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14. September 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Easy Money (Daniél Espinosa)
Easy Money (Daniél Espinosa)
Easy Money (Daniél Espinosa)
Bildmaterial: Central Film
Easy Money (Daniél Espinosa)
Easy Money (Daniél Espinosa)
Easy Money (Daniél Espinosa)


Easy Money
(Daniél Espinosa)

Originaltitel: Snabba Cash, Schweden 2010, Buch: Maria Karlsson, Lit. Vorlage: Jens Lapidus, Kamera: Aril Wretblad, Schnitt: Theis Schmidt, Musik: Jon Ekstrand, mit Joel Kinnaman (Johan »JW« Westlund), Matias Padin Varela (Jorge), Dragomir Mrsic (Mrado), Dejan Cukic (Radovan), Fares Fares (Mahmoud), Lisa Henni (Sophie), Mahmut Suvakci (Abdulkarim), 124 Min., Kinostart: 15. September 2011

Drei zunächst fast unabhängig erscheinende Erzählstränge, die mitunter mit den selben Montagespielereien zusammengefügt sind wie bei Before the Devil Knows You’re Dead. Jorge (Matias Padin Varela) bricht aus dem Gefängnis aus und wird gejagt. Weniger von der Polizei als von einigen Serben. Einer davon ist Mrado (Dragomir Mrsic), den man als Zuschauer dabei kennen lernt, wie er in einer Herrentoilette jemanden brutal zusammenschlägt. Schließlich gibt es noch Johan (Joel Kinnaman), der Wirtschaftswissenschaften studiert und der trotz Nebenjob als Taxifahrer gerne mit den Kommilitonen aus reichem Elternhaus feiert und denen vorspielt, einer von ihnen zu sein. Man spricht alle Sprachen zwischen Migrationshintergrund-Unterwelt und globalisierter Geschäftswelt, und der Film gibt ein hartes und trockenes Tempo vor.

Dank an Patrick Seyboth für folgende Beschreibung der Situation Johans in der Besprechung im epd Film: »So führen ihn seine Lügen und seine Gier in eine Welt, wo Gier, Lügen und Gewalt regieren.« Es ist, als wenn Johan, der sein (nicht immer) selbstbewusstes Auftreten für (nicht ganz legale) Bankgeschäfte einsetzt, mit der Gewalt eine dritte »Sprache« erlernen muss. Und wenn er beim Vorstellungsabendessen bei den reichen Eltern seiner neuen Freundin angesichts eines übersehenen Blutflecks ausgerechnet jene »Sprache« verleugnen will (Sophies Eltern sprechen offenbar zumindest Gier und Lügen ebenfalls fließend), zeigt sich, dass das, dessen Fehlen zuvor ein Nachteil war (das fehlende resolute Durchgreifen, wobei er in brenzligen Situationen nur mit Angst und Übelkeit auftrumpfen konnte), nun in seiner Evidenz (Blut auf dem Hemdsärmel) deplaziert wirkt. Gesellschaftliche Grenzüberschreitungen sind das interessanteste Thema des Films.

Snabba Cash erinnert in seiner vermeintlichen Kompromisslosigkeit teilweise an Un prophète, doch die wenigen Aussagen, die der Film hierbei macht, erschöpfen sich (je nach Perspektive) auf das gute alte »Crime doesn’t pay« und Variationen der zwei widersprüchlichen »Ferengi Rules of Acquisition« Nummer 34 und 35, die da lauten »War is good for business« bzw. »Peace is good for business«. Im Kontext des Films (und erneut sehr abhängig von der Perspektive der betroffenen Protagonisten) könnte man das umformulieren in »Loyalität ist gut fürs Überleben« bzw. »Loyalität ist schlecht fürs Überleben«.

Wem harte Action, Spannung und ein clever durchstrukturiertes Drehbuch für einen unterhaltsamen Kinoabend genügen, dem sollte man Snabba Cash eher ans Herz legen als eine durchschnittliche (oder sogar überdurchschnittliche) US-Produktion desselben Genres, mir für meinen Teil gelang es aber nicht, abgesehen von einigen Schockmomenten und einem gelegentlichen Staunen allzuviel in die doch reichlich gleichgültige Geschichte zu investieren, und die Sequel-Ankündigung, die angesichts des Publikumserfolgs obligat erscheint, lässt mich sogar noch eine Spur kälter. Da habe ich erst 2007 mit När mörkret faller einen ähnlich konstruierten (Dreiteilung, sogar ebenso mit Ausflug nach Deutschland), aber weitaus bewegenderen schwedischen Genrefilm gesehen, dem aber ob seines unbequemen Themas der Publikumszuspruch in vergleichbarer Weise versagt blieb (trotz drittem Platz beim Panorama Publikumspreis). Verglichen damit wirkt Snabba Cash trotz seiner nicht zu leugnenden inszenatorischen Finesse reichlich formelhaft, angefangen mit dem sich etwas in den Vordergrund spielenden blendend aussehenden Johan und seine junge Liebe, aber auch, was die vorhersehbaren Emotionsdruckstellen von Mrados kleiner Tochter (und in geringerem Maße Jorges schwangerer Schwester) angehen.