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5. Februar 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


RoboCop (José Padilha)
RoboCop (José Padilha)
RoboCop (José Padilha)
Bildmaterial © 2014 STUDIOCANAL
RoboCop (José Padilha)
RoboCop (José Padilha)
RoboCop (José Padilha)


RoboCop
(José Padilha)

USA 2014, Buch: Joshua Zetumer, Drehbuch der Vorlage: Edward Neumeier, Michael Miner, Kamera: Lula Carvalho, Schnitt: Peter McNulty, Daniel Rezende, Musik: Pedro Bromfman, Kostüme: April Ferry, mit Joel Kinnaman (Alex Murphy), Gary Oldman (Dr. Dennett Norton), Abbie Cornish (Clara Murphy), Michael Keaton (Raymond Sellars), Jackie Earle Haley (Mattox), Samuel L. Jackson (Pat Novak), Michael K. Williams (Officer Jack Lewis), Jennifer Ehle (Liz Kline), Jay Baruchel (Pope), Marianne Jean-Baptiste (Karen Dean), Zach Grenier (Senator Dreyfuss), Aimee Garcia (Kim), Patrick Garrow (Vallon), K.C. Collins (Andre Daniels), Daniel Kash (John Lake), Douglas Urbanski (Mayor of Detroit), 118 Min., Kinostart: 6. Februar 2014

Nach Total Recall das zweite Remake eines Verhoeven-Films innerhalb eines Jahres, und meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist Robocop auch der beste Verhoeven-Film (bei weitem), somit also auch ein Stoff, den man nicht ohne weiteres »verbessern« kann.

Was die Spezialeffekte angeht, profitiert der Stoff jetzt auch nicht so sehr von Dingen, die man 1987 noch nicht machen konnte. Robocop ist nach wie vor eigentlich ein Mann in einem Kostüm, das beim Gehen seltsame mechanisch-hydraulische Geräusche von sich gibt. Wo man bei Peter Weller Wert darauf legte, dass sein kahler Schädel, umgeben von ein wenig Special-Make-Up, das Ambiente der »damaged goods« herüberbrachte, liegt der Focus diesmal mehr auf der Attraktivität des Darstellers Joel Kinnaman, bei dem man zwischenzeitig aber durch zwei aufwendige Effect-Shots in Erinnerung ruft, dass vielleicht noch 30 Prozent seines ursprünglichen Körpers in der Cyborg-Mogelverpackung stecken.

Gleich zu Beginn des Films wird in Teheran (!) demonstriert, warum sich das US-amerikanische Volk der nahen Zukunft noch sträubt, auf vollautomatische Polizeiroboter umzustellen, wie es bereits in der ganzen Welt Usus ist. Dabei sind auch jene elefantengroßen zweibeinigen Maschinengewehre wieder dabei, die im Original-Robocop noch hübsch per Stop-Motion animiert wurden, was im Remake natürlich zu einer Demonstration der Möglichkeiten von CGI gerät.

Der größte Unterschied zu Verhoeven ist die hier sehr plakative Satire-Situation, für die man Samuel L. Jackson als meinungsprägenden Fernsehmoderator einsetzt, der dabei mal wieder demonstrieren kann, dass er oft und gerne Witzfiguren darstellt (so langsam gehen ihm die Frisuren aus, mit denen er noch verblüffen kann, aber hier schafft er es noch, so zu wirken, als hätte sich eine Figur aus den Hunger Games aufs falsche Set verirrt). Die mediale Situation war bei Verhoeven noch weitaus »subtiler« (wenn man dieses Wort überhaupt in Zusammenhang mit dem Regisseur von Showgirls und Starship Troopers benutzen darf`) eingearbeitet, hier gerät die Parodie eines Rechtspopulisten zu einem running gag, der den Tonfall des Films mitbestimmt, sich aber verblüffenderweise (ich gehöre nicht zu den Verehrern von Jacksons eher eingeschränkter Schauspielkunst) nicht abnutzt. Frank Miller mag diesmal nicht am Drehbuch mitgearbeitet haben, aber sein zur Reagan-Zeit noch willkommener Humor scheint auch hier präsent.

Die größte Veränderung zum Originalfilm ist offensichtlich die Familiensituation des Cops Alex Murphy, der sich in einem Roboterkörper wiederfindet und um seine Menschlichkeit kämpft. Damals ging es dabei eher um die taffe Romanze mit einer Kollegin, diesmal kämpfen Frau (Abbie Cornish) und Sohn um das Recht, das zunehmend automatisierte Familienoberhaupt wiederzusehen zu dürfen. Ob dies dazu geeignet ist, weibliche Zuschauer ins Kino zu locken, ist eine berechtigte Frage, aber auch dies funktioniert in Maßen (wenn man auch noch schlimmer als bei Captain Phillips in der Prolog-Darstellung der Ehe ziemlich versagt – u.a. mit einer der langweiligsten Liebesszenen der letzten Jahre).

Eine weitere auffällige Entfernung vom Original-Film besteht durch die große Zahl von Nebenfiguren, die unterschiedlichste Graustufen zwischen Moral und Kommerz abstecken und sich auch in ihrer Einstellung zu Murphy / RoboCop stark unterscheiden. Die unheilige Dreieinigkeit besteht hier aus Batman, Dracula und Freddie Krüger. Gary Oldman spielt den begabten viertelverrückten Wissenschaftler, der seinen Patienten zwar mehrfach anlügt, aber dennoch auch seine Ziele verteidigt. Michael Keaton ist der gewiefte Konzernchef, der nie für Lappalien wie Menschlichkeit die Interessen seiner Shareholders aus den Augen lässt. Und Jackie Earle Haley ist ein seltsam weinerlicher Möchtegern-Soldat, der als Drill Instructor einer Roboterarmee unbedingt beweisen möchte, dass das menschliche Element im RoboCop nur Nachteile mit sich bringt (was man aus der Sicht des Konzerns übrigens recht eindeutig ist). Dazu kommen dann noch Polizeikollegin und eine Chefin, eine Laborassistentin oder Jay Baruchel (mit Bart!) als Marketingexperte, teilweise wirkt RoboCop hier wie ein Läufer innerhalb eines Schachspiels, der von ca. 70% der eigenen »Mannschaft« gerne geopfert werden würde und sich quasi im Alleingang durchsetzen muss. (und wer jetzt glaubt, der Vergleich hinkt, weil Läufer ja immer nur eine Hälfte des Schachbretts überhaupt frequentieren können, die sollen den Film erstmal zuende schauen, dann verstehen sie mich schon).

Objektiv betrachtet, kann das Remake von José Padilha (Tropa de Elite) kaum einmal am Sockel rütteln, der das Original darstellt. Aber dieses Remake macht einfach verdammt viel Spaß. Da sind die durchweg fast überqualifizierten Darsteller, da ist der gelungene Mix aus Action, Satire und einem Schuss zuviel Emotion, und vor allem merkt man, dass der Regisseur begriffen hat, dass er den Kampf gegen das Original nicht gewinnen kann – und er gibt sich stattdessen viel Mühe, wenigstens gut dabei auszusehen.

Da ist etwa eine wahrlich großartige Szene, die Murphy nach seinem Beinahe-Tod mit seiner Gattin tanzen lässt, und aus der oft klischeebeladenen Kreiselkamera solcher Momente schlägt Padilha großes Kapital. Natürlich ist das eine Traumsequenz, aber so durchdacht wurden bisher nur wenige Traumsequenzen aufgelöst. Oder Kleinigkeiten, die wirklich verzücken. Beim Wiedersehen Murphys mit seinem Sohn David schneidet man in der Kadrierung einfach den Kopf RoboCops ab. Very nice! Die Trauer von Clara Murphy wird etwa visualisiert durch unauffällige Flecken auf ihrem Pullover. Körperflüssigkeiten sind in diesem Film überhaupt wichtig. Murphy demonstriert etwa Tränen, Speichelfäden und natürlich Blut, aber clever umgesetzt ist es, wie sein artifiziell unterstützter Blutkreislauf fast wie ein »Auftanken« funktioniert. In den 1980ern waren die Diskussionen über Körperlichkeit halt noch nicht ganz so weit.

Doch Themenwechsel: Geradezu verliebt habe ich mich in die gut 80jährige April Ferry, die hier für die Kostüme verantwortlich war. Nein, es geht mir nicht um die Robo-Rüstung, sondern um die nicht wirklich futuristischen, sondern etwas deplaziert wirkenden »normalen« Kleidungsstücke. Etwa die (gehäkelten?) Krawatten, die Gary Oldman trägt (obwohl Jacksons schillernde Paisley-Variationen auch hübsch sind), die Anzugjacke von Michael Keaton, ja selbst die halbtransparenten Oberteile von Abbie Cornish, die man in der Zukunft offensichtlich ungeniert mit durchscheinenden BHs tragen kann, waren eine nette Idee. Und ich sollte an dieser Stelle klar betonen: Es gibt in Filmen vermutlich nur wenig, was mich normalerweise weniger interessiert als Kostüme. Aber in diesem Film habe ich oft und gerne darauf geachtet, ob etwa Jacksons karierter Anzug auch Peter Frankenfeld gestanden hätte. In gleichem Maße würde mich auch interessieren, was die drei großformatigen halbabstrakten Kunstwerke in Michael Keatons Büro aussagen sollen. Beim Design dieses Films hat man offensichtlich viele Ideen gehabt. Und Ideen sind für ein Remake weitaus wichtiger als etwa bessere Spezialeffekte, ein höheres Budget oder Stars. Aber diese anderen Dinge müssen auch nicht automatisch schaden.