dabei nicht nur Klassiker von Fritz Lang (Der müde Tod) oder Buster Keaton (Go West), sondern auch Pornos aus den 1940ern? Wer kennt schon Jörg Buttgereits Story davon, wie er für den Albentitel Hauptsache Musik verantwortlich war? Wer will nicht wissen, wie Max Müllers Mutter reagierte, als sie im Zimmer ihres Buben ein Blatt fand, auf dem neben einem einzelnen „Hilf mir“ unzählige Male „Mutter“ geschrieben stand, in unterschiedlichsten Schrifttypen? Und wie war das mit dem Camembert im Bett und dem ratlosen Produzenten (“Die lassen sich nichts sagen --- Das ist hoffnungslos.“)? Selbst wenn man von Musik nur so viel versteht, daß man diese Band, die so ähnlich wie The Strokes klingt, als „Leatherjackets Motorcycle“ bezeichnet, ist Wir waren niemals hier eine Musikdokumentation, die auch ohne das geringste Vorwissen fast so amüsant ist wie The Devil and Daniel Johnston oder This is Spinal Tap. Und als Fan der Band hat man den Film eh längst gesehen … Tropical Malady
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Tong ist plötzlich verschwunden, die Bewohner des Dorfes, in dem er mit seiner Familie lebt, fürchten sich vor einem Monster, das in den vergangenen Nächten bereits drei Kühe verschleppt haben soll. Es beginnt ein neuer Film mit dem Titel „Der Pfad eines Geistes“, in dem Keng im Dschungel nach seinem Freund sucht, wobei sich schon recht schnell andeutet, daß Tong jenes „Monster“ ist, ein Mensch, der sich in einen Tiger verwandelt hat. Was sich zunächst wie eine alte Legende anhört, verschmilzt immer mehr mit der Narration des Films, „der Tiger versucht, in den Traum des Soldaten einzudringen“ und ich muß dabei an ein Bild von Jean Cocteau (“Schlaf in Hollywood“) denken, das den (homo-)erotischen Aspekt einer Verbindung zwischen Mann und Tiger schon 1953 zum Thema nahm. Irgendwo zwischen Jacques Tourneurs Cat People und Joseph Conrads Heart of Darkness pendelt sich der Film ein, der über seine Tonspur mit seltsamem Tiergeschrei und die vielen Nachtaufnahmen eine Atmosphäre aufbaut, die jener Tropenkrankheit, die sich im Titel findet, erstaunlich nahe ist. Offen für Interpretationen entfernt sich die zweite Hälfte dafür aber sehr weit von der zuvorigen herkömmlichen Narration, und vieles bleibt etwas unausgegoren oder rätselhaft. Eine der stärksten Szenen des Films wird beispielsweise gar nicht erklärt, obwohl sie sie sowohl zeitlich als auch thematisch im Mittelpunkt zu stehen scheint: Keng fährt mit dem Motorrad durch die Stadt und sieht dabei, wie vier Männer auf einen weiteren, am Boden liegenden eintreten. Aus der subjektiven Sicht des Motorradfahrers lassen die Männer dann sogar von ihrem Opfer ab und werfen dem Motorradfahrer Flaschen hinterher. Werden hier doch mal kurz Repressalien gegen Homosexuelle angedeutet, oder ist dies nur eine Parallelhandlung zum Geschehen im Dschungel, die die vom Regisseur beabsichtigte Nähe zwischen Stadt und Dschungel verdeutlichen soll, die urbanen Jäger der Nacht? Wer sich solche Fragen stellt, wird an Tropical Malady sein fieberhaftes Vergnügen haben, wer eine nachvollziehbare Handlung verlangt, wird den Film einfach nur etwas krank finden …
In der zweiten Staffel der „Delicatessen“ laufen neben vielfältigen Dokumentarfilmen aus Deutschland (z. B. Am seidenen Faden, Horst Buchholz … mein Papa, Durchfahrtsland) Filme aus China (Yan Mo - Vor der Flut), Montenegro (Shutka - Stadt der Roma), Belarus (89 Millimeter) oder „Pommerland“. Wer die komplette Liste der Filme und der teilnehmenden Kinos sehen will, wird unter www.delicatessen.org fündig, hier nachfolgend stellvertretend nur aus jedem Bundesland jeweils ein Kino, in dem die aktuellen Filme garantiert in der Startwoche laufen:
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