Bilder © 2007 Concorde Filmverleih GmbH
|
Gone Baby Gone
(R: Ben Affleck)
USA 2007, Buch: Ben Affleck, Aaron Stockard, Lit. Vorlage: Dennis Lehane, Kamera: John Toll, Schnitt: William Goldenberg, Musik: Harry Gregson-Williams, mit Casey Affleck (Patrick Kenzie), Michelle Monaghan (Angie Gennaro), Amy Ryan (Helene McCready), Ed Harris (Det. Remy Bressant), John Ashton (Det. Nick Poole), Morgan Freeman (Capt. Jack Doyle), Amy Madigan (Beatrice 'Bea' McCready), Titus Welliver (Lionel McCready), Michael Kenneth Williams (Devin), Edi Gathegi (Cheese), Mark Margolis (Leon Trett), Madeline O'Brien (Amanda McCready), Slaine (Bubba Rogowski), Trudi Goodman (Roberta Trett), Matthew Maher (Corwin Earle), Jill Quigg (Dottie), Sean Malone (Skinny Ray Likanski), 114 Min., Kinostart: 29. November 2007
Dennis Lehane ist ein Autor von in Boston spielenden crime novels, von denen hierzulande vor allem Mystic River bekannt sein dürfte. Er begann seine Karriere jedoch mit fünf Romanen um das Detektivpaar Patrick Kenzie und Angie Gennaro, von denen ich die ersten drei gelesen habe (A Drink before the War, Darkness, Take my Hand, Sacred), und von denen Ben Affleck über das vierte gestolpert ist, woraus er dann sein Regiedebüt machte. Somit ging ich nicht nur mit der Erwartung eines den Schauspieler Affleck nicht eben besonders schätzenden an den Film heran, sondern auch mit dem Roman-Vorwissen über die Hauptfiguren und die Neugier darauf, wie die gemeinsame Geschichte der beiden wohl weitergeht.
Um es vorwegzunehmen: Gone Baby Gone ist meines Erachtens von den Handlungselementen teilweise erstaunlich nahe an Mystic River, im Gegensatz zu etwa Andrew Vachss geht es bei Dennis Lehane nicht dauernd um Kindesmisshandlung, doch die zweite Verfilmung seiner bisher acht Bücher dürfte beim Kinopublikum durchaus einen solchen Eindruck erwecken. Gone Baby Gone ist in meinen Augen auch keine Verfilmung des vierten Kenzie-Gennaro-Romans, sondern eine Verfilmung eines Buches, deren drei Vorläufer so gut wie keine Rolle für den Film spielen. Nicht nur wirken Milchbubi Casey Affleck und Schnuckelchen Michelle Monaghan etwa zehn bis fünfzehn Jahre zu jung für die von ihnen dargestellten Figuren, auch wird die gesamte Vorgeschichte dieses (im doppelten Sinne) Paares mit keiner Silbe erwähnt. Kein Wort von Angies Ex-Mann, von Patricks als Feuerwehrmann zu Heldentum aufgestiegenem Vater oder die Kontrahenten aus den ersten drei Büchern, die teilweise schon auf Arten unschädlich gemacht werden mussten, die hier wie völlig neue (traumatische) Problemlösungen dargestellt werden. Ganz im Gegenteil, Casey und Michelle wirken zu Beginn des Films wie aus dem Ei gepellt und können sich nur nach und nach ein Mindestmaß an Profil erarbeiten. Eine Nebenfigur wie “Bubba”, die in den Romanen als gemeingefährlicher Psychopath, der seine eigene Wohnung vermint, dargestellt wird, ist hier nur ein netter Kleinkrimineller, kurzum: einiges an Potential (auch für weitere Filme mit dem selben Paar) wird vertan.
Afflecks Regieleistung ist durchaus anständig, doch aus meiner Sicht am auffälligsten ist, daß der Oscar-Gewinner (fürs Drehbuch von Good Will Hunting) nicht nur seine Adaption reichlich stromlinienförmig gestaltet, sondern daß er durch sein Casting schlichtweg das whodunit-Element des Buches sabotiert. Nicht nur hat man als Zuschauer von Anfang an ein besonderes Augenmerk auf Ed Harris (der glaube ich zuletzt als Killer in The Human Stain auftrat), vor allem ist es einfach unübersehbar, daß ein Schauspieler vom Kaliber eines Morgan Freeman nicht nach 40 Minuten einfach aus einem Film verschwindet, und so kann man sich nach einigen verblüffenden Wendungen an einer bestimmten Stelle des Films relativ schnell den Rest zusammenreimen, was Dennis Lehane in seiner Vorlage sicher besser kaschiert hat.
Auch erklärt Regisseur Affleck einige Details zu ausführlich, bis noch der letzte im Publikum es verstanden hat (flashbacks, die gefühlte Stunden dauern), sein Gebrauch von voice-over erscheint mir eher hilflos und die Art und Weise, wie hier nahezu gleichzeitig eine offensichtliche Selbstjustiz nur zu Gratulationen führt, man aber für weitaus kleinere Vergehen die volle Härte des Gesetzes erwarten muss, hätte im Drehbuch auch noch mal verfeinert werden müssen.
Zur Ehrenrettung des Regisseurs muss man aber sagen, daß nicht nur das Ende des Films erstaunlich konsequent (und filmisch) durchgezogen wurde, sondern daß einige Schauspielleistungen am Rande (etwa ein Wiedersehen mit Amy Madigan als Tante der vermissten kleinen Amanda oder ein “Erstesmalsehen” mit Amy Ryan als Amandas Mutter, die dem Begriff white trash neues Leben einhaucht) auch mal von (markttechnisch weniger bedeutendem) guten Casting zeugen.