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Oktober 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Glück in kleinen Dosen
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Im direkten Vergleich ist der klare Sieger nicht etwa der Berlinale-Wettbewerbsbeitrag mit Tilda Swinton und Keanu Reeves, bei dem die Figurenzeichnung ebenso oberflächlich bleibt wie die Probleme der Hauptfigur, sondern jener Film, deren Hauptdarstellerin Camille Belle mit ihrem diesjährigen Panorama-Beitrag The Ballad of Jack and Rose (mit Daniel Day Lewis als Jack) einen weitaus größeren Eindruck auf mich gemacht hat. In The Chumscrubber spielt sie das etwas aufdringliche (und zu stark geschminkte) Mädchen Crystal, das sich für den Außenseiter Dean Stiffle (Jamie Bell, bekannt als Billy Elliott, zuletzt in Dear Wendy) interessiert. Der aber hat momentan ganz andere Probleme, denn sein bester Freund Troy hat Selbstmord begangen, und nun wartet die halbe Schule darauf, daß Dean Troys irgendwo versteckte Sammlung mit Anti-Depressiva und anderen Glücksdrogen auftreibt und die bis vor kurzem florierende Versorgung damit wieder herstellt.
Um Dean besonders zu motivieren, entführen einige Jugendliche (darunter die auch immer weniger mit dem Plan zufriedene Crystal) Deans Bruder. Beziehungsweise jemanden, den sie für Deans Bruder halten …
Es gibt noch diverse Handlungsstränge innerhalb dieses Films, etwa über Troys Mutter (Glenn Close), die wenig erbaut darüber ist, daß am Tag von Troys Beerdigung der nebenan wohnende Bürgermeister (Ralph Fiennes) heiraten will (was die zu beiden Veranstaltungen eingeladen Nachbarschaft zu Entscheidungen drängt). Doch das Kernstück des Films ist die verpatzte Entführung, die wie bei Fargo immer größere Probleme mit sich bringt.
Der Filmtitel The Chumscrubber (wohl auch wegen seiner Obskurität in Deutschland in Glück in kleinen Dosen verändert) bezeichnet einen weiteren (von den halbwüchsigen wie ein Rockstar gefeierten) Außenseiter, den untoten Held eines Videospiels, der mit seinem Kopf unterm Arm gegen eine Armee von zombieähnlichen Freaks und unmenschlichen Wesen kämpft, deren Ähnlichkeit zu dem im Film beschriebenen "erwachsenen" Teil der Bevölkerung kaum zu übersehen ist. Der gesamte Vorort, in dem der Film spielt, wirkt selbst wie eine virtuell im Computer erschaffene Welt, und über solche Absurditäten und "glückliche Zufälle" gewinnt der Film eine satirische Schärfe, die den Kultfilm Donnie Darko erinnert.
Die Besetzung von The Chumscrubber ist aber fast noch spektakulärer als die Nebenrollen von Drew Barrymore oder Patrick Swayze bei Donnie Darko. Neben den bereits genannten Stars spielen in kleinen Rollen etwa der jederzeit großartige Nebendarsteller William Fichtner (Go, Heat, Quiz Show) Jason Isaacs (Captain Hook und Papa Darling in P. J. Hogans Peter Pan, Papa Malfoy in den Harry Potter-Filmen), Carrie-Anne Moss (The Matrix) oder John Heard (After Hours, Pollock). Und jeder von ihnen hat eine vielleicht kleine, aber in jedem Fall interessante Rolle, wie man sie in einem Robert Altman-Film (und hier handelt es sich um ein Regiedebüt!) auch nicht viel durchdachter erwarten würde.
Filme wie The Chumscrubber oder Brick sind der sehnsüchtig erwartete Beweis dafür, daß es auch amerikanische Filmemacher gibt, die zwar auf ein junges Publikum abzielen, aber dabei nicht automatisch von einer Nichtexistenz sämtlicher Intelligenz ausgehen.
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