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5. August 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Public Enemies (R: Michael Mann)
Public Enemies (R: Michael Mann)
Public Enemies (R: Michael Mann)
Bildmaterial © Universal Pictures / Getty
Public Enemies (R: Michael Mann)
Public Enemies (R: Michael Mann)


Public Enemies
(R: Michael Mann)

USA 2009, Buch: Ronan Bennett, Michael Mann, Ann Biderman, Vorlage: Bryan Burrough, Kamera: Dante Spinotti, Schnitt: Jeffrey Ford, Paul Rubell, Musik: Elliot Goldenthal, Kostüme: Colleen Atwood, mit Johnny Depp (John Dillinger), Christian Bale (Melvin Purvis), Marion Cotillard (Billie Frechette), Billy Crudup (J. Edgar Hoover), Stephen Graham (Baby Face Nelson), Lili Taylor (Sheriff Lillian Holley), Stephen Lang (Charles Winstead), Leelee Sobieski (Polly Hamilton), Channing Tatum (Pretty Boy Floyd), Giovanni Ribisi (Alvin Karpis), 140 Min., Kinostart: 6. August 2009

Seit mir bei der Lektüre des Steadycam vor 12 oder 15 Jahren auffiel, wie manche Leute Michael Mann abfeiern, fällt mir umso stärker auf, wie dieser Regisseur überschätzt wird. Ein Film wie Heat ist meines Erachtens reichlich überflüssig, doch bei der Promotion zu Public Enemies bezieht man sich ganz bewusst auf Heat, denn wie dort Al Pacino und Robert De Niro erstmals aufeinandertrafen, so wurde das Casting von Johnny Depp und Christian Bale gleich als ähnliches Treffen zweier „der größten Schauspieler ihrer Generation“ gewertet. Dummerweise sieht das dann aber im Trailer wie folgt aus: „Johnny Depp“ ... „Christian Bale“ ... „Oscar-Gewinnerin Marion Cotillard“. Ohne mich jetzt auf einen Vergleich der schauspielerischen Leistungen von Robert De Niro und Christian Bale einlassen zu müssen (immerhin haben sie beide schon für Filmrollen gehörig ab- und zugenommen), wenn schon die eigene Reklame sich aushebelt, ist das kein gutes Zeichen.

In Interviews umgeht Michael Mann Vergleiche zu Heat am liebsten und konzentriert sich auf die authentische Darstellung der 1930er in Public Enemies, aber es ist schon unübersehbar, dass in beiden Filmen ein Katz- und Maus-Spiel bestritten wird, bei dem zum Beispiel mit mächtiger Waffengewalt Autos perforiert werden, nur halt, dass es diesmal keine zeitgenössischen Automobile sind. Es wird geballert, bis keiner mehr steht, und das soll dann spannend sein, ist aber reichlich öde. Schöne Menschen in feinen Anzügen leeren ihre Magazine, Johnny Depp grinst ab und zu süffisant in die Kamera, und Christian Bale ist mal wieder sauer.

Das Interessanteste an dem Film ist wohl das Thema der „Polizeibefragung“, die hier schnell zur Folterung ausartet (vergleiche auch Tropa de Elite). Aber auch hieraus schlägt Mann kein Kapital, aus unerfindlichen Gründen wird Dillinger stattdessen zum Medienstar stilisiert, vor allem in der Vermarktung des Films wird ein Robin-Hood-Mythos aufgebaut, aber in Wirklichkeit ist Johnny Depps Dillinger eher eine Variation von Heath Ledgers Joker in The Dark Knight. Hüben wie drüben besucht Christian Bale den Schurken im Knast, wo dieser sich gebiert wie ein dem Polizeiapparat komplett überlegener, und dadurch irgendwie faszinierender Killer. Aber auch wenn Johnny Depp erst vor kurzem in Sweeney Todd eine ähnlich negative Figur spielte, kann man damit wohl keinen Film vermarkten, und so dürfte Public Enemies viele Zuschauer sehr überraschen, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne. Denn die unterschwelligen Themenkomplexe, die ich hier anspreche (es ist auch auffällig, wie viele der Gangster von der Polizei hinterrücks erschossen werden), und die aus meiner Sicht noch am ehesten zur Existenzberechtigung des Films beitragen, hebeln sich schließlich selbst aus, wenn Marion Cotillard als Liebchen John Dillingers als Nächstes „befragt“ wird, dabei trotz keiner bemerkenswerten Verbrechen geschlagen wird, und man ihr noch nicht einmal gestattet, auf Toilette zu gehen. (Guantanamo lässt grüßen!) Wenn an dieser Stelle eine Sekretärin bemerkt, dass man eine Frau so nicht behandeln dürfe, ist dies schon mal irgendwie unfreiwillig komisch, aber wenn schließlich tatsächlich Batman, äh, ich meine Christian Bale, kommt, um sie zu retten, und er sie dann auch noch über die Schwelle des Befragungsraums trägt, dann wird es immer lächerlicher, und das zumindest filmisch interessante Finale des Films kann dann nichts mehr herausreißen.

Ein kleines Detail, das für mich auch für die Lernresistenz des Regisseurs steht, ist sein Einsatz von HD-Kameras, um das ganze „authentischer“ (um nicht zu sagen „dokumentarischer“) erscheinen zu lassen (funktionierte in Collateral sehr gut). Nun gehöre ich wirklich nicht zu den Leuten, die jeden in den 1930ern spielenden Film mit den damaligen filmischen Mitteln umgesetzt sehen wollen (Soderberghs The Good German ist hier das Gegenbeispiel), aber eine Blair-Witch-Atmosphäre mit verwackelten Handkameras und einem Farbspektrum, das bei manchen Schießereien an billige TV-Serien erinnerte, das vermittelt keine Authentizität, sondern betont noch die Künstlichkeit dieses gänzlich misslungenen Films.