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Beziehungsweise New York
(Cédric Klapisch)
Frankreich 2013, Originaltitel: Casse-tête chinois, Buch: Cédric Klapisch, Schnitt: Anne-Sophie Bion, Musik: Christophe Minck, mit Romain Duris (Xavier Rousseau), Audrey Tautou (Martine), Cécile de France (Isabelle), Kelly Reilly (Wendy), Sandrine Holt (Ju), Flore Bonaventura (Babysitter Isabelle), Dominique Besnehard (Verleger), Peter McRobbie (Agent im Immigrationsbüro), Jochen Hägele (deutsche Philosophen), Benoît Jacquot (Xaviers Vater), Pablo Mugnier-Jacob (Tom), Margaux Mansart (Mia), Amin Djakliou (Lucas). Clara Abbasi (Jade), Li Jun Li (Nancy), Sharrieff Pugh (Ray), Jason Kravits (Xaviers Anwalt), Byron Jennings (Wendys Anwalt), Martine Demaret (Xaviers Mutter), Jeff Lau (Mister Tea), Phil Nee (chinesischer Taxifahrer), Yelena Shmulenson, Allen Lewis Rickman (Jiddisch sprechende Vermieter), Cédric Klapisch (Fotograf), 117 Min., Kinostart: 1. Mai 2014
Während Cédric Klapisch in den Originaltiteln seiner drei aufeinander aufbauenden Filme um die Abenteuer von Xavier und den drei Frauen, die er aus einer Erasmus-Studenten-WG kennt, jeweils Nationalitäten in den Vordergrund stellt (die spanische Herberge, die russischen Puppen, das chinesische Puzzle), wobei Titel 2 und 3 auch jeweils das Rätselhafte betonen, was auch die gleichlautenden, parallel entstehenden »Romane« Xaviers charakterisiert, setzten die deutschen Verleihtitel den Fokus jeweils auf eine Stadt (Barcelona, St. Petersburg und New York), wobei diesmal zwischen Nationalität und Stadt ein auffallender Unterschied besteht. Was sich aber leicht dadurch erklären lässt, dass man mit »Beziehungsweise New York« vermutlich mehr Zuschauer anlocken kann als mit einem »chinesischen Puzzle« – insbesondere, wenn sich aufgrund des unterschiedlichen Titelschemas kaum ein Bezug zum vorherigen Film aufbauen lässt.
Das Prinzip des chinesischen Puzzles bestimmt diesmal auch den wie üblich quirlig gestalteten Vorspann. Klapisch hat in dieser Trilogie um eine (langsam älter werdende) Generation mobiler, hipper, kreativer Menschen diese Merkmale auch jeweils zum Teil seiner Inszenierung gemacht, auch wenn dies spätestens bei Les poupeés russes eher aufgesetzt wirkte und etwas nervte. Aus unerfindlichen Gründen war aber diesmal beispielsweise die Animationssequenz, die zur Einstimmung den Status Quo veranschaulicht, durchaus passabel. Der Verwirrungszustand anhand der Figur des Xavier (Romain Duris) war immer ein zentraler Teil der Filme, doch diesmal ist sein wahnwitziges Unternehmen, seiner Exfrau Wendy (Kelly Reilly) nach New York hinterher zu reisen (ohne Job, ohne Green Card, ohne Plan), um nicht den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern zu verlieren, nicht nur eine rastlose Betriebsamkeit ohne Ziel, sondern eine nachvollziehbare Motivation, auf der der Film die obligatorischen Komplikationen folgen lassen kann. Komplikation Nr. 1: Xavier wird nebenbei auch der Vater eines Kindes, dass seine lesbische belgische Freundin Isabelle (Cécile de France) gemeinsam mit der Asiatin Ju (Sandrine Holt) in New York aufziehen will. Komplikation Nr. 2: Die Sache mit der Green Card. Wie im gleichnamigen Film von Peter Weir wird Xavier durch den hilfreichen »Agenten« eines Immigrationsbüros nahegelegt, sein gutes Aussehen zu nutzen, um durch die Heirat mit einer Ortsansässigen zu verhindern, wieder des Landes verwiesen zu werden. Wie es dazu kommt, ist komplett unglaubwürdig, aber dennoch charmant. Und passend zum Originaltitel hat seine Scheingattin natürlich einen chinesischen Migrationshintergrund. Komplikation Nr. 3: natürlich darf auch die dritte der drei Frauen, Audrey Tautou als Martine, in diesem Film nicht fehlen. Sie reist mit zwei Kindern an, um einen wichtigen Deal mit einem chinesischen Teefabrikanten zu landen. Und übernachtet in Xaviers von Ju übernommener Wohnung in Chinatown, die sich im Verlauf des Films zur Entsprechung der ursprünglichen WG entwickelt. Ohne ins Detail gehen zu wollen, spitzt sich der Film kontinuierlich auf seinen Höhepunkt hin, wenn die Einwanderungsbehörde (wie in Green Card) durch einen »Überraschungsbesuch« sicherstellen will, ob Xavier und seine Scheingattin wirklich zusammenleben, und sich durch einige Verstrickungen in der Wohnung ca. fünf Frauen mit ebenso vielen Kindern befinden. An dieser Stelle muss man dem Drehbuchautor und Regisseur wirklich dazu gratulieren, wie er diesen reichlich komplexen Plot leicht verständlich und sehr unterhaltsam umgesetzt hat. Denn natürlich gibt es nebenbei auch noch ein paar erotische Verstrickungen, was dazu führt, dass Cécile de France gegen Ende des Films einen Auftritt hat, der mich so laut auflachen ließ, wie es wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr im Kino geschah*.
Nach dem von Cédric Klapisch in letzter Zeit nicht mehr viel zu erwarten war (Ma part du gâteau war ein Armutszeugnis), ist es jetzt so, dass er ausgerechnet bei einem Sequel, das sich an etliche Regeln der Vorgängerfilme hält, mit Casse-tête chinois fast wieder an jene Zeiten anschließt, als er noch hip und kreativ war. Und ein Hoffnungsträger. Beeindruckend!
* An dieser Stelle der Kritik folgte ein Vergleich zu aktuellen, immens witzigen Filmen – allerdings wurde die Kritik im Oktober 2013 erstellt (als der Film gesichtet wurde), und durch eine absolute Rekord-»Presse-Sperrfrist« bis ursprünglich Ostermontag 2014 durfte die Kritik fast ein halbes Jahr nicht veröffentlicht werden. Die damals gewählten Vergleichsfilme sind inzwischen selbst als DVD nicht mehr aktuell, und der Autor sieht sich auch außerstande, sein Auflachen im Herbst mit Filmstarts im Frühling in einen vergleichenden Kontext zu setzen. Sperrfristen nerven generell, aber wenn sie dann auch noch – ausnahmsweise – bei gelungenen Filmen verhängt werden, ist das so, als wenn sich ein Reiter einen Assistenten engagiert, der der Meinung ist, seinem Chef einen Gefallen zu tun, wenn er dem Pferd bei vollem Galopp in den Fuß schießt. Wenn Ross und Reiter sich ein halbes Jahr später wieder aufrappeln können und man den ursprünglichen Drive erreicht, hat man unglaubliches Glück gehabt.