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20. Januar 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)
Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)
Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)
Fotos © 2008 Twentieth Century Fox
Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)
Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)
Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (R: Bryan Singer)


Operation Walküre
Das Stauffenberg-Attentat
(R: Bryan Singer)

Originaltitel: Valkyrie, USA / Deutschland 2008, Buch: Christopher McQuarrie, Nathan Alexander, Kamera: Newton Thomas Sigel, Schnitt, Musik: John Ottman, mit Tom Cruise (Colonel Claus von Stauffenberg), Kenneth Branagh (Major-General Henning von Tresckow), Bill Nighy (General Friedrich Olbricht), Tom Wilkinson (General Friedrich Fromm), Terence Stamp (Ludwig Beck), Thomas Kretschmann (Major Otto Ernst Remer), Eddie Izzard (General Erich Fellgiebel), Carice van Houten (Nina von Stauffenberg), Kevin McNally (Dr. Carl Goerdeler), Christian Berkel (Colonel Mertz von Quirnheim), Jamie Parker (Lieutenant Werner von Haeften), David Bamber (Adolf Hitler), Tom Hollander (Colonel Heinz Brandt), David Schofield (Erwin von Witzleben), Kenneth Cranham (Field Marshal Wilhelm Keitel), Halina Reijn (Margarethe von Oven), Harvey Friedman (Dr. Joseph Goebbels), Matthias Schweighöfer (Lieutenant Herber), Florian Panzner (Second Lieutenant Hagen), Wotan Wilke Möhring (Sergeant Kolbe), Bernard Hill (Confident General - Desert), Anton Algrang (Albert Speer), Matthias Freihof (Himmler), Gerhard Haase-Hindenberg (Göring), 120 Min., Kinostart: 22. Januar 2009

Die Verfilmung deutscher Geschichte für die Kinoleinwand ist immer ein gefundenes Fressen für den Feuilleton, doch die Wogen, die Valkyrie schon aufwühlte, bevor die erste Klappe gefallen war, waren außergewöhnlich. Normalerweise meide ich solche Filme (insbesondere, wenn sie von Bernd Eichinger produziert sind), doch in diesem Fall wollte ich auch weiterhin das Œuvre von Bryan Singer beobachten, und auch Tom Cruise schreckt mich nicht so ab wie beispielsweise sein deutsches Äquivalent Til Schweiger.

Aber zum Film. Bryan Singer machte nie ein Hehl daraus, dass er den historischen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs nicht für eine Dokumentation, sondern für einen spannenden Hollywood-Film nutzen wollte, ähnlich wie man es bei ihm auch schon bei Apt Pupil und X-Men sah. Doch ähnlich wie die Berichterstattung zu den Dreharbeiten zu Tarantinos Inglorious Basterds sich eher auf die Saufgelage in Berliner Kneipen konzentrierte, macht es halt einen gehörigen Unterschied, ob man einen Comic oder eine Stephen-King-Novelle verfilmt, ein politisch unkorrektes Remake eines italienischen Billigfilmchen dreht oder sich an Adolf Hitler persönlich vergreift, der auch noch nach 60 Jahren die Gemüter erhitzt.

Ich will es kurz machen. Nach der Pressevorführung sagte ein Kollege: “Bruno Ganz war ein besserer Hitler”, woraufhin ich ihn rigoros aufklärte: “Es gibt keinen guten Hitler.” Schluss, Punkt, Thema vorbei.

Singer hält sich auch nicht damit auf, die komplizierten Hintergünde von Stauffenberg zu erklären. Der Film beginnt nach einem (zumindest in der deutschen Version) selten blöden Titelschriftzug und einem interessant die Rechtschreibreform umgehenden nationalsozialistischen Eid als Einstimmung mit dem (noch) unversehrten Stauffenberg, der in Afrika aber bereits erkannt hat, dass man “entweder für den Führer oder für Deutschland” kämpfen könne. Eine weitere, irgendwie seltsam wirkende Motivation wird später formuliert: “Wir müssen zeigen, dass wir was unternommen haben” - klingt für mich eher aus heutiger Sicht formuliert.

Der Prolog in Afrika entspricht größtenteils den gängigen Drehbuchstrukturen zur Etablierung eines Helden - mit dem kleinen Unterschied, dass unser Held hier ein Auge, eine Hand, zwei zusätzliche Finger und einen Großteil des Gehörs auf einer Seite verliert - was allesamt geschickt inszeniert wird und Singers Begabung zeigt.

Die Spannungskurve wird gleich weiter angetrieben, wenn ein Sprengstoffanschlag von Major-General von Tresckow (Kenneth Branagh) beschrieben wird, der (Überraschung!) nicht funktioniert, weshalb der Blindgänger von Bombe, der immer noch in einem Cointreau-Karto lauert, unter Einsatz des Lebens zurückgeholt werden muss. Eine gelungene Einführung jener Figuren, die im weiteren Verlauf Stauffenberg sozusagen für den Anschlag “rekrutieren”, denn “Wir sind in Berlin - Es gibt keinen, dem wir vertrauen können.” An mangelndem Vertrauen scheint es den Herren aber nicht zu gebrechen, denn jeder noch so kleine Handlanger beim Anschlag wird mehr oder weniger direkt angesprochen, und selbst jene, die wie der Opportunist Friedrich Fromm (Tom Wilkinson) dankend ablehnen, nehmen ohne weiteres einen Hochverrat auf sich, um die Machenschaften zu schützen. Ein seltsam positiv gezeichnetes Bild der oberen Parteietage. Cruise als Handelsvertreter propagiert seinen Werbespruch “Ich habe meine Entscheidung schon getroffen. Ich will anderen helfen, ihre zu treffen”, die mich mehr an Scientology erinnert hat als im Sinne der Geschichte besonderen Sinn zu machen (es blieb aber die einzige solche Passage).

Natürlich gibt es auch zwei Szenen, die Stauffenberg als liebevollen Familienvater zeigen, was dann auch gleich als Beispiel für den drohenden Untergang Deutschlands benutzt wird, und eine interessante Szene erschafft. Die kleinen Stauffenbergs haben gerade zur Erbauung etwas Wagner aufgelegt (Hip-Hop gab es ja damals noch nicht), da kommt auch schon ein Fliegeralarm, und alle eilen in den Keller. Während die ersten Bomben die Nadel des Plattenspielers zur Mitte der Scheibe springen lassen (kein Verständnis für deutsche Kultur, diese Engländer!), springt die Nadel dann ausgerechnet an jenen Teil des Walkürenritts zurück, der inzwischen durch einen anderen Fliegerangriff in Apocalypse Now größere Bekanntheit erreicht hat, und zusammen mit dem Geräusch der nahenden Flieger soll die Sympathie der Zuschauer (insbesondere auch außerhalb von Deutschland) auf die deutschen verschoben werden (auch wenn diesmal kein Napalm eingesetzt wird). Solche Kleinigkeiten sind am interessantesten beim Film, sowohl inszenatorisch als auch als Ansatz einer Interpretation.

Leider verstrickt sich der Film dann zunehmends in den (womöglich historisch verbürgt) vor allem dialoglastigen Anschlag, der sich den Gesetzen des Genres Heist (Ocean’s Eleven etc.) unterordnet, und immer wieder kleine Problemchen bereithält, die dann durch Spontanität und Intelligenz gelöst werden müssen. Und dabei gibt es jede Menge Gelegenheiten für kernige Sprüche, die nicht immer besonders viel Sinn machen. Beispiele: Hitler zu Stauffenberg: “Sie sind ein Kenner von Wagner. Man kann den Nationalsozialismus nicht verstehen, wenn man Wagner nicht versteht.”; von Tresckow: “Hitler zu töten reicht allein nicht. Gott versprach Abraham, Sodom nicht zu vernichten, wenn er nur zehn gerechte Männer dort findet. In Deutschland reicht vielleicht einer.” (Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, diese Logik!)

Na ja, wie bei Titanic und Romeo & Juliet sollte den Zuschauern der Ausgang der Geschichte vorher bekannt sein. Bei seiner Hinrichtung ruft Cruise noch mal filmgerecht “Es lebe das heilige Deutschland”, und kurz darauf ist der Film vorbei. Verglichen mit beispielsweise Spielbergs Munich ist Valkyrie durchaus interessanter und ideenreicher, denn hier faszinieren gleich drei Faktoren: The Good (Inszenierung), the Bad (suspekte Message) & the Ugly.