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Winter’s Bone
(Debra Granik)
USA 2010, Buch: Debra Granik, Anna Rosellini, Lit. Vorlage: Daniel Woodrell, Kamera: Michael McDonough, Schnitt: Affonso Gonçalves, Musik: Dickon Hinchliffe, mit Jennifer Lawrence (Ree Dolly), John Hawkes (Teardrop), Kevin Breznahan (Little Arthur), Isaiah Stone (Sonny), Ashlee Thompson (Ashlee), Dale Dickey (Merab), Valerie Richards (Connie), Cody Brown (Floyd), Cinnamon Schultz (Victoria), Shelley Waggener (Sonya), Garret Dillahunt (Sheriff Baskin), Sheryl Lee (April), William White (Blond Milton), Lauren Sweetser (Gail), Tate Taylor (Satterfield), Marideth Sisco (Singer at Party), 100 Min., Kinostart: 31. März 2011
»Ain’t you got some man to do this?« Die 17jährige Ree (oscarnominiert: Jennifer Lawrence) ist auf der Suche nach ihrem Vater. Denn wenn dieser nicht in sieben Tagen vor Gericht erscheint (oder offiziell für tot erklärt wird), verliert Rees Familie, bestehend aus ihrer reichlich phlegmatischen Mutter und zwei jüngeren Geschwistern, das Haus, in dem sie leben.
»Haus« ist jetzt ein bisschen euphemistisch, im Grunde ist es eine kleine Hütte, die Familie lebt am absoluten Existenzminimum, selbst das Pferd muss bei toleranten Nachbarn abgegeben werden, um es zu ernähren.
Und so zieht Ree durch die düstere Gegend auf der Suche nach ihrem Vater. Wie der sind auch die Mehrzahl derer, die ihr auf der Suche nach seinem Verbleib behilflich sein könnten, schon hin und wieder straffällig geworden. Wie der unfreundliche Herr mit vielsagendem Namen Teardrop (ebenfalls oscarnominiert: John Hawkes), eine gute Freundin in einer ausweglosen Ehe, oder der lokale Unterweltboss »Little Arthur«, bei dem ihr so ziemlich jeder rät, ihn lieber nicht zu belästigen.
Das Handlungsschema der Befragung gefährlicher Interviewpartner, die eigentlich alle etwas zu verbergen haben, stammt aus den hard-boiled detective stories, Ree hingegen wirkt natürlich zerbrechlicher als ein zerknitterter Philip Marlowe. Doch sie macht ihre Sache gut, und wenn der Film schließlich aus dem brandgefährlichen Genre Film Noir in den Backwood-Horror von Deliverance bis Texas Chainsaw Massacre abzudriften droht (ohne das dokumentarische Flair einer White Trash-Millieuschilderung zu verlieren), so bleibt doch eines beständig: Der Wille des Mädchen Ree, das wenige an »Leben«, was ihre Familie zu teilen hat, zu bewahren.
»You was warned, you was warned nice, but you didn’t listen. Why wouldn’t you listen?«
»Kill me or help me!«
Wer unbedingt wissen will, ob ein Happy End drin ist, soll auf eigene Gefahr weiterlesen ...
Winter’s Bone ist ein Film, der seinen ganz eigenen Weg findet. Der kalt beginnt, und immer frostiger wird, um im günstigsten Fall gegen Ende wieder auf die ursprüngliche Temperatur zu kommen, was nicht unbedingt reicht, um jemanden, der auf den Knochen durchgefroren ist (und im übertragenen Sinn trifft das sowohl auf Ree wie auf den Zuschauer zu), wieder aufzuwärmen. Dennoch verströmt der Film auch eine gewisse Hoffnung, denn für Ree ist ihre gefährliche Reise und Suche auch ein Reifungsritus, währenddessen sie sich Respekt verschafft, insbesondere von den »Hill Women«, einer etwas anderen feministischen Vereinigung, aber auch von einigen der hartgesottenen Kriminellen und Patriarchen. Und für ein Leben am Existenzminimum ist ein Wiederherstellen des Status Quo schon ein Grund zur Freude, auch wenn Außenstehende dies nur schwer nachvollziehen können.
Ein harter, schroffer, frostiger Film, der aber dennoch - im Gegensatz zum anderen rezensierten Kinostart dieser Woche (Hochhäuslers Unter Dir die Stadt) - einen Anflug von menschlicher Wärme verbreitet. Man fragt sich, ob ein Double Feature funktionieren könnte, eine Verbindung von Extremen.