Brüno
(R: Larry Charles)
USA 2009, Buch: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Dan Mazer, Jeff Schaffer, Figur: Sacha Baron Cohen, Kamera: Anthony Hardwick, Wolfgang Held, Schnitt: Scott M. Davids, James Thomas, Musik: Erran Baron Cohen, mit Sacha Baron Cohen (Brüno), Gustav Hammersten (Lutz), Clifford Banagale (Diesel), Paula Abdul, Richard Bey, Trishelle Cannatella, Elton John, Ron Paul (Themselves), 83 Min., Kinostart: 9. Juli 2009
Borat und Brüno sind zwei fünfbuchstabige Vornamen, die jeweils ein B, O und R beinhalten - ganz wie beim zweiten Vornamen des Schöpfers und alter egos dieser Figuren, dem englischen Komiker Sacha Baron Cohen. Neben Ali G, dem weltweit bekanntesten Bürger Kasakstans und dem “größten österreichischen Superstar seit Adolf Hitler” spielte Cohen auch noch einen französischen Rennfahrer in Talladega Nights und einen (vermeintlich) italienischen Barbier in Tim Burtons Sweeney Todd. Was kommt als nächstes? Der spanische Stierkämpfer Berto, der sich für Greenpeace einsetzt? Oder ein alkoholkranker Skandinavier namens Robbi? Oder gar ein deutscher Tennisspieler namens Boris?
Bei Borat gehörte ich noch zu denen, die über die Authentizität eines vermeintlichen Dokumentarfilms diskutierten. Waren es 60% reale Gesprächspartner, die der Komiker entlarvte, oder doch nur 30%? In Brüno braucht man sich darüber keine Gedanken mehr machen, der Prozentsatz der realen Reaktionen ist definitiv zusammengeschrumpft, ich würde ihn zwischen 3 und 6% suchen. Selbst wenn man mal zwischendurch glaubt, beispielsweise sein Agent in Hollywood könnte tatsächlich hopsgenommen worden sein, legt Cohen zusammen mit seinem Regisseur Larry Charles jetzt immer noch einen drauf und zerstört die Illusion. Der Agent wird bei einem völlig absurden Telefonat gezeigt, einige Jäger, die Brüno auf dem Weg zum “Schträight”-sein helfen wollen, finden sich in einer Farce wieder, die von Austin Powers inspiriert scheint. Und spätestens, wenn der damaligen Rodeoszene nun eine Talkshow und ein Schaukampf entsprechen, kann kein vernunftbegabter Zuschauer mehr glauben, dass die akkurat geworfenen Trinkbecher spontane Unmutsbekundungen sind oder die Auswahl der Talkshow-Besucher rein zufällig ist.
Um diese Problematik kann es also nicht mehr gehen, Cohen inszeniert sich wie ein Wrestling-Match, wichtig ist vor allem der Unterhaltungswert der Ein-Mann-Show.
Und in dieser Hinsicht kann man sich glücklich schätzen, wenn man sowohl deutsch als auch englisch versteht und sich den Film in der Originalfassung anschaut (kann in der Synchronisation einfach nicht annähernd so funktionieren). Brüno berichtet von seiner großen Zeit bei der Fernsehshow “Funkyzeit”, als er über seine “In & Aus”-Liste noch einen direkten und unüberschätzbaren Einfluss auf die Modebranche hatte. Wenn Brüno und der Assistent seines Assistenten (namens Lutz) deutsch sprechen (und das passiert erstaunlich oft sogar in ganzen, untertitelten Sätzen), dann sieht man, dass sich die Autoren durchaus Mühe gegeben haben. Es kommt zu Wortschöpfungen wie “unqualifikehrt”, “interviewieren” und die sakral klingende “Arschenhalle”, bekannte Hollywood-Darsteller heißen für Brüno etwas anders, wie Reese Wiederspitzel, Bradolf Pittler oder auch “Der Führer” (Mel Gibson). Wenn Brüno verbal hits “Rock Bottom”, dann heißt das natürlich “hit Rock-Arsche”, für ihn ist vieles “fantastisch” oder “ubergeil”, mancher Gesprächspartner verzaubert ob seiner “amazing blaujob-lips”, denn Brüno ist “thinking outside the Geschwindigkeitsbegrenzung” (ohne Untertitel), bekommt öfters “an eyeful of spunken” ab, bevor er entrüstet sagt “Ich bin Bruno. Ich daten keine zweiten Mauerblümchen-Assisten” (wobei das “daten” komplett deutsch ausgesprochen wird).
Wer diese Art von Verballhornung der deutschen Sprache liebt, im Freundeskreis immer wieder Klassiker zitiert wie “Open up der Door, Schnitzel” (Tex Averys Blitzwolf) oder “shifting the responsibility on me again, Schulz?” (Ernst Lubitschs To Be or not to Be), der wird auch an Brüno seinen Spaß haben. Wer generell vor allem Spaß haben will und sich auch nicht an wenig subtilen Schwulenwitzen und immer wieder eingebrachte “Mein Führer”-Floskeln stört, der wird auf seine Kosten kommen. Wer allerdings schon fünfmal auf youtube o. ä. den Trailer gesehen hat, sollte sich darauf einstellen, dass er die meisten wirklich gelungenen Scherze bereits gesehen hat, denn mit 83 Minuten ist der Film auch ziemlich kurz, und muss für diese Lauflänge bereits schon Szenen zweifach abspielen.
Der größte Kulturschock des Films war für mich übrigens der Nachspann, als ich zufällig sah, wer die Komponisten des Scooter-Songs gleich zu Beginn waren. Da tun sich Abgründe auf, die man sich nicht einmal vorstellen konnte ...