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Bilder © 2008 Sony Pictures Releasing GmbH
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The Spirit
(R: Frank Miller)
USA 2008, Buch: Frank Miller, Comic-Vorlage: Will Eisner, Kamera: Bill Pope, Schnitt: Gregory Nussbaum, Musik: David Newman, mit Gabriel Macht (The Spirit / Denny Colt), Eva Mendes (Sand Saref), Sarah Paulson (Ellen Dolan), Samuel L. Jackson (The Octopus), Scarlett Johansson (Silken Floss), Louis Lombardi (Phobos etc.), Johnny Simmons (Young Denny Colt), Seychelle Gabriel (Young Sand), Dan Lauria (Commissioner Dolan), Stana Katic (Morgenstern), Jaime King (Lorelei Rox), Paz Vega (Plaster of Paris), Frank Miller (Policeman), Dan Gerrity (Det. Sussman), Eric Balfour (Mahmoud), 102 Min., Kinostart: 5. Februar 2009
Es war einmal ... in einem fernen Land namens Hollywood, da machte ein talentierter und fleißiger Comic-Künstler unangenehme Erfahrungen mit seinen Drehbüchern zu Robocop 2 und 3. Diverse Jahre später, von seinem ursprünglichen Talent und seinen bahnbrechenden Innovationen für die Kunstform Comic ist in einem überflüssigen Dark Knight-Sequel und einer unerträglichen Batman-Serie inzwischen nicht mehr viel zu erkennen, da ist er plötzlich nach der Co-Regie des erstaunlich erfolgreichen Sin City auf die Idee gekommen, er sei ein Filmregisseur. Und nicht nur das, er fühlt sich sogar berufen, das bekannteste (weil genremäßigste) Werk seines kürzlich verstorbenen Bekannten (im Presseheft-Jargon nennt man das “Freund und Streitpartner”) Will Eisner, den Spirit, auf die Leinwand zu bannen, weil (so geht die Mär im Presseheft) er sagte “Ich kann nicht zulassen, das[s] es jemand anderes antastet”.
Schon im Vorfeld ließ der Trailer nichts Gutes erwarten, denn aus Will Eisners The Spirit schien plötzlich “Frank Millers Sin City 1.5 featuring the Spirit” geworden zu sein. Und zu diesem Zeitpunkt kannte ich noch nicht einmal die in der deutschen Synchronisation unerträgliche Version des Trailers. Doch, weil Werke wie The Dark Knight Returns, Daredevil, Elektra: Assassin oder Batman: Year One mich zu einem Zeitpunkt zurück zu den Comics gebracht hatten, als ich fast nur noch Werner und Garfield las, gab ich Miller noch eine Chance, fuhr für die Pressevorführung sogar 110 Kilometer durch die Gegend und war relativ aufgeregt.
Ich hätte meinem ursprünglichen Instinkt beim Schauen des Trailers vertrauen sollen! Wie in Sin City (dem Film) ist beim Spirit jetzt plötzlich fast alles schwarz-weiß (mir ist bewusst, dass The Spirit ursprünglich größtenteils in Schwarzweiß erschien, aber dies war trotz einiger Graustufen ein eher den finanziellen Mitteln untergeordnetes als das sich selbst feiernde Schwarzweiß von Sin City - dem Comic - und für das Erscheinungsbild der Figur ist der dunkelblaue Mantel und Hut weitaus prägender als die im Film auffällig leuchtende rote Krawatte). Wie in Sin City (dem Film) scheint es im Spirit plötzlich vorrangig um scharfe Weiber zu gehen (die im Comic durchaus eine Rolle spielten, aber zu keinem Zeitpunkt so konzentriert auftretend wie in Millers Version). Und wie in Sin City (dem Film) scheint das Prinzip des digitalen Kinos, des gänzlich künstlichen Green-Screen-Universums auch in The Spirit Einzug zu halten. Nur mit dem Unterschied, und das geht mir recht schwer über die Lippen, dass man erst nach Begutachtung von The Spirit das Können von Robert Rodriguez zu ahnen beginnt. Offensichtlich war die Lehrstunde des weisen Meister Rodriguez noch nicht beendet, als der ungestüme Novize Frank die hohe Kunst des Filmemachens auf eigene Faust zu erkunden suchte.
In The Spirit (dem Film) findet man durchaus Elemente des Comics, doch abgesehen von einer schon peinlichen Ehrerweisung durch eine Figur jüdischen Glaubens, die hier nur eine Alibifunktion ausfüllt, hat Miller vor allem solche Elemente übernommen, die heutzutage klischeehaft, übertrieben oder “camp” wirken, und diese Elemente hat er durch seine (womöglich bewusst, aber das gibt keine Strafminderung) trashige Inszenierung noch potenziert, wodurch ein zu seiner Zeit durchaus innovativer Comic, der beispielsweise immer um einfallsreiches Seitenlayout und Durchbrechen der Genregrenzen bemüht war (und bei diesen Bemühungen auch Erfolg hatte), in der Verfilmung nun wirkt wie eine Aufzählung all jener Schwächen, die dem Medium Comic immer wieder gerne angelastet werden (und zwar dezidiert eher Comics von Frank Miller als solchen von Will Eisner). The Spirit (der Film) versammelt holzschnittartige Figuren, eine krude Story, Gewaltverherrlichung ohne Konsequenzen, ein sexistisches Frauenbild, pulpmäßige Dialoge, mäßig humorvolle Wortwitze und (das gibt es in Comics nur im übertragenen Sinn) schlechte Schauspieler (auch hier darf man fast davon ausgehen, dass beispielsweise Samuel L. Jackson oder Scarlett Johansson absichtlich schlecht agieren, aber erneut: keine Strafminderung!). Kurzum: es ist komplett unwahrscheinlich, dass jemand nach Sichtung von The Spirit (dem Film) auf die Idee kommen könnte, mal den Comic auszutesten, auf dem der Film vermeintlich basiert. Schon bei Sin City litt die Verfilmung darunter, dass einfach drei stilistisch sehr ähnliche Geschichten hintereinandergehängt wurden, was einen gewissen Ermüdungseffekt hat. Der Comic The Spirit erschien ursprünglich in nahezu immer abgeschlossenen, wöchentlich erscheinenden Seven-Pagers, die teilweise sehr überladen waren, um dem Leser etwas zu bieten. Ähnlich wie die Stories in den frühen Mad-Magazinen von Harvey Kurtzman oder Wally Wood eignen sich Spirit-Geschichten nur eingeschränkt, im Dutzend hintereinander weg gelesen zu werden, es stellt sich ein Effekt der “Überzuckerung” aufgrund des grellen Humors oder der unrealistischeren Handlungselemente ein. Darüber scheint sich Frank Miller keinerlei Gedanken gemacht zu haben, er nahm zwar einen Zweiteiler, den er für die Filmfassung etwas ausschmückte, aber bei diesem Film findet diese “Überzuckerung” mit grellem Firlefanz und trashigen Klischees (teilweise noch durch Millers politisch unkorrekten “Humor” überhöht, der beispielsweise Samuel L. Jackson in eine SS-Uniform zwängt) schon zu einem Zeitpunkt statt, als man - auf Spirit-Comic-Ebene übertragen - vielleicht auf Seite 3 ist, und die “Überzuckerung”, die sich schnell in eine Art “Vergiftung” verwandelt hält dann noch gefühlt zehnmal solange an. Eisners Witwe wäre gut beraten gewesen, wenn sie lieber Darwyn Cooke (der vor einigen Jahren den Spirit-Comic erfolgreich wiederbelebte - mit Film-Noir-Elementen, aufreizenden Damen und Humor!) einen Animationsfilm im Stile der Batman Adventures hätte betreuen lassen, denn was Mr. Miller hier veranstaltet, würde ich eher mit einem Urinieren auf das Grab Eisners vergleichen. Ob absichtlich oder wegen einer Unpässlichkeit (seinen Regiestil kann man durchaus mit einer Blasenschwäche vergleichen), mag ich nicht entscheiden.
Zum Abschluss noch das verlogenste (oder am schlimmsten falsch eingeschätzte) Zitat aus dem Presseheft: “Es war uns wichtig, dass auch Leute mit The Spirit etwas anfangen können, die nicht unbedingt Comic-Freaks sind.” (Produzentin Gigi Pritzker)