The Limits of Control
(R: Jim Jarmusch)
Spanien / USA / Japan 2009, Buch: Jim Jarmusch, Kamera: Christopher Doyle, Schnitt: Jay Rabinowitz, Musik: Boris, Production Design: Eugenio Caballero, mit Isaach De Bankolé (Lone Man), Alex Descas (Creole), Jean-François Stévenin (French), scar Jaenada (Waiter), Luis Tosar (Violin), Paz de la Huerta (Nude), Tilda Swinton (Blonde), Youki Kudoh (Molecules), John Hurt (Guitar) Gael García Bernal (Mexican), Hiam Abbass (Driver), Bill Murray (American), La Truco (Flamenco Dancer), Talegón de Córdoba (Flamenco Singer), Jorge Rodriguez Padilla (Flamenco Guitarist) 116 Min., Kinostart: 28. Mai 2009
Was ich an anderer Stelle über den neuen Film von Atom Egoyan geschrieben habe, kann man auch auf diesen Film ausweiten. Man erkennt den eigentümlichen und perfektionierten Stil des Regisseurs, sieht viele alte Bekannte wieder (Isaach De Bankolé, Bill Murray, Tilda Swinton, Alex Descas, Youki Kudoh), und insbesondere Themen und Bestandteile früherer Filme durchsetzen The Limits of Control, als hätte Jarmusch versucht, ein "Best of" oder einen Rückblick auf sein Lebenswerk zusammenzustellen. Isaach De Bankolé als "Lone Man" (Rollennamen gibt es in diesem Film nicht) wirkt wie eine mysteriöse neue Version der Hauptfigur aus Ghost Dog: Er macht öfters Tai-Chi-Übungen, und relativ früh im Film geht man als Zuschauer davon aus, dass der "Lone Man" etwas ähnliches wie ein Auftragskiller ist (ob sich dieser Eindruck bestätigt, muss der geneigte Jarmusch-Fan selbst herausbekommen ...). Wie so oft bei Jarmusch ist der Film sehr episodisch aufgebaut, es gibt zwar wie in Broken Flowers eine Hauptfigur, die auf ihrer Reise die durchweg exquisit gecasteten Nebenfiguren trifft (darunter besonders überzeugend: Luis Tosar, bekannt aus Los lunes al sol und Te doy mis ojos), aber ein Großteil dieser Treffen erinnert an Coffee and Cigarettes: Isaach bestellt sich zwei Espresso in getrennten Tassen, trinkt aber immer nur aus einer der Tassen, eine mysteriöse Figur kommt hinzu, man unterhält sich ein wenig über die Errungenschaften der europäischen Kultur und Wissenschaft, und tauscht dann ein Streichholz-Päckchen aus, in denen sich geheime Code-Botschaften oder auch mal etwas anderes befinden. Jarmuschs ganz persönliche Version von Waiting for Godot bringt ähnlich wie die Farbe Pink und diverse Indizien in Broken Flowers eine sich bis zur Lächerlichkeit steigernde Verdichtung zunächst zufällig erscheinender Hinweise. Nahezu jede Dialogzeile wird mindestens einmal recyclet, den Jarmusch-eigenen Charme entwickelt der Film durch subtile running gags, und ganz am Schluss weiß man dann auch, warum der Film in Spanien spielt und in welcher Hinsicht Bill Murrays Rolle eine Entsprechung zu Johnny Depp in Dead Man darstellt.
Bei der Pressevorführung bemerkte ein Kollege, dass The Limits of Control Jarmuschs bisher längster Film ist. Was Schwachsinn ist. Ghost Dog ist genauso lang, Dead Man und Night on Earth gingen sogar über zwei Stunden. Es stimmt aber, dass die "gefühlte Länge" des Films über alles hinausgeht, was man von dem Regisseur gewohnt ist. Und auch wenn Jarmusch immer ein Freund der Lakonie und des Anticlimax war, ist die Auflösung am Schluss nicht absurd, philosophisch oder schlichtweg überraschend genug, um das Kino mit dem Gefühl zu verlassen, etwas neues oder besonderes gesehen zu habe - wie es für mich sonst eigentlich immer war, selbst bei Dead Man, den ich nicht so mag wie die anderen Filme Jarmuschs. Sicher hat The Limits of Control großartige Momente wie das Wegbrechen der Kamera, das in einer späten Einstellung wieder aufgenommen wird (auch wenn es meiner Meinung nach nicht für eine radikale Neuinterpretation des Gesehenen ausreicht), die Chuzpe des Regisseurs bei seinem Flamenco-Intermezzo oder der Satz über diesen eigentümlichen finnischen Regisseur. Doch man erwartet inzwischen so viel mehr von dem Regisseur, selbst Freunde von Kameramann Christopher Doyle werden zwar auch dessen bevorzugte Stilelemente wiedererkennen und zu schätzen wissen (und mit Liebe ausgesuchte Kachelwände), aber auch wenn winzige Details die patentierte Kamerabewegung Jarmuschs, die man schon aus seinen frühen Schwarz-Weiß-Filmen kennt, diesmal wie seine Variation des Schlusses von 2001 aufbauschen, kann keiner der kleinen Aha-Momente wirklich das Adrenalin des Cineasten so hochtreiben, wie es selbst bei minimalistischen Fingerübungen wie Coffee and Cigarettes fast ein Dauerzustand war. Und die Zugfahrt mit Green Screen wirkte fast lieblos, das hatte man in Mystery Train sehr viel besser gesehen.
Jarmusch selbst ist dafür bekannt, dass er sich seine alten Filme nach dem Schnitt nicht wieder anschaut. The Limits of Control könnte sein erster Film sein, bei dem es selbst einige seiner Fans ähnlich halten könnten.