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Fotos © Universal Pictures International Germany GmbH
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Der fremde Sohn
(R: Clint Eastwood)
Originaltitel: Changeling, USA 2008, Buch: J. Michael Straczynski, Kamera: Tom Stern, Schnitt: Joel Cox, Gary D. Roach, Musik: Clint Eastwood, Production Design: James J. Murakami, Art Direction: Patrick M. Sullivan Jr., Kostüme: Deborah Hopper, Casting: Ellen Chenoweth, mit Angelina Jolie (Christine Collins), Jeffrey Donovan (Captain J. J. Jones), Gattlin Griffith (Walter Collins), Frank Wood (Ben Harris), Devon Conti (Arthur Hutchins), Colm Feore (Chief James E. Davis), John Malkovich (Reverend Gustav Briegleb), Michael Kelly (Detective Lester Ybarra), Jason Butler Harner (Gordon Northcott), Eddie Alderson (Sanford Clark), Geoff Pierson (S. S. Hahn), Denis O'Hare (Dr. Jonathan Steele), Amy Ryan (Carol Dexter), Peter Gerety (Dr. Earl W. Tarr), Michelle Gunn (Sandy), Morgan Eastwood (Girl on Tricycle), J.P. Bumstead (Cook), 144 Min., Kinostart: 22. Januar 2009
Mit zunehmenden Alter scheint Clint Eastwood als Regisseur immer flotter zu arbeiten. Kaum ein Jahr nach den zwei Iwo-Jima-Filmen starten nun erneut zwei Filme von Eastwood kurz hintereinander, als erstes Changeling, dessen offensichtliches Manko die Hauptdarstellerin Angelina Jolie ist. Damit meine ich weniger meine persönliche Geringschätzung der Darstellerin als die seltsam auf sie zugeschnittene Rolle im Drehbuch von Babylon-5-Schöpfer J. Michael Straczynski. Jolie, die aus unerfindlichen Gründen für ihre Rolle in Girl, Interrupted mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, versammelt in diesem Film erstaunlich viele potentielle Oscar-Garanten: bei der von ihr gespielten Figur handelt es sich um eine historische Person, die gegen eine übermächtige Vereinigung antritt (vgl. Erin Brockovich oder Karen Silkwood), dabei aber in der Psychatrie landet (wie bei Frau Jolies erstem Oscar). Außerdem geht es um den Kampf einer Mutter um ihr Kind (vgl. Sophie’s Choice), und last but not least feiert der Film nebenbei auch noch Oscar-Geschichte.
Doch angesichts der vergebenen Golden Globes würde ich die Chance von Angelina eher gering einschätzen, und deshalb konzentrieren wir uns auf die positiven Aspekte des Films, weg von den knallroten Schlauchboot-Lippen. Denn auch, wenn die Mutter, der man nach einer Vermissten-Anzeige den “falschen Sohn” aufdrängt (das Konzept des “Changelings” ist im deutschsprachigen Raum leider nicht so bekannt wie im englsichsprachigen), klar die Hauptrolle in diesem Film spielt, so funktioniert die Geschichte (und Film) auch dann, wenn man Frau Jolie nicht besonders mag und nicht sofort mitheult, wenn sie mal am Schluchzen ist. Mindestens genauso interessant sind ihre Gegenspieler, der korrupte Polizeiapparat im Los Angeles zwischen den Weltkriegen, die mit dem Allheilmittel “Elektroschock” praktizierende Psychatrie, die zu dieser Zeit noch ganz dem Krankheitsbild der “Hysterikerin” verpflichtet war, und die Handlung des Films, die irgendwie typisch für Clint Eastwood ist, und Themen aus Mystic River (neben einem immer wieder bei Eastwood auftauchenden politisch brisanten Thema, das hier nicht ausgeplaudert wird) mit der leichtfüssigen Gratwanderung zwischen mehreren Genres aus Million Dollar Baby verbindet - also die wohl erfolgreichsten Eastwood-Filme der letzten zehn Jahre. Für einen Oscar-Regen ist die Story vielleicht etwas zu reißerisch, aber beispielsweise Amy Ryan, die schon für Gone Baby Gone als beste Nebendarstellerin nominiert war, hat auch hier wieder einen kleinen, aber eindrucksvollen Auftritt, und Jeffrey Donovan oder John Malkovich vergolden jede Minute, die sie in Changeling zu sehen sind.
Changeling ist ein Film, der - wie Mystic River und Million Dollar Baby - die Zuschauer wieder spalten wird: Eastwood-Fans werden ihn noch mehr bewundern, seine Verächter werden wieder was zu meckern haben. Doch schon Anfang März folgt dann Gran Torino, der nächste Eastwood - wieder mit einem suspekten Hauptdarsteller - doch diesmal so großartig, dass nahezu jeder verzückt werden sollte. Beinahe hätte es zwei “Filme des Monats” hintereinander vom selben Regisseur gegeben, doch zum einen wurde der Kinostart kurzfristig vom Februar in den März verlegt - und zum anderen kenne ich zu diesem Zeitpunkt noch zuwenige März-Filme, um das endgültige Urteil fällen zu können. Auf jeden Fall ist Clint Eastwood der Regisseur, der das erste Quartal 2009 beherrscht wie wahrscheinlich nie zuvor ein Regisseur ein Quartal beherrscht hat. Von Altersschwäche keine Spur!
Captain J.J. Jones: “Mrs. Collins, your son was missing for five months,
for at least part of that time in the company of an unidentified drifter.
Who knows what such a disturbed individual might have done.
He could have had him circumcised. He could have ...”
Christine Collins: “...made him shorter?”