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6. März 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)
Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)
Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)
Bildmaterial © Walt Disney Studios
Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)
Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)
Saving Mr. Banks (John Lee Hancock)


Saving Mr. Banks
(John Lee Hancock)

USA / UK / Australien 2013, Buch: Kelly Marcel, Sue Smith, Kamera: John Schwartzman, Schnitt: Mark Livolsi, Musik: Thomas Newman, mit Emma Thompson (P.L. Travers), Tom Hanks (Walt Disney), Colin Farrell (Travers Goff), Paul Giamatti (Ralph), Annie Rose Buckley (Ginty), Ruth Wilson (Margaret Goff), Bradley Whitford (Don DaGradi), Jason Schwartzman (Richard Sherman), B.J. Novak (Robert Sherman), Lily Bigham (Biddy), Kathy Baker (Tommie), Melanie Paxson (Dolly), Andy McPhee (Mr. Belhatchett), Rachel Griffiths (Aunt Ellie), Fuschia Kate Sumner (Flight Attendant), Kristopher Kyer (Dick Van Dyke), Victoria Summer (Julie Andrews), 125 Min., Kinostart: 6. März 2014

Emma Thompson kennt man u.a. als Autorin (echte wie bei ihrem oscar-prämierten Drehbuch für Sense and Sensibility oder gespielte wie in Stranger than Fiction) oder als märchenhaftes Kindermädchen Nanny McPhee. Hier kombiniert sie diese Facetten ihrer Karriere und tritt auf als P.L. Travers, die Autorin der Mary-Poppins-Kinderbücher. Dieses, kombiniert mit Travers' Wunsch, ihre Kreation nicht bei einer Verfilmung solange mit Zuckerguss zu überträufeln, bis von der unwirschen Nanny nichts mehr zu erkennen ist, wäre vermutlich schon ein abendfüllendes Filmprojekt, insbesondere, wenn ihr »Widersacher« Walt Disney von Tom Hanks gespielt wird.

In dieser Disney-Produktion gibt es beispielsweise hübsche Einblicke in den Produktionsablauf einer typischen Disney-Produktion zu Zeiten, als Uncle Walt das Studio noch selbst führte: teilweise übrigens auf Tonband festgehaltene Sitzungen gemeinsam mit dem Drehbuchautor der Verfilmung (Bradley Whitford als Don DaGradi) und den großartigen Sherman-Brothers (hier gespielt von Jason Schwartzman und B.J. Novak), die in den 1960ern so klassische Disney-Soundtracks bestückten wie The Jungle Book oder eben all jene unsterblichen Songs aus Mary Poppins komponierten: A Spoonful of Sugar, Chim Chim Cher-ee, Let's go fly a Kite oder natürlich Supercaliundsoweiter. Und diese Unterhaltungsprofis kollidieren hier mit der zwar in Geldschwierigkeiten befindlichen, aber, was ihre Vision angeht, sehr resoluten Travers, die – wie der Filmtitel klarstellt – unter anderem »Mr. Banks« retten will, den Vater der von Mary Poppins betreuten Kinder, der bereits von der Kinderbuchillustratorin gegen den expliziten Wunsch der Autorin mit einem Schnurrbart versehen wurde. Musicalelemente, eine angedeutete Romanze mit Dick van Dyke, blödsinnige erfundene Worte oder animierte Pinguine stoßen Frau Travers allesamt sauer auf, und da zumindest Disneyfans wissen, dass dann aber doch vieles so gemacht wurde, wie Uncle Walt es gerne gehabt hätte, ist die interessante Frage des Films, wie es dazu kam: Wurde Travers vom Teufel verführt, kapitulierte sie vor dem Männermonopol, where's the story?

Die Story ist das Kernstück des Films, denn »Mr. Banks« ist eigentlich eine glorifizierte Version des Vaters der Autorin, der hier von Colin Farrell gespielt wird. In unzähligen Flashbacks einer Kindheit in Australien (!) wird hier in krassem (aber nicht zu krassem) Gegensatz zur Disney-Märchenwelt von Mary Poppins ein alkoholabhängiger Träumer gezeigt, der als Familienvater und Bankdirektor nicht unbedingt brilliert. Und selbst, wenn man tatsächlich zur Einstimmung auf den Film das erste Poppins-Buch gelesen hat (und nicht etwa törichterweise die obligatorische Ausstrahlung des Poppins-Films in der Woche vorm Kinostart auf dem Disney-Channel verpasst hat), kann der Film mit einigen Überraschungen aufwarten.

Leider hätte mich als ausgewiesenen Disney-Freak viel stärker interessiert, wie etwa The Sands of Time bei Disney oder Travers ankam, ein für Mary Poppins komponierter Song, der später mit neuem Text zu Trust in Me für The Jungle Book wurde. Stattdessen beharrt man auf dem Hollywood-Mythos, dass sämtliche berühmte Künstler eigentlich nur 1:1 die Einflüsse ihres Umfelds in ihr Werk umsetzten, man vergleiche etwa Shakespeare in Love, das Hitchcock-Biopic, Finding Neverland und diverse andere Produkte der Traumfabrik, die eigentlich auch als »Creativity for Dummies« umworben werden könnten: man nimmt einfach an, der normale Kinozuschauer sei außerstande, sich den kreativen Prozess vorzustellen, und deshalb muss man halt anhand einer fiktionalisierten Biographie Schlüsselmomente überbetonen, so dass man als Zuschauer denken kann: okay, wenn mir all dies auch passiert wäre, hätte ich auch Gandhi oder Da Vinci werden können.

Etwas krank, aber irgendwie auch interessant ist der Ansatz des Films, sich nicht an traumatische Kindheitserlebnisse zu erinnern, sondern sich stattdessen eine glückliche Disney-Version der Vergangenheit zu basteln, was sozusagen Disneys Argumentation ist, um die die widerspenstige Autorin zu überreden, ihr geistiges »Kind« in seine Hände zu übergeben, um unzählige andere Kindern damit zu beglücken. Man kann dies durchaus als sehr leise und vermutlich unbeabsichtigte Kritik an der eigenen Firmenphilosophie interpretieren, bei der eine unbesorgte, heile Welt immer Priorität vor der unbequemen Wahrheit hat. In Saving Mr. Banks wird beispielsweise Disneys Nikotinsucht nicht komplett ausgespart. Man inszeniert dieses schwerwiegende Problem, das später auf Umwegen zu Disneys Tod führte (er starb an Komplikationen einer Operation gegen seinen Lungenkrebs), auf eine komplexere, durchdachte Weise: Im Film äußert der Kinderfreund Uncle Walt den Wunsch, nicht mit einer Zigarette fotografiert zu werden, weil er als Beispiel für die Jugend fungieren möchte. Es mag sogar sein, dass Disney irgendwann ähnliche Bedenken hatte, aber solange der Konzern sich darin gefällt, unzählige Zigaretten aus Publicityshots des Firmengründers wegzuretuschieren, um einer heilen, problemfreien Welt zu entsprechen, wirkt auch dies immens verlogen. Disney ist der nette Onkel, der sogar der verklemmten Travers dabei hilft, die dunkel gefärbten Erinnerungen an ihre Kindheit gegen teilanimierte bunte Musical-Fröhlichkeit einzutauschen (dass Travers ihre Entscheidung später bereute, passt nicht zum Happyend und wird deshalb nicht erwähnt). Und während das Thema Alkoholismus inklusive eines tödlichen Resultats thematisiert wird (immerhin riskant und durchaus lobenswert), darf die Gefahr der Nikotinsucht im Film nur deshalb überhaupt existieren, weil damit das Ansehen Disneys – zumindest für den »normalen«, nicht alles hinterfragenden Zuschauer – positiv dargestellt werden kann. Der Publicity-Apparat versteckt clever und routiniert seine perfiden bis perversen Hintergründe.