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März 2008 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||
10.000 BC
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Kommt jetzt die Dschungelprüfung? Muschikätzchen will nur spielen Die langweiligste Stampede der Filmgeschichte Bist Du nicht willig ... Von wegen blauäugig: Camilla Belle Bilder © 2008 Warner Bros. Ent. |
Die Prämisse des Films wurde bisher schon mehrfach umgesetzt (Am Anfang war das Feuer, Als die Frauen noch Schwänze hatten), und das in jedem Fall überzeugender. Roland Emmerich ist ein Regisseur, der sich bisher nicht durch politisch oder gesellschaftlich aussagekräftiges oder sorgfältig recherchiertes Kino auszeichnete, und schon der erste Satz seines neuen Werkes ist eigentlich eine Warnung, die allerdings für die Käufer von Kinotickets zu spät kommt: “Nur die Zeit kann uns zeigen, was Wahrheit und was Legende ist.” Frei übersetzt bedeutet dies, dass man von Emmerich weder “Wahrheit” noch “Legende” erwarten darf, sondern eine durchweg unfreiwillig komische Klamotte, die besonders in der deutschen Synchronisation (bei Warner selbst bei Pressevorführungen inzwischen der traurige Normalfall) mit einer Erzählstimme, die an Heinz Sielmann erinnert (“Der weiße Regen ist kein Freund des Jägers”), schlichtweg eine Zumutung ist.
Man weiß kaum, wo man mit der Kritik beginnen soll. Der zum Himmel heulende Soundtrack (mitverbrochen vom Co-Autor) wirkt wie ein “Worst of” aller Michael Bay-Filme, das Drehbuch, an dem Emmerich nicht unschuldig ist, wirkt wie von einem Zwölfjährigen, die CGI-Effekte sind - seien wir gnädig - immerhin “bemüht”. Ich will versuchen, bei einer kurzen Nacherzählung einige der (nicht wenigen) Schwachpunkte herauszustellen.
Es beginnt mit der Prophezeiung von einem “blauäugigen Kind” namens Evolet (ein paar Jahre später die aus The Ballad of Jack and Rose und The Chumscrubber zumindest mir bekannte Camilla Belle), das, so die Weissagung von “alte Mutter” zusammen mit einem großen Jäger, der die “letzte Jagd” (eines Mammuts) bestehen wird und später die “vierbeinigen Dämonen” (Sklavenhändler, die des offenbar seinerzeit noch innovativen Reitens mächtig sind) besiegen wird, das Volk der Yagahl nach einer schweren Zeit zu einer neuen goldenen Ära führen wird.
Da der junge D’Leh (später Steven Strait, offenbar das gemeinsame Kind von Colin Farrell und Eric Bana) schon früh ein Auge auf Evolet geworfen hat, will der Außenseiter, der wegen des seltsamen In-Stich-Lassens des Stammes durch den Vater als “Sohn eines Feiglings” gehandelt wird, den Leitbullen der Mammutherde anstelle des Alphamännchens Ka’ren besiegen, was ihm aufgrund einiger Zufälle auch gelingt. Doch dann kommen die bereits erwähnten berittenen Sklavenhändler, denen die Yagahl aufgrund ihrer imposanten Fortbewegungsart magische Kräfte andichten (“Vielleicht können sie auch fliegen”), und die dann einen Großteil der Frauen und Krieger entführen (D’Leh war gerade außerhalb des Lagers und wird natürlich gegen seinen Willen davon abgehalten, zu versuchen, seine Verlobte zu retten), und schon aufgrund ihrer Turbantracht für das westliche Publikum als Bösewichte markiert sind. Und wem das nicht reicht, der darf auch noch miterleben, wie die Mutter des kleinen Sonnenscheins Baku (eine Art widerlicher Wesley Crusher des Stammes, der aussieht wie ein Mitglied von Tokio Hotel, das mit 15 endlich eine Solokarriere anstrebt) niederträchtig von einem besonders hässlichen, einäugigen Sklavenhändler gemeuchelt wird. Boah ey, sind dat fiese Möppes!
Der Ober-Sklavenhändler, der übrigens nicht nur vom Augen-Make-Up her aussieht wie “The Next Uri Geller” Vincent Raven (Freunde nennen ihn “Vincent der Falke”), verschaut sich ein wenig in Camilla Belle, obwohl diese ihn während des Films bei jeder sich bietenden Möglichkeit hintergeht, und legt sich deshalb mit dem Einauge an, der wahrscheinlich auf die eine und / oder andere Art kurzen Prozess mit der blauäugigen Schönheit gemacht hätte. Wow, das ist ja mal eine unerwartete Wendung...
Zwischendurch habe ich vergessen, zu erzählen, wie die Mammutjagd verlief. Die Jäger schlichen sich nämlich durchs etwa 40 cm hohe Gras an, was durch eine Kameraperspektive in Augenhöhe der Jäger auch gut funktioniert. Dass die Mammuts aber aus gut drei bis vier Metern aufs Gras herabblicken und eigentlich jeden Jäger schon aus zwanzig Metern Entfernung gut ausmachen sollten, ist eine dieser gefährlichen Wahrheiten, vor denen Emmerich das junge Publikum bewahren möchte (ähnlich wie die sehr behutsam angedeuteten Interessen der Sklavenhändler an der gutgeformten Evolet).
Während die Verfolger der Sklavenhändler (neben D’Leh unter anderem der erfahrene Jäger Tic’Tic und der sich dem Verbot mitzugehen widersetzende Ba’ku) aufgrund der unberittenen Menschenware den Anschluss halten, sieht man im Dorf, wie “alte Mutter” aus irgendwelchen Gründen am ganzen Leib schlottert. Für den unaufmerksamen Betrachter wird dies noch mithilfe einer Frage ins Zentrum gestellt. “Warum friert alte Mutter?” Dann der Gegenschnitt zu unseren Helden, die sich gerade in einem Schneesturm befinden, und schon weiß man: “Aha, alte Mutter hat eine telepathische Verbindung zu D’Leh, so wie damals E. T. zur eingetopften Geranie.” Der “Spielberg aus Sindelfingen” findet also immer noch zu seinen alten Vorbildern zurück (zu den neuen Vorbildern später).
Glücklicherweise gelingt es Roland Emmerich natürlich innerhalb von zwei Einstellungen, vom Schneetreiben in einen tropischen Urwald umzusiedeln, und dort gibt es dann die wohl “spannendste” Szene des Films, eine Art Neuinterpretation der ersten Dschungelprüfung, die Ross Anthony in der letzten Staffel von “Ich bin ein Star! Holt mich hier raus!” überstehen musste. Im Urwald lauern nämlich irgendwelche Riesenstrauße, die sich wie die Velociraptoren bei Jurassic Park benehmen. Nur halt etwas blöder, wie halt bei Emmerich alles immer zwei oder drei Spuren blöder zu sein scheint als in anderen Filmen.
Dann (und hier wird meine Nacherzählung etwas lückenhaft, weil mich der Film schon so ermüdet hat, dass ich bei der Nacherzählung nicht auch noch einschlafen will) kommt die erste von zwei Begegnungen mit dem Säbelzahntiger, der im Trailer und auf dem nicht wenig an Zack Snyders 300 erinnernden Plakat wie der große Feind unseres Helden dargestellt wird. Ist aber gar nicht so. D’Leh fällt in eine Falle, die offensichtlich selten kontrolliert wird (Aasgeier vergnügen sich am Kadaver eines aufgespießten Tieres), und bei dem die Spieße offensichtlich auch so ungeschickt drapiert sind, dass sich neben D’Leh auch noch ein Säbelzahntiger in der Falle befindet, der aber zunächst noch irgendwie eingeklemmt ist. Dann fängt es an, sinnflutartig zu regnen (Der Erzähler informiert uns, dass nicht einmal “alte Mutter” diesen Regen verhindern konnte - Wow, also so ein richtiger Regen, nicht so ein kleiner Mieselregen, den man mit zwei verbrannten Muskatnüssen verscheuchen kann). Und bekanntlich mögen Katzen kein Wasser. Gevatter Säbelzahntiger (nennen wir ihn mal Diego) ist kurz vorm Ersaufen, D’Leh könnte eigentlich auch seinen Speer benutzen, um Sterbehilfe zu leisten, doch dann kommt der Satz, für den selbst ein Zweitklässler Emmerich in den Arsch treten würde: “Wehe, Du frisst mich, wenn ich Dich befreie.” Gesagt, getan. Muschikätzchen frisst D’Leh nicht, und immerhin fängt sie auch nicht an zu schnurren oder den neuen Kumpel abzulecken, was mich an dieser Stelle des Films auch nicht mehr schockiert hätte. Wie das Drehbuch es so will, ist der Holzstamm, unter dem Diego festsaß, automatisch so hingefallen, dass man jetzt ohne Probleme aus der Falle rausklettern kann, und der Film kann weitergehen.
Um es vorwegzunehmen: Diego taucht natürlich später noch mal auf, wenn D’Leh und ein Kumpel gerade von einem afrikanisch anmutenden Stamm massakriert werden soll (ich weiß nicht mehr, ob es die mit dem Korken unter dem Kinn waren, aber jedenfalls nicht die, die ihr Gesicht hinter einer kleinen Bambushütte verbergen ...). Diego erinnert sich an seinen Befreier, frisst auch niemanden anderes, und fortan sind D’Leh und die seinen so eine Art Nationalheld, denn natürlich gibt es eine passende Prophezeiung über “Den, der mit dem Speerzahn spricht”. Im Gegensatz zu den in Untertiteln sprechenden Sklavenhändlern gibt es hier auch einen Dolmetscher (“Woher kennst Du unsere Worte?” - “Weil Emmerich nicht so größenwahnsinnig ist wie Mel Gibson und seinen kompletten Film untertiteln wollte”), und erstmals wird angedeutet, dass D’Lehs Vater gar kein Feigling und Verräter war, sondern eine Art Marco Polo, der hier schon überall Freunde gesammelt hat (und Nachhilfeunterricht in einer wenig verbreiteten Fremdsprache namens Englisch gegeben hat). Bedeutsame Freunde, die sich aufgrund der großen Familienähnlichkeit auch schnell von D’Leh zum großen Endkampf gegen den Pyramidenbauer anmelden, bei dem Evolet und die versklavten Krieger anderer stolzer Stämme gelandet sind. (Zum Unterstreichen dieses plot points sieht man auch einen Häuptling - Nakudu, Häuptling der Naku - , der so seinen Sohn verloren hat - “Sie nahmen meiner Frau den Atem” - und dieser Sohn kann sich zwischenzeitig - börks! - mit dem auch im Schufteknast gelandeten Baku anfreunden - und am Ende sind alle gute Freunde...)
Zwischendurch gibt es noch “große Vögel, die über das Wasser fliegen” (selten blöd aussehende Schiffe), und dann ist - endlich! - alles bereit zum Endkampf. Für diejenigen, die den offenbar degenerierten Pyramidenbauer, der sich kurzerhand zum Gott erklärt hat, nicht als Bösewicht begreifen, gibt es auch hier wieder Drehbuch-Nachhilfestunden für Achtjährige. Erstmal sieht man die geschundenen, ihrer Stoßzähne beraubten Mammuts (“Wie können Menschen sowas Vater Manni - äh, Mannak - antun?”), nebenbei natürlich auch die menschlichen Sklaven, dann wird zur Unterdrückung eines Aufstands mal ein zuvor anderthalbmal namentlich genannter Kumpel D’Lehs “geopfert” (Man schmeißt ihn von einer viereinhalb Meter hohen Pyramidenböschung und er liegt dann so unglücklich - natürlich mausetot - über einem großen Holzscheit, dass man an jenen Märtyrer denkt, für den das “C” im Filmtitel steht), und schließlich, als die blödsinnigste Prophezeiung des Films den großen Pyramidengott beinahe vor Furcht in seinen Umhang pupsen lässt, kommt der Schurke auf die wohl beste Idee des Films: Wenn D’Leh nicht abhaut, wird Evolet vor seinen Augen in Stücke gerissen.
Doch längst ist aus dem unglücklichen Liebhaber ein echter Held geworden, der offenbar auch mal die 300-DVD ausgeliehen hat. Über den Schluss des Films will ich nicht viel sagen, er entspricht allen Erwartungen in der traurigsten Art. Nichts ist so “tragisch”, dass man nicht noch einen drauflegen könnte. Nichts ist so voll Pathos, dass man nicht noch einen drauflegen könnte. Und nichts ist so schlecht, dass man nicht noch einen drauflegen könnte.
Zum Schluss bekommt D’Leh dann das Erbe seines Vaters ausgehändigt (eine Tüte Studentenfutter, die es ihm ermöglichen wird, zuhause Peperonis - “an acquired taste” - anzupflanzen), und wenn die Welt so blöd ist, diesen Film zu besuchen (und leider befürchte ich, dass der Flop in seiner Blockbuster-Karriere, den Emmerich selbst für unvermeidlich hält, noch etwas auf sich warten lässt), erleben wir dann die Abenteuer von D’Lehs Papi im Prequel 10.020 BC.
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