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1. September 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)
Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)
Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)
Bildmaterial © 2010 Warner Bros. Ent.
Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)
Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)
Verrückt nach Dir (R: Nanette Burstein)


Verrückt nach Dir
(R: Nanette Burstein)

Originaltitel: Going the Distance, USA 2010, Buch: Geoff LaTulippe, Kamera: Eric Steelberg, Schnitt: Peter Teschner, Musik: Mychael Danna, mit Drew Barrymore (Erin), Justin Long (Garrett), Charlie Day (Dan), Jason Sudeikis (Box), Christina Applegate (Corinne), Jim Gaffigan (Phil), Taylor Schwencke (Maya), Ron Livingston (Will), Oliver Jackson-Cohen (Damon), Kelli Garner (Brianna), Kristen Schaal (Female Bartender), Sarah Burns (Harper), Leighton Meester (Amy, Garrett’s former girlfriend), Natalie Morales (Brandy), June Diane Raphael (Karen), Ron Bottitta (Creepy Guy), 103 Min., Kinostart: 2. September 2010

Letztes Jahr zum Valentinstag lief He’s just not that into you an, der Film, bei dessen Dreharbeiten sich Justin Long und Drew Barrymore besser kennenlernten. Anderthalb Jahre später ist ihre Beziehung längst wieder vorbei, aber ein gemeinsamer Film der beiden - natürlich eine Liebeskomödie - wurde irgendwann während des Prozesses der Trennung noch gecastet und gedreht.

Einige der Vorwürfe, die ich damals He’s just not that into you machte, treffen auch auf Going the Distance zu. Die beiden arbeiten in den Krisenbereichen Journalismus und Music Publishing, und den jeweiligen Krisen wird auch einiges an Platz eingeräumt. Doch im Grunde sind beides Traumberufe, die Krise wird mehr behauptet als gezeigt (eine neue Art von MacGuffin?), und wirklich “arbeiten” sieht man die beiden sowieso nicht. Man sitzt ab und zu vor dem Computer, beschäftigt sich aber größtenteils mit betriebsfremden Aktivitäten - und wenn Drew Barrymore als Erin über den Praktikumsplatz bei einer Zeitung nicht hinauskommt, bei ihrer Schwester einziehen muss und sich mit einem Kellnerjob über Wasser halten muss, dann sieht man sie während dieses Jobs nur beim Telefonieren, SMS schreiben und anderweitigem Vernachlässigen ihrer Pflichten. Im Gegensatz zum Zeitungsjob und Garretts Job bei einem Platten-Label sieht man den Restaurantchef (oder sonstigen Boss) auch nie - Erin hat nur einen gutaussehenden Kollegen - genau wie Garrett eine entsprechende Kollegin (Kelli Garner) hat.

Going the Distance dreht sich um eine Fernbeziehung und die damit verbundenen vielen Probleme (und wenigen Vorteile). Ich bilde mir ein, da auch ein paar Erfahrungen zu haben, aber verglichen mit der Distanz zwischen New York und San Francisco waren meine 350 km damals ein Katzensprung. Der Film entwickelt sich ganz ähnlich wie eine Romantic Comedy (Treffen - Probleme - Commitment), aber es gibt auch Elemente, die den Film ein wenig interessanter machen als die vielen austauschbaren Vertreter dieses Genres. Zum einen gibt sich die Regisseurin Mühe, einige authentische Momente einzufangen. Das heißt: keine Autofahrten, die offensichtlich im Studio vor der Green Screen aufgenommen wurde, sondern versteckte Kameras in Alltagssettings (nicht durchgehend, aber hin und wieder), und dadurch auch einige der schönsten Momente des Films. Zum Beispiel eine Szene an einem verlassenen Strand, wobei man im Hintergrund unzählige Mülleimer, aber auch Danebengeworfenes und diverse “Scavengers” (sowohl Vögel als auch die menschliche Variante) sehen kann. Eine klitzekleine Szene, aber weitaus interessanter als die Montage des sechswöchigen Glücklich-Verliebt-Seins (streng genommen fällt die Strandszene in diese Zeit, aber die Montage hält dafür mal kurz inne).

Ebenfalls erfrischend (und dem Erfolg der Apatow-Komödien zu verdanken) sind die nicht immer jugendfreien Dialoge. Ich kann mich an keine RomCom erinnern, in der nur ansatzweise so oft das F-Wort (in der Originalfassung) vorkommt. Außerdem spielt »dry-humping« eine wichtige Rolle, es wird Telefonsex praktiziert, Justin Long hat so was ähnliches wie eine Nacktszene (etwas tollpatschig) und es gibt romantische Wiedersehensgespräche wie das folgende:

Er: »I got a tip for you.«
Sie (erfreut): »The tip of your penis?«
Er: »Twenty percent of my dick.«

So weit die kleinen Details, die durchaus zu begrüßen sind (Christina »Dumpfbacke« Applegate hat als Erins Schwester eine wunderbare Nebenrolle, die sich größtenteils um eine Hygiene-Fixierung dreht -> siehe das zuvor erwähnte »dry-humping«).

Ansonsten: ein animierter Vorspann, der hübsch, aber wenig inspiriert ist; ein typischer Soundtrack mit etwas »alternativer« Songauswahl (mal wieder Just like Heaven von The Cure); entspannter Nerdismus (die Traumfrau hält den High Score beim »Centipede«-Arkadenspiel) und ein paar sehr vorsichtige Ausflüge ins Gebiet der »tiefergehenden Männerfreundschaft« (dürfen Heteromänner die Augen schließen, wenn sie sich umarmen?).

Fazit: 20% besser als die übliche RomCom.