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November 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Tim Burton's Corpse Bride
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Doch schon die Hochzeitsprobe wird ein Fiasko, weil Viktor sich die Eheschwüre nicht merken kann, ins Stottern kommt und schließlich sogar den Ehering fallen lässt. Der Pfarrer ist außer sich über soviel Inkompetenz und rät dem jungen Mann, ausgiebig zu üben, was Victor im Dämmerlicht in einem Wald nachholt, der nicht wenig an jenen Ort erinnert, der die Türen zum Weihnachts- und Osterland verbarg. Unbeobachtet kommen Victor die Sätze viel leichter von den Lippen, beschwingt streift er schließlich den Ring über einen knorrigen Ast, der sich aber dann als Hand der verstorbenen Emily erweist, die durch Victors fehlgeleitete Eheschwüre von einem Fluch befreit wurde und nun auf eine glückliche Ehe hofft, selbst wenn Victor zu den "Lebenden" gehört und einer anderen versprochen ist. Wie lautet doch das alte Sprichwort? "The Living - you can't live with them, you can't live without them …"
Aus dieser simplen Prämisse, die einem alten russischen Märchen entlehnt wurde, zaubert Tim Burton ein Grusical, bei dem auch kleine Kinozuschauer bestens unterhalten werden, auch wenn die Abenteuer im Land der Toten eigentlich noch eindeutiger als The Curse of the Wererabbit für Erwachsene gedacht sind.
Das Land der Toten erscheint übrigens verglichen mit der stumpfsinnig grauen Welt der Lebenden wie eine bunte Dauerparty, wodurch sich auch wieder der Kreis zu Henry Selick schließt, dessen wenig beachteter Realfilm Monkeybone den Betrachter auch schon in die Unterwelt brachte.
Ein großes Plus des Films ist die durchaus spannende Story, deren Ausgang überdurchschnittlich offen ist, denn spätestens wenn die Corpse Bride Emily Klavier spielt (so wie Victor zuvor an einem Modell der Marke "Harryhausen"), scheint selbst die Mischehe als Happy End möglich, und mit der Titelheldin hat man es wohl mit der attraktivsten weiblichen Leiche seit "Number Nine" in Land of the Dead zu tun. Wen schert es, wenn Emilys linker Arm ebenso wie das rechte Bein nur noch aus Knochen besteht, wenn man unter ihrer Brust ihre Rippen ebenso sehen kann wie den durch ein Loch in der Wange auszumachenden Kieferknochen? Die wie seinerzeit Jiminy Cricket als Gewissen fungierende Made, die in ihrem Kopf wohnt und hin und wieder ihr linkes Auge herausfallen lässt, ist vielleicht auch gewöhnungsbedürftig, aber ganz wie Sally in A Nightmare before Christmas versprüht sie einen Liebreiz, der einen nicht nur vergessen lässt, daß sie tot ist - sondern sogar, daß es sich hier nur um Puppen handelt - und wie vor kurzem bei Wallace & Gromit ist dies das schönste Kompliment, das man einem Animationsfilm althergebrachter Weise machen kann.
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