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Bildmaterial: Senator Film Verleih
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Tropa de Elite
(R: José Padilha)
Int. Titel: Elite Squad, Brasilien / Niederlande / USA 2007, Buch: Bráulio Mantovani, José Padilha, Rodrigo Pimentel, John Kaylin, Lit. Vorlage: André Batista, Rodrigo Pimentel, Luiz Eduardo Soares, Kamera: Lula Carvalho, Schnitt: Daniel Rezende, Musik: Pedro Bromfman, mit Wagner Moura (Capitão Nascimento), Caio Junqueira (Neto), André Ramiro (André Matias), Maria Ribeiro (Rosane), Fernanda Machado (Maria), Fernanda de Freitas (Roberta), Paulo Vilela (Edu), Milhem Cortaz (Capitão Fábio), Marcelo Valle (Capitão Oliveira), Fábio Lago (Claudio Mendes de Lima 'Baiano'), 115 Min., Kinostart: 6. August 2009
In den Jahren 1994 bis 1996 sah ich teilweise während der Berlinale nur eine Vorstellung (wohnte 1994 und 1996 nicht in Berlin) oder sah einmal sogar nur einen Berlinale-Film vor Beendigung der Filmfestspiele, weil dieser als Sneak Preview in den Hochhaus-Lichtspielen in Hannover gezeigt wurde. Ich sah aber jeweils den Gewinner des Goldenen Bären vor Bekanntgabe der Preisvergabe.
Seit Anfang des Jahrhunderts wohne ich jetzt in Berlin, und seit 2002 gehöre ich zu den akkreditierten Journalisten. Doch auch wenn ich in diesen Jahren meist eher zwanzig als zehn der Wettbewerbsfilme während des Festivals sah (der Trend ist bei mir leicht rückläufig), war schon seit fünf Jahren der jeweilige Gewinner nicht mehr dabei. Und wenn ich ausgehend von den „nachträglich“ gesehenen Filmen (immerhin 40%) ein Urteil wagen mag, so habe ich da auch nicht viel verpasst.
Tropa de Elite war wohl einer der umstrittensten Gewinner des Goldenen Bären (Jury-Präsident war Costa-Gavras, der alte Herr des bei seinen Regiearbeiten immer zahmeren Polit-Thrillers), und der entsprechende Berlinale-Jahrgang war auch einfach nicht so schlecht, dieses Urteil in irgendeiner Form durchgehen zu lassen. Große Furore machte der Film durch seine Gewaltdarstellung (allenfalls innerhalb des Berlinale-Wettbewerbs, aber keineswegs innerhalb des Genres Polizeifilm überdurchschnittlich) und durch die Rekordzahl von illegalen Downloads vor dem brasilianischen Filmstart. Wobei man diese beiden Details durchaus in Abhängigkeit voneinander sehen kann.
Der eigentliche Film war auch jenseits des Berlinale-Trubels für mich eine saftige Enttäuschung. Es beginnt fulminant wie in Cidade de Deus, der offensichtlichen Hauptinspiration des Streifens. Die narrative Struktur erscheint zunächst verwirrend, bevor man die Chance hatte, auch nur eine der handelnden Figuren besser kennenzulernen, landet man bereits in einer handfesten Schießerei, doch zu keinem späteren (in stärkerem Maße eingeweihten) Zustand wird diese Schießerei interessanter erscheinen, denn im Nachhinein wirkt die Erzählstruktur so geradlinig wie nur irgendwas. Es geht darum, dass ein Anführer des „Elite Squads“, der auch den gesamten Film als Erzählerstimme begleitet, sich mit seiner Frau zurücksetzen will und nach einem geeigneten Nachfolger sucht, wobei zwei Frischlinge in die engere Wahl kommen und sich von Anfang an unterschiedlich entwickeln.
Somit hat man also als Zuschauer die Möglichkeit, die mit sich mit Totenköpfen dekorierenden „Superbullen“ kennenzulernen, die Struktur hinter dem sich vom Gesetz ablösenden Polizeiapparat, die Probleme der Individuen und des Systems. Dabei geht es unter anderem um Korruption, die (so der Film) in Maßen unumgänglich ist, aber nicht ausarten darf. Oder um Folterung von Verbrechern zur Informationsermittlung (siehe auch Public Enemies), die im Verlauf des Films wie ein „nötiges Übel“ dargestellt wird, wobei die Art und Weise, wie man den psychologischen Tricks der nahezu skrupellosen sozusagen schenkleklopfend beiwohnen soll, einem die Galle schon ziemlich hochkommen lassen kann.
Als Kontrapunkt zu seiner zutiefst fragwürdigen Aussage versucht der Film mit „innovativem“ und „progressivem“ Einsatz der filmischen Mittel aufzutrumpfen, doch auch wenn der Schnittrhythmus zu Beginn beeindruckend ist, und der Film über seine dramaturgischen Schwächen mit einer lauten Unmittelbarkeit hinwegzutäuschen versucht, verglichen mit beispielsweise Cidade de Deus ist die Inszenierung kalter Kaffee. Durch laute Musik und Brutalitäten wird man immer wieder wachgerüttelt, aber die eigentliche Geschichte ist auch aufgrund ihrer immer deutlicher werdenden Struktur reichlich öde - auch, weil es zumindest mir nicht gelang, auch nur im Ansatz Sympathien für die Hauptfiguren aufzubauen. Was der Film einem weismachen will, ist unter anderem, dass die Folterung von Verbrechern zur Ermittlung weiterer Verbrecher moralisch eher vertretbar ist als das Kiffen unter Studenten, was die kriminellen Strukturen unterstützt und somit fast schon direkt fürs Blutvergießen verantwortlich ist. Ich selbst kiffe nicht und foltere auch nicht (höchstens mal im übertragenen Sinn, wenn ich einen schlechten Film zu ausführlich beschreibe), aber ich sehe vor allem lieber Filme, die von Kiffern bevorzugt werden. Und nicht von Gewaltliebhabern. Ein reichlich überflüssiges Filmchen.