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Bildmaterial © 2009
Sony Pictures Releasing GmbH
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District 9
(R: Neill Blomkamp)
USA / Neuseeland 2009, Buch: Neill Blomkamp, Terri Tatchell, Kamera: Trent Opaloch, Schnitt: Julian Clarke, Musik: Clinton Shorter, Production Design: Philip Ivey, Art Direction: Emilia Roux, mit Sharlto Copley (Wikus Van De Merwe), David James (Koobus Venter), Jason Cope (Christopher Johnson), Vanessa Haywood (Tania Van De Merwe), Nathalie Boltt (Sarah Livingstone, Sociologist), Sylvaine Strike (Dr. Katrina McKenzie), John Sumner (Les Feldman, MIL Engineer), William Allen Young (Dirk Michaels), Nick Blake (Francois Moraneu, CIV Engineer Team), Louis Minnaar (Piet Smit), Vittorio Leonardi (Michael Bloemstein, MNU Alien Civil Affairs), Jed Brophy (James Hope, Police Officer), Marian Hooman (Sandra Van De Merwe), Mandla Gaduka (Fundiswa Mhlanga), Johan van Schoor (Nicolas Van De Merwe), Greg Melvill-Smith (Interviewer), Elizabeth Mkandawie, Morena Busa Sesatsa, Themba Nkosi, Mzwandile Nqoba, Barry Strydom (Interviewees), 112 Min., Kinostart: 10. September 2009
Normalerweise ist District 9 die Art von Film, die auf dem Fantasy Filmfest zum Publikumsrenner avanciert, und dann drei Monate später auf DVD rauskommt, doch aus unerfindlichen Gründen (Produzent Peter Jackson?) wurde aus diesem Streifen der neueste Überhype. Mit einem Rating von 8,5 (von möglichen 10) landete der Film bei imdb (vorerst) auf Platz 44 der besten Filme aller Zeiten (knapp vor WALL·E, Kubricks Paths of Glory und Billy Wilders Double Indemnity), was sich aber wieder normalisieren wird, sobald ein paar mehr „normale“ Menschen den Film gesehen haben, und nicht nur die Geeks und Fanboys. Doch auch im Tip gab man District 9 die Wertung „herausragend“, was dann doch verwundert. Woran mag das liegen?
Auf den ersten Blick ist District 9 extrem clever, aber auch ziemlich spannend, er bietet (was für Science Fiction längst nicht mehr die Regel ist) sowohl eine Action-Story mit leichtem Horror-Einschlag, aber auch eine sozial relevante Message. Und er hat mal eine ziemlich innovative Prämisse. In der Gegenwart von District 9 ist vor 28 Jahren ein ziemlich riesiges außerirdisches Raumschiff vor Johannisburg aufgetaucht. Der erste gelungene Gag ist hierbei neben den unüblichen Koordinaten, dass die Außerirdischen weder einen Angriff inszenieren noch sonstwie großartig Kontakt aufnehmen. Das Raumschiff schwebt einfach über der Skyline und nichts weiter passiert, bis die irdischen Behörden sich Zugang verschaffen und feststellen, dass es wohl am wahrscheinlichsten ist, dass die Aliens einfach einen Motorschaden haben, und so werden die größtenteils halbverhungerten Arbeiter auf dem Schiff zunächst in ein schnell aufgebautes Alien-Ghetto „überwiesen“, doch es bedarf keiner 28 Jahre, um zu erkennen, dass sie vor allem ein Problem darstellen, für dass sich andere irdische Staaten nach anfänglicher Neugier nicht wirklich verantwortlich finden. „District 9“, so impliziert der Film zumindest, ist bereits der achte „Update“ dieses Ghettos, mittlerweile verstehen einige Menschen auch die aus Klicklauten bestehende Sprache der Aliens, die aber zumeist wegen ihres Aussehens als „prawns“ (Shrimps) bezeichnet werden, und einfach nur ein nerviger Sozialfall sind, weil sie nicht im geringsten irgendwie zur irdischen Gesellschaft beitragen, sondern sich zurückgezogen sogar vermehren, ein gewisses Gewaltpotential zeigen und im Müll rumwühlen. Nachdem man feststellte, dass sie auf Katzenfutter besonders ansprechen, hat man nicht etwa die Produktion gesteigert und es ihnen kostenlos zukommen lassen, sondern illegale Händler verkaufen es ihnen, als wäre es Rauschgift. Natürlich auch zu exorbitanten Preisen.
Einer der cleversten Grundzüge des Films ist es, dass District 9 lange Zeit wie ein Dokumentarfilm erzählt wird. Dieser Dokumentarfilm schildert das Schicksal von Wikus Van De Merwe (Sharlto Copley), einem auch durch günstige Heirat zum Chefverantwortlichen des Problems aufgestiegenen, zunächst ziemlich pathetisch wirkenden Bürohengst, der - so entnimmt man schon sehr schnell einigen Interviews seiner Untergebenen - wohl irgendwie ein ungutes Ende nahm („He was an honest man, and he didn’t deserve any of what happened to him.“) Rückblickend wird gezeigt, wie Wikus auf die (nicht geringen) Probleme seines Jobs reagiert, hierbei wird aber vor allem auch entlarvt, wie unmenschlich er sich den „prawns“ gegenüber verhält, die ähnlich wie die amerikanischen Ureinwohner zum Unterzeichnen eines Vertrags genötigt werden, um sie ins nächste Ghetto („District 10“, drängt sich auch als Titel eines möglichen Sequels auf) abzuschieben („When dealing with aliens, try to be polite, but firm. And always remember that a smile is cheaper than a bullet.“) Eine der schockierendsten, irgendwie an Starship Troopers erinnernden Szenen (an diesen Film erinnert auch die schießwütige Testosteron-Armee) ist hierbei das Auffinden einer außerirdischen Brutkolonie in einer der Wellblech-Hütten, die so selbstverständlich wie ein Rattennest im Keller eines Kindergartens* ausgerottet, nein - „abgetrieben“ wird, wobei Wikus einem Untergebenen ein „Souvenir“ davon gibt, und dieser sich eilfertig bedankt.
*Auf dieses Gleichnis, das sich sozusagen selbst in den Schwanz beißt, bin ich sogar ein wenig stolz!
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Da man im Verlauf des Films durchaus auf die Alien-Seite wechselt, sieht man all diese Missstände aus erster Hand, und nicht nur aufgrund des Spielorts Johannisburg drängt sich natürlich auf, dass District 9 auch ein Kommentar auf Apartheid etc. ist. Und an dieser Stelle scheinen die Geeks und Fanboys ein wenig den Bodenkontakt zu verlieren, denn eine sozial relevante Parabel sollte vielleicht nicht den Fehler machen, mit Ausnahme einiger weniger Interviewpartner sämtliche Farbige des Films als blutrünstige, in Banden organisierte Gangster zu zeigen. Das gibt dem Ganzen irgendwie einen extrem unangenehmen Beigeschmack. Und auch die clevere Doku-Herangehensweise wird nach der Hälfte des Films immer wieder einfach „vergessen“, wenn man lieber spektakuläre Effekte zeigen will oder Verfolgungsjagden. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, mit einigen Handgriffen, die Doku-Maske und den Action-Unterbau zu verbinden (was aus District 9 wohl einen wirklich guten Film gemacht hätte), doch offensichtlich war den Filmemachern das Action-Publikum wichtiger als ein paar neunmalkluge Kritiker (die man ja in Zeiten des Internets für einen schönen Hype nicht mehr braucht). Da zeigt sich dann der große Kontrast zu einem Film wie Gwoemul (auch mit WETA-Effekten), der sich trotz genre-mäßiger Effektorgie eben auch Zeit nahm für menschliche Werte (und fragwürdige politische Aussagen).
Mit ein wenig mehr „Reinheit“ in Form und Aussage hätte District 9 ein großartiger Film werden können, aber dafür hätte man einige Zuschauer opfern müssen, die dann auf die eine oder andere Weise überfordert gewesen wären. Das ist das beste (und im gleichen Moment schlimmste), was man über diesen Film sagen kann und muss.