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Februar 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Entgleist
Derailed

USA 2005

Filmplakat

Regie:
Mikael Håfström

Buch:
Stuart Beattie

Lit. Vorlage:
James Siegel

Kamera:
Peter Biziou

Schnitt:
Peter Boyle

Musik:
Edward Shearmur

Darsteller:
Clive Owen (Charles Schine), Jennifer Aniston (Lucinda Harris), Vincent Cassel (LaRoche), Melissa George (Deanna Schine), Addison Timlin (Amy Schine), RZA (Winston Boyko), Xzibit (Dexter), Giancarlo Esposito (Detective Church)

Kinostart:
23. Februar 2006

Entgleist
Derailed

Durch den unter anderem für den Oscar als bester nicht-englischsprachiger nominierten Ondskan / Evil hat sich der schwedische Regisseur Mikael Håfström seinen Ausflug nach Hollywood verdient, schade nur, daß sein letzter schwedischer Film Strandvaskaren / The Drowning Ghost, der mal vom mittlerweile vom Erdboden verschwundenen Verleih Solo-Film aquiriert worden war, den Weg in die deutschen Kinos bisher nicht antreten durfte - vielleicht ändert sich dies nach dem zu erwartenden Erfolg von Derailed.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Das Drehbuch zu Derailed stammt von dem aus Australien stammenden Stuart Beattie, der uns zuletzt mit Collateral in Hochspannung versetzte. Die Tagline auf dem Plakat verheißt „They never saw it coming“ und ich gehöre zu den immens glücklichen Menschen, die bei diesem Film gar nichts kommen sahen, weil ich keinerlei Vorabinformationen hatte (was zu dem Zeitpunkt, wenn diese Kritik erscheint, bereits schlichtweg unmöglich ist). Ich habe nicht schon vorher den Trailer gesehen, ich wusste nichts von der Story, ich hatte sogar übersehen, daß auf dem Presseheft / Plakat bereits im Dunkel Vincent Cassel mit einer Wumme lauert.

Mir war es auch egal, worum es in dem Film geht, für mich war Mikael Håfström, dessen Karriere ich seit Leva livet / Days like these verfolge, Grund genug für freudige Erwartung (insbesondere gepaart mit Stuart Beattie und Clive Owen). Vielleicht habe ich irgendwann sogar mal gedacht, es ginge um ein Zugunglück …

In den ersten zwanzig Minuten des Films erlebt man mit, wie das Leben von Charles Schine (Clive Owen) langsam aus der Bahn gerät, seine Ehe scheinbar nur noch über die todkranke Tochter zusammengehalten wird und er auch noch einen wichtigen Auftrag in seiner Werbeagentur verliert. Dann lernt er in im Pendlerzug Lucinda Harris (Jennifer Aniston) kennen, eine attraktive Frau mit ähnlichem Lebensstandard und Beruf, deren Ehe sogar noch stärker auf dem Abstellgleis festsitzt. Es kommt, wie es (zumindest im Film) kommen muss: Er ruft sie an, sie essen zusammen, und es dauert nicht lange, da rufen beide bei ihren Ehepartnern an und entschuldigen sich, um gemeinsam in einem etwas heruntergekommenen Hotelzimmer zu landen.

Schon wegen Clive Owen musste ich an dieser Stelle an ein Beziehungsdrama wie Mike Nichols’ Closer denken, doch bevor die beiden ihren Ehebruch vollziehen können, platzt plötzlich ein Krimineller (Vincent Cassel) in die traute Zweisamkeit hinein, informiert die beiden nicht ohne Hohn, daß man in solch einem Hotel die Zimmertür absperren sollte, sammelt die Brieftaschen und Schmuckstücke ein und nimmt sich dann auch noch die Zeit, die nicht unansehnliche und bereits von mehreren Kleidungsstücken befreite Lucinda genauer in Augenschein zu nehmen. An dieser Stelle muss unser King Arthur natürlich intervenieren, doch gegen den ausgebufften Gangster hat er keine Chance, zusammengeschlagen, hilflos und fast besinnungslos muss er miterleben, wie sein Date mehrfach vergewaltigt wird (dem Zuschauer wird dies übrigens größtenteils erspart).

Da ich mich an dieser Stelle erinnerte, daß Vincent Cassel beim Vorspann als dritter genannt wurde, noch lange vor Frau und Tochter Schine, hatte ich nun zumindest eine gewisse Vorstellung, in welche Richtung der Film sich bewegen würde, doch abgesehen davon, daß Vincent Cassels Rolle noch weitaus gemeiner, hinterhältiger und intelligenter als Tom Cruises Killer „Vincent“ in Collateral geraten ist, will ich an dieser Stelle nicht mehr verraten.

Derailed ist eines der gelungensten Hollywood-Debüts eines eingeflogenen Regisseurs, an das ich mich erinnern kann, was aber sicher auch an dem hervorragenden Drehbuch und den durchweg überzeugenden Darstellern liegt. In einer Zeit, in der es zu den innovativsten Ideen Hollywoods zählt, ein Sequel zu Fatal Attraction zu drehen, kommt es nur ganz selten vor, daß man sich an den Godfather des Thrillers, Alfred Hitchcock, erinnert, der ja auch mal aus Europa eingeflogen wurde …