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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




22. Dezember 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  In guten Händen (Tanya Wexler)
In guten Händen (Tanya Wexler)
Bildmaterial: CENTRAL FILM Verleih
In guten Händen (Tanya Wexler)
In guten Händen (Tanya Wexler)


In guten Händen
(Tanya Wexler)

Originaltitel: Hysteria, UK / Frankreich / Deutschland / Luxemburg, Buch: Stephen Dyer & Jonah Lisa Dyer, Kamera: Sean Bobbitt, Schnitt: Billy A. Campbell, Jon Gregory, Musik: Christian Henson, Gast Waltzing, Kostüme: Nic Ede, mit Hugh Dancy (Dr. Mortimer Granville), Maggie Gyllenhaal (Charlotte Dalrymple), Felicity Jones (Emily Dalrymple), Jonathan Pryce (Dr. Robert Dalrymple), Rupert Everett (Lord Edmund St. John-Smythe), Sheridan Smith (Molly the Lolly), Ashley Jensen (Fanny), Kim Criswell (Mrs. Castellari), Gemma Jones u. v. a., 100 Min., Kinostart: 22. Dezember 2011

Vor nicht allzu langer Zeit gab es mal den Film Irina Palm, der von einer Frau (Marianne Faithfull) erzählte, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdiente, durch ein Loch in der Wand mit »Handarbeit« Männern »Erleichterung« zu verschaffen. Hysteria (der deutsche Verleihtitel In guten Händen betont die Verbindung noch) dreht jetzt die Grundsituation geschlechtspezifisch um, nun sind es Männer, die Frauen per »Massage« »entspannen«. Man muss es eigentlich gar nicht mehr erklären, natürlich ist diesmal der anrüchige Grundton der Beschäftigung fast gänzlich verpflogen, zum einen sind die »Handarbeiter« ausgebildete Mediziner, zum anderen sind ihre Kundinnen eigentlich Patientinnen, die im spätviktorianischen London der 1880er mit der damals gebräuchlichen Diagnose »Hysterie« (»half of the women of London seem to be afflicted«) zum »Spezialisten« geschickt werden.

Abgesehen vom historischen Hintergrund (im Film geht es um die »auf Tatsachen beruhende« Erfindung des »Massagestabs«, den man heut zumeist Vibrator nennt), den Kostümen und der Geschlechtsverschiebung sind die Humoransätze eigentlich ganz ähnlich: Es geht um Tennisarme und verklemmte Romanzen. Der größte Unterschied ist, das diesmal Maggie Gyllenhaal wie ein Tornado in die Geschichte knallt, und bei all meiner Verehrung für die Dame ist sie (und die von ihr gespielte Figur) vielleicht eine Spur zu »flippig« für das Zeitkolorit. Doch der Film ist sehr amüsant, weil er sich auch nicht zu ernst nimmt. Rupert Everett spielt mal wieder eine tongue-in-cheek-Rolle, wie er sie in gefühlt einem halben Dutzend Oscar-Wilde-Verfilmungen innehatte (»I haven’t seen that horse before in my life«), Felicity Jones (Northanger Abbey) spielt Maggies verklemmtere (aber glaubhaftere) Schwester, Jonathan Pryce bleibt als Vater und Arzt im Hintergund, Hauptdarsteller Hugh Dancy (Confessions of a Shopaholic) weiß die Sache zu stemmen, und sowohl die illustren Patientinnen (Mrs. Castellari!!) als auch das Hausmädchen, das wegen einer früheren Profession »Molly the Lolly« genannt wird, verbinden quasi die Kostümromanze und die moderne RomCom sowie die Ungezogenheit der Jahrhundertwende mit der etwas offeneren Art, mit Sexualität umzugehen, wie sie heutzutage insbesondere in Fernsehserien oder Apatow-Komödien propagiert wird. Hysteria bleibt dabei aber immer »middle of the road«, die Anspielungen sind größtenteils viel versteckter als beispielsweise in Two and a Half Men, und man versucht nebenbei, (auf spielerische und undogmatische Art) auch der Epoche gerecht zu werden. Diese Mischform ist zwar interessant, aber eine klarere Richtung hätte dem Film vermutlich gutgetan, die Prämisse hätte das Zeug dazu gehabt, mehr als eine Komödie herzugeben, die man nach einem Vierteljahr größtenteils wieder vergessen hat.