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10. Oktober 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa (Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie)


Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa
(Rémi Bezançon,
Jean-Christophe Lie)

Originaltitel: Zarafa, Frankreich / Belgien 2012, Buch: Alexander Abela, Rémi Bezançon, Schnitt: Sophie Reine, Musik: Laurent Perez, mit den Originalstimmen von Max Renaudin (Maki), Simon Abkarian (Hassan), François-Xavier Demaison (Malaterre), Vernon Dobtcheff (der alte Weise), Roger Dumas (Charles X), Ronit Elkabetz (Bouboulina), Mohamed Fellag (Mahmoud), Déborah François (Zarafa, erwachsen), Thierry Frémont (Moreno), Philippe Morier-Genoud (Saint-Hilaire), Clara Quilichini (Soula), Mostéfa Stiti (Pacha), 78 Min., Kinostart: 11. Oktober 2012

Regisseur Rémi Bezançon wurde - insbesondere in Deutschland - bekannt durch Le premier jour du reste de ta vie (Dt. Titel: C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben). Noch bevor sein neuer Realfilm Un heureux événement (Dt.: Ein freudiges Ereignis) hierzulande am 13. Dezember in den Kinos startet, folgt nun ein - offensichtlich für Kinder geschaffener - Animationsfilm, bei dem ihm der animationserfahrene Jean-Christoph Lie zur Seite steht, der unter anderem schon an dem thematisch nicht gänzlich verschiedenen Kirikou et les bêtes sauvage / Kiriku und die wilden Tiere beteiligt war. Bezançon war am Drehbuch beteiligt, Lie hat unter anderem bei der (visuellen) Figurengestaltung mitgeholfen, den Regie-Credit teilen sich die beiden.

Zarafa ist eine durchaus klassische Abenteuergeschichte mit einer etwas mythisch angehauchten Rahmenhandlung, die frei auf der Geschichte der ersten in einem Pariser Zoo lebenden Giraffe aufbaut. Hierbei gibt es zwar sowohl musikalisch als auch, was den »Circle of Life« oder den Übergang von Wildnis zu Zivilisation angeht, Momente, die durch Disney-Klassiker wie The Jungle Book oder The Lion King inspiriert scheinen, aber der ganze Film an sich könnte kaum französischer (allerdings mit aktuellem Migrationshintergrund) sein.

Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa (Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie)

Bildmaterial: Alamode Film

Die menschlichen Figuren sind hier größtenteils dunkelhäutig und / oder aus muslimischen Ländern stammend, aber der Film schert sich nicht um Hautfarben oder Religionen, und »typisch französisch« ist hier eher das Zusammenspiel (und die unumgänglichen Konflikte) einer zeitlich reichlich vorverlagerten Multi-Kulti-Gesellschaft, während die französische Bourgeoisie, Aristokratie und Dekadenz zwar kritisiert werden, aber mit dem Kinopublikum offensichtlich fast nichts zu tun hat. Gerade in einem Kinderfilm ist dies natürlich eine positive Botschaft, wo in einem Roman, der tatsächlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschrieben worden wäre, Afrikaner und Turbanträger höchstwahrscheinlich automatisch die Schurkenrollen zugeschoben bekommen hätten.

Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa (Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie)

Bildmaterial: Alamode Film

Dass der Film in Deutschland keine 1,5 Mio. Zuschauer locken wird wie in Frankreich, ist relativ sicher, aber interessanter und besser als aktuelle Animationsfilme wie der soundsovielte Teil von Ice Age oder Madagascar ist Zarafa ohne Frage - doch ohne Reklamebeschuss und Figuren in der Kindertüte der Burgerkette wird das Zielpublikum kaum etwas von dem Film erfahren - und ich befürchte auch, dass ohne aufwendige Computeranimation in 3D (ob es dem Film hilft oder nicht) dem jungen Publikum suggeriert werden könnte, ein Film, der ohne so etwas auskommt, irgendwie »minderwertig« erscheinen könnte - Ein Eindruck, wie er falscher nicht sein könnte.

Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa (Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie)

Bildmaterial: Alamode Film

Die wenigen glücklichen Eltern, Großeltern und Onkel und Tanten, die häufig genug mit Kindern ins Kino gehen, um auch mal einen eigenen Vorschlag einzubringen (wenn es denn unbedingt ein Animationsfilm sein muss), können Zarafa natürlich noch über die aufdringlich grelle US-Konkurrenz hinaus erwählen, doch eigentlich würde ich mir wünschen, dass auch mal eine Neuköllner Großfamilie diesen Film im Kino sieht - die Underdog-Geschichte mit menschlicher (und tierischer) Wärme fände hier das Publikum, für das der Film gemacht wurde. Und ich bin immer noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben, dass über solche Filme junge Kinogänger »richtiges« Kino entdecken könnten, jenes Kino, das fernab des Hypes und der Sequels existiert - und das man hegen und pflegen sollte wie ein kleines Giraffenbaby, während die tumben, neurotischen und selbstverliebten Stars anderer Filme auch einfach falsches Rollenverhalten propagieren. »Wenn ich groß bin, werde ich Faultier oder Säbelzahntiger ...«